So kann’s gehen 40 Grad im Schatten – und nie wieder duschen

Die schöne bunte Welt der Reklame: Schön, dass ich erfahre, dass es auch ganz ohne Waschen geht.

So kann’s gehen: 40 Grad im Schatten – und nie wieder duschen
Foto: SZ/Robby Lorenz

Fernsehabend auf der Couch. Irgend so eine Schmonzette flimmert über die Mattscheibe. Habe mich von meiner besten Freundin dazu breitschlagen lassen. Draußen brütende Hitze. In ihrer Dachgeschosswohnung ist es kaum auszuhalten. Kerzen in einem Ständer in der Ecke haben längst kapituliert, hängen kopfüber nach unten. Sie bietet mir ein Glas Rotwein an. Auf Zimmertemperatur. Ich frage nach Zimtstange und Apfelsinenscheibe.

Warum die Qualen? Ihr Babysitter sagte kurzfristig ab. Kreislaufprobleme. Wegen der Sahara-Temperaturen. So fiel das langfristig geplante Abendessen beim Italiener ins Wasser. Dafür suppe ich nun vor mich hin, brate im eigenen Saft. Alles recht unappetitlich.

Meine Freundin versucht verzweifelt gegenzusteuern. Hat einen mächtigen Ventilator aufgebaut, der mir ein wenig Angst einflößt, wenn sie mit ihm herumhantiert. Er gleicht in seinen Dimensionen dem messerscharfen Propeller einer Passagiermaschine. Statt einer Brise Erfrischung lähmt uns ohrenbetäubender Lärm. Er lässt uns den Lautstärkeregler des Fernsehapparats bis zum Anschlag hochschieben. Unsere Unterhaltung klingt wie ein ausgewachsener Ehekrach, um gegen die uns anbrüllende Flimmerkiste und obendrein gegen die dröhnenden Rotoren anzukommen. Sie lassen beständig die heiße Luft durch den stickigen Raum zirkulieren. Ich bin mir sicher, sollte in diesem ungünstigen Augenblick jemand am Haus vorbeikommen: Er alarmiert im Handumdrehen aus Angst vor einer handfesten Auseinandersetzung unterm Dach die Polizei.

Eine Reklamepause bietet die Chance, uns vom Kunstledersofa zu lösen, bevor wir miteinander verwachsen. Stehend und mit einem Rinnsal Schweiß auf dem Rücken, der sich den Weg in meine Unterhose bahnt, schauen wir uns die im TV feilgebotenen Produkte an. Eine Windel, die zwölf Stunden alles in sich behält. „Die könnte ich jetzt auch brauchen“, kommentiert meine Freundin. „Dein Kind würde darin ertrinken“, ergänze ich. Und frage mich, wer um alles in der Welt seinen Säugling einen halben Tag in einer vollen Windel lassen will.

Neue Einstellung, neues Produkt: Eine grazile Schönheit räkelt sich halbnackt vor der Kamera und sprüht sich unentwegt ein Deodorant unter die glattrasierten Achseln. Keine Schweißperle zu sehen. Der Werbebeitrag sieht auch eher so aus, als wäre er am Polarkreis zur Wintersonnenwende gedreht worden. Nach ellenlanger einlullender Lobpreisung von der sonoren Stimme aus dem Hintergrund erfahren wir, dass dieses Deo schlappe 72 Stunden seine Wirkung bewahren soll. Aus meiner klatschnass geschwitzten Freundin im Polyester-Oberteil platzt es heraus: „Es lebe das Deo, nie wieder duschen!“

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