Vier Wahlkämpfer warben für Europa
Riegelsberg · Als Bürokratiemonster, das von Regelungswut getriebenen Unsinn ausspuckt, haben die Institutionen der Europäischen Union einen zweifelhaften Ruf. Dagegen wollen saarländische Kandidaten für das EU-Parlament etwas tun. In Riegelsberg kamen ihre Pläne auf den Tisch.
Seit Wochen rackern sich die saarländischen Spitzenkandidaten im Europawahlkampf ohne Pausentage ab. Da war es am Donnerstagabend in der Riegelsberger Rathausgalerie erfreulich zu beobachten, dass Helma Kuhn-Theis (CDU), Jo Leinen (SPD), Tina Schöpfer (Grüne) und Roland König (FDP) auch nach zwölf Stunden Tagwerk noch das Stehvermögen für eine kurzweilige Abendrunde aufbrachten.
Leinen wies vor gut 50 Zuhörern darauf hin, dass diese schon traditionelle Veranstaltung der Europa-Union Saar, der Stiftung Europäische Kultur und Bildung sowie der Gemeindeverwaltung sich schon durch die Beigabe von Kultur von anderen abhebe.
Und neben dem Gitarren-Duo FineMix (Guido Allgaier und Jürgen Krewer) sorgte Moderatorin Ilka Desgranges, leitende Redakteurin der SZ, für Kurzweil und "Zackigkeit".
Nach 67 Minuten waren alle Fragen beantwortet, und viele eilten ans nächste TV-Gerät, um auch noch der Diskussion von Jean-Claude Juncker und Martin Schulz zu lauschen.
Die vier Kandidaten stimmten der Einschätzung der Moderatorin zu, dass die Europäische Union ein Imageproblem habe und dass zu schlecht über den politischen Betrieb Europa geredet werde. Leinen schlug vor, gesamteuropäische Wahllisten zuzulassen, was eine permanente Befassung der Wähler mit Europapolitik zur Folge habe. Tina Schöpfer verlangte "mehr Transparenz" im Alltagsgeschäft, aktuell etwa beim zu entscheidenden Freihandelsabkommen Europas mit den USA. Kuhn-Theis wünschte sich, dass weniger elitär über Europa diskutiert werde, also so, dass der "normale Bürger" Inhalte begreife; auch könne man "Europa" in die Lehrpläne der Schulen aufnehmen, Kinder also quasi zu Europäern erziehen.
König schlug schmunzelnd vor, nach dem Wegfall von "Wetten, dass...?" eine europäische Unterhaltungsendung zu etablieren. So eine gab es übrigens bereits 1965 (!) mit dem Titel "Spiel ohne Grenzen/Jeux sans frontières", moderiert von Camillo Felgen, später von Erhard Keller.
Für den Fall eines Einzugs ins Parlament versprach Helma Kuhn-Theis, für das "Europa der Regionen" zu kämpfen, also Mittel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit zusammenzutragen. Aus dem Fachkräftemangel an der Saar und der Jugendarbeitslosigkeit in Lothringen lasse sich eine Situation des beiderseitigen Nutzens entwickeln. Statt sich im Kampf gegen "überbordende EU-Bürokratie" - so Zuhörer Werner Barkey - aufzureiben, sollte man versuchen, den Bürgern vor Ort beim Antragstellen zu helfen. Jo Leinen kündigte den Versuch an, mit EU-Geld verstärkt "Stadtpolitik" im Saarland zu machen, etwa in Malstatt, Burbach und Völklingen. Es sei, bei vielen Bemühungen um Harmonisierung (Steuern, Anerkennung von Berufsabschlüssen) auch bedeutsam, darauf zu achten, dass man Errungenschaften wie den deutschen Meisterbrief im Handwerk nicht wegwerfe. Große Themen der nächsten Wahlperiode seien Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit.
"Wir sorgen dafür, dass Sie was Gesundes auf dem Teller haben", zeigte sich Tina Schöpfer als Fürsprecherin für gesunde, "gentechnikfreie" Nahrung. Arbeitslosigkeit lasse sich durch Förderung erneuerbarer Energien vermeiden, gerade in sonnigen Südländern der EU.
Roland König stellte ein Kümmern in Aussicht, das den praktischen Nutzen der EU vor Ort erhöhe. Beispiel: ein grenzüberschreitender "Eurodistrict" funktioniere derzeit nur mit dem Recht eines der beteiligten Länder, so dass ein weiteres immer "nachgeben" müsse. Das sei zu ändern. Fazit aller Beteiligten: Europa habe eine hohe Wahlbeteiligung verdient, weil es alle Leute betreffe, weil es allen nutze und weil es Frieden und Wohlstand sichere.