Hilfe bei Demenz „Otto“ darf nicht in den Chefsessel

Riegelsberg · Treffen mit Hilfe und Tipps für Angehörige: Der Demenzverein im Köllertal ist nun auch in Riegelsberg aktiv.

 Herausforderung Demenz: Betroffene lassen sich nicht in die „normale“ Welt zurückholen, es bleibt nur die Möglichkeit, sich auf ihre Welt einzulassen.

Herausforderung Demenz: Betroffene lassen sich nicht in die „normale“ Welt zurückholen, es bleibt nur die Möglichkeit, sich auf ihre Welt einzulassen.

Foto: picture alliance / David Hecker//David Hecker

  „Die Betreuung ist eine schwere Aufgabe. Da ist es gut, wenn man von anderen Menschen lernen kann“, erklärte Dr. Jürgen Guldner, Chefarzt der Neurologie am Knappschaftsklinikum Saar in Püttlingen. Ohne zu zögern, betonte er, war er der Einladung des Demenz-Vereins im Köllertal nach Riegelsberg gefolgt: „Ich unterstütze die Arbeit der Demenz-Vereine und auch der Landesfachstelle Demenz sehr gerne.“ Denn, das machte nicht zuletzt sein ausführlicher und überaus interessanter Vortrag deutlich, noch sind viele Fragen zum Thema Demenz ungeklärt. Auch der Umgang mit Erkrankten muss geübt werden.

Auf etwas mehr Interesse an dem Abend, der zugleich der Startschuss für die Selbsthilfegruppe zum Thema Demenz in Riegelsberg war, hatte Anita Lender-Beck, Vorsitzende des Demenz-Vereins Köllertal, gehofft. Die Zahlen, die sie zur Begrüßung mitgebracht hatte, zeigten, dass die Betroffenheit sowohl als Patient, aber auch als Angehöriger mit dem demografischen Wandel unweigerlich einhergeht. Auch sie selbst, bekannte sie, ist betroffen. Ihr Mann, erzählte sie, stand mitten im Leben, als die Krankheit begann. Sie wollte die Würde erhalten, Wege finden, ihn zu verstehen und mit der Krankheit leben. „Wir haben die Demenz schließlich ,Otto’ getauft. Und ,Otto’ musste im Keller wohnen, durfte auf keinen Fall im Chefsessel Platz nehmen“, berichtete sie aus ihrem Alltag.

Strategien finden, Ansätze erarbeiten, wie man mit dem kranken Partner oder Elternteil umgeht, auch das will die Selbsthilfegruppe ermöglichen. Seit rund drei Jahren wird das Angebot in Püttlingen gut angenommen, nun findet es in Riegelsberg eine Erweiterung.

„Ich finde es eine tolle Idee, etwas, das in Püttlingen gut läuft, auch bei uns anzubieten“, freute sich Riegelsbergs Bürgermeister Klaus Häusle. Auch er war von den Zahlen – 6000 Betroffene allein im Regionalverband – berührt, und er glaubt fest daran, dass eine Selbsthilfegruppe in Riegelsberg auf Interesse stoßen wird.

Froh darüber, der Gruppe eine Heimat geben zu können, ist Pfarrer Tobias Kaspari. Helfen, betonte er, sei ein Auftrag der Kirche. Gerade als Geistlicher habe er viel mit alten Menschen zu tun. „In einem Altenheim sind beim Gottesdienst bis zu 80 Prozent der Besucher dement. Das ist eine Herausforderung“, so Kaspari.

Mit zahlreichen Beispielen aus der Welt der Politik und Prominenz zeigte Dr. Guldner schließlich, dass die Demenz jeden treffen kann. Ebenso wichtig wie das Abklären der Erkrankung durch bildgebende Maßnahmen und weitere Untersuchungen, betonte er, sei es, die Angehörigen stark zu machen. Und er appelierte an die Zuhörer: „Wir müssen in die Welt des Erkrankten eintauchen, sie mit seinen Augen sehen. Wir müssen die Erinnerungen wach halten, zeigen, dass sie gebraucht werden, müssen wieder lachen, müssen ihnen ein Gefühl der Sicherheit geben. Wir können sie nicht in die heutige Realität zurückholen.“ Nach dem beeindruckenden Vortrag gab es viel Beifall. Es war ein gelungener Start für die neue Selbsthilfegruppe, hofft Iris Höhne, die als Ansprechpartnerin in Riegelsberg fungiert.

 Sie helfen Betroffenen und Angehörigen bei Demenz – jetzt auch in der neu gegründeten Selbsthilfegruppe in Riegelsberg (von links): Rudi Burgard, Iris Höhne, Anita Lender-Beck und Helmut Karrenbauer.

Sie helfen Betroffenen und Angehörigen bei Demenz – jetzt auch in der neu gegründeten Selbsthilfegruppe in Riegelsberg (von links): Rudi Burgard, Iris Höhne, Anita Lender-Beck und Helmut Karrenbauer.

Foto: Merkel Carolin/Carolin Merkel

Die Gruppe trifft sich ab sofort jeden zweiten Dienstag im Monat in Riegelsberg im Gemeindehaus der Kirchengemeinde Güchenbach. Bei allen Selbsthilfegruppen/Angehörigengruppen, betonte Lender-Beck, ist auch immer eine Fachkraft mit dabei, die die Treffen begleitet und auch Hilfestellungen geben kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort