Neue Kältekammer am Beethovenplatz Saarbrücken extrem: Halbnackt am kältesten Ort der Stadt – kann das wirklich gesund sein?

Saarbrücken · Sauna kennen viele – aber eine Kältekammer mit fast 90 Grad minus? Die gibt es jetzt am Beethovenplatz, sie soll der Gesundheit dienen, gerade bei Rheuma verspricht sie Linderung. Was kann die Wundermaschine, was kostet das? Ein Selbstversuch.

Saarbrücken: Halbnackt am kältesten Ort der Stadt - ist das gesund?
16 Bilder

Saarbrücken extrem: Halbnackt am kältesten Ort der Stadt – kann das wirklich gesund sein?

16 Bilder
Foto: Oliver Dietze

Wenige Sekunden, bevor es losgehen soll, bekomme ich dann doch ein bisschen Bammel. Direkt vor mir steht das Ding, eine Art Duschkabine, durch die Glastür leuchtet es hellblau, im Innern liegt – Schnee?? Da soll ich rein. Jetzt? Echt jetzt?

Ich liebe Sauna. Schwitzen bei 90 Grad, Sanddorn-Duft – herrlich. Aber wie fühlt sich das Gegenteil an? Nicht plus 90 Grad, sondern minus 90? Heute werde ich es ausprobieren. In Sekunden werde ich den wahrscheinlich kältesten Ort Saarbrückens betreten: die Kältekammer im Gesundheitszentrum „Körperglück“ am Beethovenplatz, wo einst die Sparda-Bank zuhause war. Die Kammer ist eine Anti-Sauna: Das Thermometer zeigt minus 79,0 Grad an, doch es wird noch kälter gleich, minus 86 Grad.

Minus 90 Grad: Kann die Kältekammer auch Muskelkater verhindern?

Ich bin halbnackt. Socken und Schuhe, kurze Hose, Handschuhe, Mütze, FFP2-Maske, das war’s. Mehr braucht man nicht in der Eis-Sauna, mehr stört auch nur. Die Maske trage ich, weil sie das Atmen leichter macht in den nächsten Minuten. Hinter der Glastür. In der Wahnsinnskälte.

Vier Minuten und zwölf Sekunden – so lang werde ich in der Kältekammer bleiben (müssen). Das ist der Plan. Eine Software hat diese „optimale Anwendungszeit“ errechnet. Anhand meiner Körpergröße, meines Gewichts und meiner Beschwerden. Beschwerden habe ich eigentlich keine. Ein paar Probleme mit trockener Haut, auch dagegen verspricht die Kältekammer Hilfe. Ansonsten habe ich mich mit einer Joggingrunde auf den Termin vorbereitet. Schneller als sonst war ich an der Saar unterwegs, ich will herausfinden, ob die Kältetherapie Muskelkater verhindert.

Der kälteste Ort Saarbrückens ist keine Spaßveranstaltung

Der kälteste Ort Saarbrückens ist nämlich alles andere als eine Spaßveranstaltung. Die Kältekammer soll der Gesundheit dienen. Daher haben Jan Doht, Jesper Morsch und Kai Lehnert eine elektrische Version nach Saarbrücken geholt. Und viel Geld investiert. Sechsstellig. Seit September ist sie im Einsatz und in dieser Form nach Angaben Dohts im Saarland einmalig. Der Physiotherapeut hat seit zehn Jahren eine eigene Praxis in Saarbrücken, er betreut unter anderem die Ruder-Nationalmannschaft und die Fußballerinnen der SV Elversberg. Mit dem Umzug an den Beethovenplatz und der Erweiterung zum Gesundheitszentrum wollte er einen besonderen Raum in der City schaffen: „Wir wollen Menschen helfen, Gesundheit zu finden statt nur nach Krankheit zu suchen.“ Daher gibt es auch ein Fitness-Studio, eine Logopädie-Praxis, Reha-Sport, Höhentraining – und eben die Kältekammer.

