Als „Argumente“ sprachen auch die Fäuste Als das Saarland „unabhängig“ war
Riegelsberg · Rainer Freyer hat mit „Saar-Nostalgie“ im Internet ein umfangreiches Gedächtnis für die Nachkriegszeit erschaffen.
Lasso-Zigaretten, Stixi, das Harz-Fritzje und natürlich „Der Dicke muss weg“ – die zweite Saar-Abstimmung mit Wahlkampf-Getöse, Straßenkämpfen und allem was dazu gehört. „Es war eine spannende Zeit“, sagt Rainer Freyer über das – man beachte die Anführungszeichen – „unabhängige“ Saarland zwischen 1947 und dem 1. Januar 1957. Der gut gelaunte 78-Jährige hat auf seiner Internet-Seite „Saar-Nostalgie“ die größte im Netz frei zugängliche Sammlung aus Texten und Bildern zu und aus jener Zeit zusammengetragen. Wobei es dort auch Informationen, Geschichten und Bilder zu anderen Zeiten an der Saar gibt, doch das Zeitfenster von 1945 bis 1956 ist sein Hauptaugenmerk.
Etliche Teile seiner Sammlung stammen dabei gewissermaßen aus erster Hand, denn schon als älteres Kind war ihm aufgefallen, „dass da was Besonderes vor sich geht“, als Flugblätter verteilt wurden, Anschläge über Versammlugen informierten, Lautsprecher-Fahrzeuge durch die Orte tourten und es vor der Abstimmung durchaus auch zu Schlägereien zwischen den Anhängern und Gegnern des „Europäischen Saarstatuts“ kam.
So hatte der Junge angefangen, Flugblätter, Plakate und Bilder zu sammeln, die viele Jahre später ein umfangreicher Grundstock für die „Saar-Nostalgie“ wurden, die jetzt schon seit 13 Jahren, stetig weiter wachsend, im Internet zu finden ist. Inzwischen gibt es auf der Seite Hunderte Beiträge und Bilder zu den verschiedensten Themen aus der Nachkriegszeit, von A wie „Autofahren im Saarstaat“ bis Z wie „Zündhölzer“ (über die Saarländische Zündholzfabrik in Saarlouis-Fraulautern). Wobei Rainer Freyer kein Einzelkämpfer ist, sondern auch immer wieder Berichte und Informationen von Freunden und Unterstützern bekommt. Und das nicht nur aus Deutschland. Seine Internetseite registriert seit Oktober 2014, aus welchen Ländern sie „besucht“ wird. Aus Deutschland waren es seither knapp 138 000 Nutzer, aber auch jeweils fast 5000 aus den USA und Frankreich, sowie knapp 2600 aus Großbritannien. Es gibt aber auch „Exoten“ unter den Nutzer-Ländern mit jeweils nur einem Besucher, wie etwa Ghana, Sambia, Benin oder Kambodscha. Und mit den „Auswärtigen“ – Ausgewanderte Saarländer oder auch schon deren Nachfahren – kommt es durchaus auch zu persönlichen Kontakten. So erinnert sich Rainer Freyer zum Beispiel an E-Mails aus Kolumbien und den USA, aus Brasilien und auch mal aus Panama. Darunter Mails älterer Menschen, die sich noch selbst an die Nachkriegszeit erinnerten und Beiträge für die „Saar Nostalgie“ schickten.
Mit dem selben Titel hat Freyer inzwischen auch zwei Bücher mit vielen alten Bildern herausgebracht. Zudem hat der ehemalige Englisch- und Französischlehrer einen Teil der Beiträge ins Französische übersetzt – für den französischsprachigen Ableger seiner Internetseite.
Und wie viel Zeit steckt er noch in seine „Saar Nostalgie“? „Jetzt nicht mehr ganz so viel“, sagt der gebürtige Neunkircher, der, nach elf Jahren in Saarbrücken, seit 1976 in Riegelsberg lebt, „denn im Großen und Ganzen bin ich ja fertig“, dann ergänzt er jedoch mit einem Lachen: „Aber so ganz fertig ist das ja nie.“
So lange es geht, werde er weitermachen, mit dem Betreuen der Internetseit, „und im Moment geht’s noch gut“. Doch was ist, wenn es irgendwann mal nicht mehr gehen sollte? Wird dann das gesammelte Wissen über die Nachkriegszeit an der Saar verloren gehen? Rainer Freyer, der während des Gesprächs gerne lacht, wird nachdenklich und sagt dann, dass er das Thema wohl mit seinen beiden Söhnen, die ihm schon mit Tipps und Hinweisen zur Seite standen, besprechen müsse, „damit die Internetseite im Netz bleibt, wenn ich mal nicht mehr bin“.