114 Wege zur KunstVon der "Verrücktheit" zur "Werbemaßnahme"

Saarbrücken. "Ich mache schon immer Sachen," sagt Anna Kautenburger, auf ihr noch junges Kunstdiplom von 2011 angesprochen. Sie stellt in einem eisigen Kellerraum aus, allein. Der kleine Raum ist auch ihr Atelier, "und manchmal noch die Waschküche nebenan"

Saarbrücken. "Ich mache schon immer Sachen," sagt Anna Kautenburger, auf ihr noch junges Kunstdiplom von 2011 angesprochen. Sie stellt in einem eisigen Kellerraum aus, allein. Der kleine Raum ist auch ihr Atelier, "und manchmal noch die Waschküche nebenan". Kautenburger präsentiert die Dokumentation einer Arbeit zu "Kunst im öffentlichen Raum": ein Kunst-Garten in Kopenhagen mit Pflanzen aus Grönland, dem in Dänemark wenig geschätzten Nachbarland. Besucher Stephan Pham findet Kautenburgers Atelier "positiv anders". Ihn als Informatikstudenten hat die Arbeit "Kutist" besonders fasziniert: eine Auswahl von Kunstwörtern, die durch einen Softwarefehler erzeugt werden und in Online-Artikeln zu finden sind.In dieses Kelleratelier (Graf-Johann-Straße 13, Saarbrücken) und in ähnliche Lokalitäten strömten am Wochenende natürlich nicht mal annähernd solche Menschenströme wie zeitgleich in den zweifellos attraktiven Saarbrücker Kulturbahnhof (KuBa), wo sich über 20 Künstlerinnen und Künstler präsentierten. Das KuBa ist dabei nur einer von 114 Veranstaltungsorten, die im Faltblatt zu den Tagen der Bildenden Kunst aufgelistet wurden. Sicher ist dieses Jahr die Marke von 7000 Besuchern im Vorjahr getoppt worden, zumal man für das Flanieren erstmals zwei Tage Zeit hatte.

Bei Bilderbuchwetter haben sich Sonja und Uwe aus St. Arnual mit Fahrrädern aufgemacht, nun schon zum fünften Mal die Szene großräumig zu erfassen. Und auch mal was zu kaufen? Nein, "zu teuer". Ihnen gefällt es gut, "zu erleben, wo und wie Künstler leben und arbeiten," und sie wollen nach Möglichkeit "alles, bis zu unserem Daarler ,Silo'" anschauen. Aber wirklich alles zwischen Püttlingen und Schafbrücke? Schwer möglich. Ebenso schwierig wäre sicher die Formulierung einer adäquaten Zusammenfassung der Vielfalt, in der sich die hiesige Kunstszene bewies. Hie und da ärgerlicher Dilettantismus inklusive.

Vieles dagegen macht Lust auf mehr Kunst, und jetzt schon auf das kommende Jahr. Ein erfreuliches Erlebnis: die "5kV Station" in Burbach (Heinrich-Barth-Straße 17), eine Ateliergemeinschaft in einem geräumigen und etwas brüchig wirkenden Gebäude.

Darin Sabrina Sperl, die mit Malerei und Objektkunst "den Blick verstellen und den Blick öffnen" will (Sperl), und Birgit Hower, die "Alltagsforschung" zur Grundlage ihrer Malerei macht und deren Sammlung von leuchtenden oder im Gebrauch verblassten Materialien selbst schon eine feste Grenze zwischen Kunst und Banalität in Frage stellt.

Im Vergleich dazu sehr zentral liegt das Atelier Hafenstraße im Hinterhof zwischen Arbeitsamt und Erotikshop-Lager in der Stadtmitte. Eine Ateliergemeinschaft der etablierteren Art - vielleicht deshalb erst mal ohne Hinweisschild? Man fand sie doch und hatte (unter anderem) Spaß mit dem Duo Stoll & Wachall, verkleidet als schrille Zwillinge mit Pinkhaaren, das jeden und jede zu einem kreativen Zeichendialog einlud. Aber das war am Wochenende für viele Kunstfreunde nur eine Station von ganz vielen. Saarbrücken. Am Anfang war es eine "Verrücktheit", es wurde bald zur zur "unbezahlbaren Werbemaßnahme", heute ist es ein Ort, der unverzichtbar ist, ein Ort, an dem mit "Stolz und Selbstbewusstsein" Kunst geschaffen und gezeigt wird. Der Ort heißt KuBa, und diese vier Buchstaben stehen fürs Kulturzentrum am Erurobahnhof. Das feierte am Freitagabend mit seinem Herbstsalon, der eine "Momentaufnahme" der Arbeit der KuBa-Künstler ist, wie Kurator Andreas Bayer erklärte, sein fünfjähriges Bestehen.

Begonnen habe alles mit einer "verrückten Idee", sagt Michaela Kilper-Beer, die Vorsitzende des KuBa. Eine Idee, mit der sie vor sechs Jahren anfing, einigen Leuten auf den Wecker zu gehen. Unter anderem Jürgen Schäfer, dem Geschäftsführer der städtischen Entwicklungsgesellschaft GIU, die das Gelände vermarktet. Schäfer war wie viele andere schnell begeistert. Das KuBa sagt er, habe das Image des Quartiers Eurobahnhof verbessert, geholfen, dort Firmen anzusiedeln. Nicht nur deshalb, sondern weil das KuBa ein wichtiger Kunstort ist, sagt Oberbürgermeisterin Charlotte Britz: "Auch wenn unsere finanzielle Situation schwierig ist: Wir brauchen solche Orte." ols

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