„Die Forschung geht immer mehr dahin, dass Kälte bei der Behandlung von Schmerzen oft bessere Ergebnisse bringt als Wärme“, erklärt Doht. Extreme Kälte regt den Stoffwechsel an, fördert die Durchblutung und wirkt entzündungshemmend. Gerade bei Erkrankungen wie Rheuma sei die Kammer ein Segen: „Für viele Rheuma-Patienten ist die Kältekammer das Nonplusultra, weil sie wirklich Schmerzen lindert und die Lebensqualität verbessert.“ Auch Dr. Ulrich Prothmann, Chefarzt der Rheumatologie-Klinik Püttlingen, hält sie für eine „hilfreiche Unterstützung“. Die Deutsche Rheuma-Liga bestätigt: „Viele Patienten mit Rheuma berichten, dass sie gerade von der Kältekammer sehr profitieren würden.“ Viele fühlten sich danach „regelrecht euphorisch“.

Was ein Gang in die Kältekammer kostet

Eigentlich ist die Kältekammer – eine Anwendung kostet 25 Euro – eine Wundermaschine. Glaubt man den Versprechungen auf der Internetseite des „Körperglücks“, verringert sie nicht nur chronische Schmerzen, sondern stärkt das Immunsystem, kann bei Schlafstörungen und Burnout helfen, lindert Hauterkrankungen, führt nach dem Sport zu einer schnelleren Erholung, unterstützt bei Diäten, steigert die Motivation und verbessert das allgemeine Wohlbefinden.

Das sind dann ja doch ganz gute Aussichten vor meinem Gang in die Kammer. Zehn Minuten vorher aber muss ich mich noch ausführlich zu meiner Gesundheit äußern. Das Anamnese-Formular fragt nach Bluthochdruck, Diabetes, Nieren-Erkrankungen, Epilepsie und allerhand weiteren schlimmen Dingen. Der Computer aber hat keine Einwände. Ich darf rein. 4:12 Minuten sollen es sein. Dazu empfiehlt die Software drei Anwendungen in den nächsten drei Tagen und dann eine bis zwei pro Woche.

Wow, wirklich kalt hier – sehr, sehr, sehr kalt

Wir belassen es zunächst bei der einmaligen Aktion. Im Raum der Kältekammer ziehe ich meine dicke Jacke aus und alles andere, was die Behandlung stört. Und dann geht es los. Tür auf, ich gehe rein. Wow, wirklich kalt hier. Nach 30 Sekunden denke ich, dass ich schnell wieder raus will. Aber jetzt abbrechen? Lieber durchhalten, kämpfen. Oder schaffe ich es nicht? Nach zwei Minuten ist es immer noch kalt, sehr, sehr, sehr kalt. Allmählich kommt mein Oberkörper ordentlich in Bewegung, ich zittere wie – Espenlaub? Ja, so muss sich Espenlaub fühlen. Nach drei Minuten schaue ich auf meine vereisten Armhaare, sieht lustig aus, ich muss leicht lachen. Amüsiert überstehe ich auch den Rest der Zeit. Schluss. Aus. Ich kann wieder raus.

Und? Jan Doht hat vorher gesagt, man könne Bäume ausreißen nach der Behandlung. Naja, einen kleinen Baum vielleicht. Ansonsten ist mir einfach weiterhin kalt. Gut drei Stunden hält das Gefühl an. Am Tag danach fühlt sich meine Haut tatsächlich besser an, auch spüre ich kaum Muskelkater in den Beinen. Das aber, so erklärt es mir Dr. Sabrina Forster vom Institut für Sport- und Präventivmedizin der Saar-Uni, könnte ich auch einfacher haben. Statt die Kältekammer zu nutzen, über deren Einsatz in der Regeneration bislang erst wenige Studien vorlägen, würde es auch ein Bad im kalten Wasser tun: zehn bis zwölf Minuten bei zehn bis 15 Grad. Ich denke demnächst darüber nach – in der Sauna…

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort