Wohnungslosenhilfe in der Landeshauptstadt Wie das Saarbrücker Projekt „Housing First“ Obdachlose in die eigenen vier Wände bringt

Saarbrücken · Wer auf der Straße landet, schafft es meist nicht alleine, wieder ein Dach über dem Kopf zu finden. Im Projekt „Housing First“ der Diakonie Saar werden Wohnungslose dabei begleitet, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Wie ihnen das gelingt und was ihre Hilfe in Saarbrücken beschwert.

Wohnungslosigkeit endet im schlimmsten Fall auf der Straße. Von dort schaffen es die Wenigsten aus eigener Kraft zurück in ein menschenwürdiges Leben.

Wohnungslosigkeit endet im schlimmsten Fall auf der Straße. Von dort schaffen es die Wenigsten aus eigener Kraft zurück in ein menschenwürdiges Leben.

Foto: dpa/Paul Zinken

Ela strahlt. Die 25-Jährige kommt etwas später zur Pressekonferenz im Haus der Diakonie. Gerade hat Sozialarbeiter Achim Ickler vom Erfolg des Projektes „Housing First – wohnen zuerst“ berichtet, das er vor nunmehr fünf Jahren wesentlich mitkonzipiert hat. 39 Menschen hat Ickler mit zwei weiteren Kollegen seitdem von der Straße geholt und sie in Saarbrücken in eine eigene Wohnung vermittelt. Um Ela Krampitz dreht sich eine dieser Erfolgsgeschichten.

Kleine Wohnung im Nauwieser Viertel gefunden

Seit Mai 2022 wohnt sie in einer kleinen Einzimmer-Wohnung im Nauwieser Viertel. „Alleine hätte ich das nie geschafft“, sagt die junge Frau mit den pink gefärbten Haaren, die zurzeit auf Krücken läuft. Sie erzählt von einem Unfall, zwei kleinen Töchtern in Hamburg, die sie regelmäßig besucht, und ihrem „psychischen Knacks“. Geradezu harmlos hört sich das an, so freundlich und ruhig, wie sie es erzählt. Doch wie groß muss die Not dieser jungen Frau gewesen sein, allein und krank auf der Straße? Dann sagt Ela etwas Entscheidendes: „Hier ist niemand böse, wenn ich mal einen Termin nicht schaffe oder einfach nicht kann.“

Und genau dieses Verständnis für die besonderen Bedürfnisse der meistens nicht nur drogenkranken, sondern auch psychisch angeschlagenen wohnungslosen Menschen ist es, was „Housing First“ so erfolgreich macht. Der Ansatz kommt aus den USA. Für viele Wohnungslose sei es äußerst schwierig, Termine einzuhalten oder sich um Bürokratisches zu kümmern. „Sie sind oft skeptisch gegenüber Behörden und haben vielfach Suchtprobleme“, erzählt Ickler aus der Praxis. „Wir reden mit den Leuten auf Augenhöhe“, ergänzt er. Und so entsteht Vertrauen. Im besten Fall lernen die Menschen, ihr Leben wieder weitestgehend selbst zu meistern.

 Die Sozialarbeiter Achim Ickler (r.) und Frank Couck begleiten Wohnungslose auch nach dem Einzug in die eigene Wohnung und sind Ansprechpartner für Vermieter und Vermieterinnen.

Die Sozialarbeiter Achim Ickler (r.) und Frank Couck begleiten Wohnungslose auch nach dem Einzug in die eigene Wohnung und sind Ansprechpartner für Vermieter und Vermieterinnen.

Foto: Diakonie

Geheimnis des Erfolges: Verständnis statt Druck

Unterstützung statt Druck – dieses Konzept macht das niedrigschwellige Programm also so erfolgreich. Es läuft nicht nur in Saarbrücken gut, sondern in weiteren deutschen Großstädten. Deshalb hat das Sozialministerium seine Hilfe aufgestockt und finanziert jetzt zwei Stellen für das Projekt (vorher 1,75 Stellen). 39 Menschen haben Ickler und seine Kollegen in den vergangenen fünf Jahren betreut. Fast 90 Prozent von ihnen leben heute immer noch in stabilen Mietverhältnissen, freut sich der Sozialarbeiter. Er schätzt, dass es allein in Saarbrücken rund 1000 wohnungslose Menschen gibt. Ein Teil lebt auf der Straße. Andere kommen immer wieder bei Freunden oder in Notunterkünften unter (Awo-Notschlafstelle, Bruder-Konrad-Haus, Herberge zur Heimat, Kältezelt). Mehrere Hundert haben ihre postalische Adresse im Haus der Diakonie im Nauwieser Viertel.

Eine der größten Hürden im Kampf gegen die Wohnungslosigkeit: überhaupt passende Wohnungen auf dem umkämpften Mietmarkt zu finden. Und Vermieter davon zu überzeugen, Wohnungslosen eine Chance zu geben. Damit das klappt, übernehmen die Mitarbeiter der Diakonie die komplette Kommunikation sowohl mit den Vermietern, als auch mit den Behörden (Jobcenter, Sozialamt, etc.). Sie kümmern sich um die Erstausstattung und um die Mietverträge und sind Ansprechpartner nicht nur für ihre Klienten, sondern auch für die Vermieter, falls es Probleme gibt.

Vermieterin: „Man sollte keine Vorurteile haben“

Claudia Contarini jedenfalls ist sehr zufrieden. Sie vermietet mittlerweile zehn kleine Einzimmer-Apartments an ehemals Wohnungslose, vermittelt von der Diakonie. „Es klappt super, ich kann das nur empfehlen. Man sollte keine Vorurteile haben“, so Contarini. „Kleine, bezahlbare Wohnungen zu finden, ist sehr schwer“, ergänzt Ickler. Man suche dringend Wohnraum – und der muss auch noch bezahlbar sein. Derzeit sind für die Kosten der Unterkunft rund 500 Euro warm vorgesehen, die das Sozialamt bezahlt. An der Wohnung hängt also alles, denn bevor ein Mensch ins Programm aufgenommen werden kann, muss erst einmal eine passende Bleibe gefunden werden.

Dass das Problem der Wohnungslosigkeit mit den steigenden Preisen in Zukunft noch größer werden wird, davon geht man aus. Das Sozialministerium verspricht, gegenzusteuern. iuch die Diakonie könnte sich vorstellen, „Housing First“ auszubauen mit entsprechender Unterstützung, sagt Tobias Mierzwiak, Abteilungsleiter soziale Teilhabe.

Frauen brauchen spezifische Hilfen

Yvonne Ploetz vom Sozialministerium ging zudem auf die steigende, aber eher versteckte Wohnungslosigkeit von Frauen ein. Für sie müssten eigens auf deren Bedürfnisse zugeschnittene Hilfen entwickelt werden. Zudem sei man mit der psychiatrischen Klinik auf dem Sonnenberg im Gespräch, um psychische Erkrankungen von Wohnungslosen besser behandeln zu können.

Die Diakonie Saar sucht für die Wohnungslosenhilfe Wohnungen für Einzelpersonen bis 500 Euro warm und bittet potenzielle Vermieter, Kontakt aufzunehmen mit Achim Ickler, Tel. (01 72) 458 03 18 oder Frank Couck, Tel. (0172) 45 89 522. E-mail:housing-first@dwsaar.de

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