Aktionsplan So will das Saarland Insekten retten

Saarbrücken · Saar-Umweltminister Reinhold Jost legt ein eigenes Programm gegen Artensterben vor, weil der Bund zu lange brauche.

 Vor dem Büro von Saar-Umweltminister Reinhold Jost (SPD) wurde eine Wildblumenwiese angelegt. Sie bietet viel Nahrung für Insekten. Der Minister plädiert dafür, solche Wiesen auch in anderen Kommunen anzulegen.

Vor dem Büro von Saar-Umweltminister Reinhold Jost (SPD) wurde eine Wildblumenwiese angelegt. Sie bietet viel Nahrung für Insekten. Der Minister plädiert dafür, solche Wiesen auch in anderen Kommunen anzulegen.

Foto: dpa/Katja Sponholz

Der Umweltminister geht mit gutem Beispiel voran. Vor seinem Bürogebäude in der Saarbrücker Innenstadt wächst und blüht eine Wildblumenwiese, gleich neben dem Eingang bietet ein Insektenhotel Platz zum Nisten und Überwintern. „Das Insektensterben macht uns große Sorgen, und es lässt uns nicht ruhiger werden, obwohl die Situation im Saarland nicht ganz so schlecht ist wie in anderen Ländern“, sagt Reinhold Jost (SPD).

Auf den Erfolgen als bundesweiter Spitzenreiter beim Anteil der Ökolandwirtschaft und der 30 Jahre langen naturnahen Waldbewirtschaftung will er weiter aufbauen: mit einem Aktionsprogramm zum Insektenschutz.

„Wir müssen aufpassen, dass wir die Kurve bekommen und alle animieren, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dem weiteren Artenschwund entgegenzutreten“, sagt Jost. Das Thema sei so wichtig, dass er nicht mehr habe warten wollen, bis der Bund das von ihm lange angekündigte Konzept vorlegt. Laut Bundesumweltministerium befindet sich das Programm noch in der Ressortabstimmung und soll im Sommer im Kabinett beraten werden.

Erste Ideen für das Saarland stellte Jost jetzt bei einer Auftaktveranstaltung vor, an der rund 30 Vertreter von Kommunen, Vereinen und Verbänden teilnahmen – darunter Nabu, Bund, Städte- und Gemeindetag oder Bauernverband. Das Aktionsprogramm soll noch ab diesem Jahr umgesetzt werden. Es sieht unter anderem Maßnahmen für blüten- und wildkrautreiche Flächen in Landwirtschaft und Siedlungsgebieten, Verzicht auf Pestizide, insektenfreundliche Beleuchtung und eine öffentliche Aufklärungskampagne vor.

Zwar kann Jost darauf verweisen, dass allein in den vergangenen fünf Jahren über 30 000 Hektar als besonders geschützte Landschaftsbestandteile ausgewiesen wurden, doch sieht er einen besonderen Ansatz nun im Bereich Siedlungsnaturschutz. „Wenn man bedenkt, dass etwa 30 Prozent des Saarlandes versiegelt sind, macht es deutlich, dass wir auch dort Handlungsnotwendigkeiten sehen.“

Als Modellkommunen taten sich bereits St. Ingbert, Kleinblittersdorf und Rehlingen-Siersburg hervor. Doch nach Ansicht des Ministers könnten noch viel mehr Gemeinden ihren Beitrag leisten, um Blühflächen zu aktivieren und etwas für die Artenvielfalt zu tun: etwa auf unbebauten Grundstücken, in Gewerbegebieten oder gar auf Friedhöfen. „Das sind völlig unterschätzte Flächen, die in jedem Ort vorkommen“, sagt Jost. Er sei der festen Überzeugung, dass die Fläche hier nicht zu 100 Prozent „wie geleckt daliegen muss, sondern dass es auch Bereiche gibt, wo man Natur Natur sein lassen kann, was schön aussieht und auch noch Biodiversitätskriterien erfüllt“. Auch des Themas Schottergärten, den so genannten „Gärten des Grauens“, will sich Jost annehmen. „Ich finde es ja toll, dass sich viele über den Rückgang der Artenvielfalt sorgen. Aber jeder hat die Möglichkeit, dem vor seiner eigenen Tür entgegenzuwirken – im wahrsten Sinne des Wortes.“ So sollen Hausbesitzer beraten werden, wie sie Vorgärten mit einfachen Möglichkeiten umgestalten können.

Und auch auf den eigenen landwirtschaftlichen Flächen möchte Jost einiges für die Insekten tun. So prüfe das Ministerium gerade die rechtliche Möglichkeit, Flächen nur noch an jene Landwirte zu verpachten, die sich verpflichten, auf Pestizide zu verzichten. Restriktiv sei sein Ministerium auch beim Glyphosat-Einsatz: So gäbe es keinerlei Ausnahmegenehmigung mehr für Kommunen, dieses giftige Unkrautvernichtungsmittel auf öffentlichen Plätzen einzusetzen.

„Für das Überleben der Menschheit ist die Biodiversität, also der Reichtum an Arten, an Lebensräumen und Ökosystemen, unverzichtbar“, sagte Jost. „Vieles ist schon verloren gegangen und zwar unwiderruflich. Damit nicht noch mehr folgt, darf man nicht nur reden, sondern muss handeln.“

Beim Naturschutzbund Nabu stieß der Umweltminister auf positive Resonanz. „Es ist auf jeden Fall gut, dass man sich dieses Themas annimmt und auch, dass man es breit angeht“, sagte der Nabu-Landesvorsitzende Ulrich Heintz. Es sei richtig, sich nicht nur auf Vorgärten und Städte zu fokussieren, sondern auch landwirtschaftliche Flächen und Wälder bis hin zum Thema Nährstoffeinträge in Gewässer mit in die Überlegungen einzubeziehen.

Die Verbände haben jetzt noch bis zum 15. Juli Zeit, eigene Anregungen zum „Aktionsprogramm Insektenschutz Saarland“ beim Ministerium einzureichen. Einen Vorschlag hat Heintz schon: Sinnvoll sei es auch, bei der Pflege von Schutzgebieten – also bei den Zeiten, wann gemäht und wie hoch das Gras geschnitten werde – genauer hinzuschauen. Hier müsse nachjustiert werden, damit nicht von jetzt auf gleich die gesamte Struktur für eine Insektenpopulation wegfalle. „Nach der Pflanzenbrille müssen wir nun auch die Insektenbrille aufsetzen“, appelliert er. „Momentan gibt es eine unvorstellbare Wahrnehmung dieses Themas. Alle Menschen wollen praktisch etwas tun.“

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