Streit um Armutsbekämpfung im Saarland Zweiter Anlauf zur Armutsbekämpfung

Saarbrücken · Saar-Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) nimmt Interessengruppen mit in die Pflicht. Es gab viel Lob aus dem Beirat für den neuen Aktionsplan.

Jetzt, da die Lockerungen der Landesregierung in der Corona-Krise wieder einen halbwegs normalen Alltag in den Einkaufs- und Freizeitzonen ermöglichen, gehören auch die Pfandflaschensammler wieder zum Straßenbild. In der Hoffnung, dass die Zeitgenossen die mit 25-Cent-Pfand-Logos versehene Einweggebinde oder die für Sammler weniger attraktiven Mehrwegflaschen (acht oder 15 Cent Pfand) achtlos in die Abfallbehälter werfen, durchkämmen Menschen die Innenstädte. Eines der sichtbaren Zeichen für die Armut im Saarland, die häufig jedoch kaum wahrnehmbar bleibt.

Dabei zeigen die Zahlen der Statistiker seit Jahren das ganze Elend. Jedes fünfte Kind im Saarland lebt in Familien, die ohne staatliche Hilfen nicht existieren könnten. Im Regionalverband ist es sogar jedes vierte Kind. „Manche schämen sich, Hilfen anzunehmen“, sagte Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) am Mittwoch vor Medienvertretern in der Staatskanzlei. Dort stellte sie den „Zweiten Aktionsplan zur Armutsbekämpfung im Saarland“ vor, mit dem sie eine Million Euro ausschütten will. Aber Bachmann sagte auch: „Wir können nicht allen Menschen auf der Welt helfen.“

Die Eine-Million-Hilfe, die ein Beirat, dem Vertreter aller Ministerien, der Staatskanzlei, des Landkreistages und des Saarländischen Städte- und Gemeindetages, der Regierungsfraktionen, der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Liga der freien Wohlfahrtsverbände, der Kirchen, der Saarländischen Armutskonferenz und der Arbeitskammer angehören, mitbestimmte, soll gezielt verwendet werden. Eine neue Stelle in der Verbraucherzentrale soll künftig Strom- und Gassperren verhindern, wenn Kunden nicht zahlen können. Zudem sollen Schulkinder aus Geringverdiener-Haushalten kostenlos in den Schulen essen können. Auch die für 2021 geplante die 28-Euro-Monats-Sozial-Netzkarte für Busse und Bahnen soll aus dem Topf mitfinanziert werden. Zudem würden über den Sonder-Fonds das Modellprojekt „Lotsendienst Frühe Hilfen in Geburtskliniken“ sowie Projekte für Kinderhäuser und Kinder in gemeinnützigen Einrichtungen mit Mitteln versehen, betonte Bachmann.

Ein zweiter Aktionsplan zur Armutsbekämpfung war notwendig geworden, weil der erste von 2013, ebenfalls von einer CDU/SPD-Landesregierung auf den Weg gebracht, kaum Früchte getragen hatte, wie der Chef des Vereins Saarländische Armutskonferenz, Wolfgang Edlinger, sagte. Er beklagte, dass während der Corona-Krise die Armen nicht vorgekommen seien. Tafeln seien geschlossen worden, die Flaschensammler hätten kaum noch etwas gefunden. „Für andere sind Milliarden geflossen, für die Armen nichts“, sagte Edlinger. Bachmann betonte dagegen, dass sie keine „Ankündigungsministerin“ sei. „Wir werden auch einen dritten Aktionsplan haben“, sagte Bachmann. Zu dem zweiten Aktionsplan zähle auch, dass die Anbieter so genannter Schrott-Immobilien gesetzlich in die Schranken gewiesen würden.

Lob gab es für Bachmann vom Sprecher der Wohlfahrtsverbände, Bernward Hellmanns (Caritas). Auch der evangelische Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann dankte Bachmann namens der Kirchen für ihr Engagement. Der Wert einer Gesellschaft bemesse sich daran, wie sie mit ihren Schwächsten umgehe, so Hofmann.

Nach dem Sozialverband VdK bemängelte auch die Linksfraktion im Saar-Landtag den mit „zweieinhalbjähriger Verspätung“ vorgestellten Aktionsplan. „Die Maßnahmen und Mittel werden bei Weitem nicht ausreichen“, sagte Linken-Sozialexpertin Astrid Schramm. SPD und CDU im Landtag lobten dagegen einen nachhaltigen Kampf des Saarlands gegen die Armut, der bundesweit beispielhaft sei.

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