Mehr Vielfalt auf dem Riegelsberger Friedhof

Riegelsberg · Riegelsberg reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach Urnenbestattungen mit einem neuen, großzügigen Feld, das auch anonyme Bestattungen in einem Rondell zulässt. Im nächsten Jahr sollen zudem Urnenbestattungen unter Bäumen möglich sein.

 Eine friedliche Herbst-Ansicht bietet das neue Urnenfeld auf dem Riegelsberger Friedhof. Die Urnen werden in die Stelen hineingestellt. Foto: Becker & Bredel

Eine friedliche Herbst-Ansicht bietet das neue Urnenfeld auf dem Riegelsberger Friedhof. Die Urnen werden in die Stelen hineingestellt. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Wem die zahlreichen modernen Bestattungsformen auf unseren Friedhöfen Unbehagen bereiten, dem sei vom Riegelsberger Pfarrer und Dechant Franz-Josef Werle aus der Historie berichtet, dass auf diesem Gebiet im Christentum seit jeher "extreme Vielfalt ohne Klarheit" herrsche; man habe sich immer den Bedürfnissen der Menschen angepasst.

Wichtig sei, ergänzte Werles evangelischer Kollege Tobias Kaspari, dass der Friedhof für die Menschen ein besonderer, bedeutsamer Platz bleibe. Und um noch mal Werle zu zitieren: "Der Gottesacker" oder "der Kirchhof" seien verbindende Gemeinschaftsorte der Lebenden und der Toten.

In diesem Bewusstsein hat die Gemeinde Riegelsberg am vorigen Donnerstag in einer kleinen Feier von der Geistlichkeit ein weiteres Urnenstelenfeld einsegnen lassen, die Rede ist gar von einem Urnenpark.

Im ersten Bauabschnitt wurden 72 Urnenkammern errichtet, weitere 48 Doppelkammern sollen folgen. Für anonyme Bestattungen wurde ein Rondell mit 34 Plätzen angelegt.

Die Anlage ist großzügig bemessen, nicht darauf ausgerichtet, möglichst viele Kammern auf engem Raum unterzubringen. Teilweise besteht die Möglichkeit, Grabschmuck in einer Nische neben der Urnenkammer abzulegen. Der Bodenbelag aus Betonsteinen begünstigt Erreichbarkeit und Pflege.

Bürgermeister Klaus Häusle (SPD ) schilderte, dass der Anteil der Urnenbestattungen in Riegelsberg immer größer werde: 2015 seien von 138 Beerdigungen 94 in Urnen erfolgt, also 68 Prozent. In diesem Jahr seien von bislang 113 Bestattungen nur 32 Erdbestattungen gewesen, der Anteil der Urnenbestattungen liege bei 74 Prozent. Mit der neuen Anlage, "einer Oase im lauten Getriebe der Zeit", trage man dieser Entwicklung Rechnung. Einschließlich des noch ausstehenden zweiten Bauabschnittes investiert die Gemeinde nach eigenen Angaben 146 000 Euro in den Urnenpark und erwartet nach erster Belegung Gesamteinnahmen von 308 000 Euro über einen Zeitraum von 15 Jahren.

Die Differenz ist allerdings nicht als Gewinn zu veranschlagen, da das Feld ja auch dauerhafte Pflegekosten verursacht. Wie viel man hier gärtnerisch investieren kann, zeigt exemplarisch der derzeitige üppige Herbstflor.

Im kommenden Jahr wird die Gemeinde Riegelsberg auch Baumbestattungen unterhalb der Hochkreuzanlage anbieten, nicht zu verwechseln mit "Friedwald"-Beerdigungen. Es handelt sich vielmehr um Urnen-Erdkammern mit beschrifteter Platte, die um 24 eigens gepflanzte Bäume gruppiert werden. Zehn dieser Bäume stehen bereits. Der Riegelsberger Gemeinderat muss aber, so Bürgermeister Häusle, dieser Bestattungsform noch zustimmen.

Zum Thema:

Hintergrund Urnenbestattungen sind in Mitteleuropa spätestens seit der Bronzezeit bekannt, das zeigen Funde aus der so genannten Schönfelder Kultur (2500 bis 2100 v. Chr., etwa im Bereich Mittelelbe und Saale bis Böhmen). Feuerbestattungen sind noch wesentlich älter, sie waren schon in den Urgesellschaften über die ganze Welt verbreitet. Im Christentum wurde die Brandbestattung jahrhundertelang abgelehnt (unter Karl dem Großen 786 sogar verboten). Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die Forderung nach Feuerbestattungen auf Druck der Ärzteschaft (unter hygienischen Gesichtspunkten) und auf Druck von Arbeiterverbänden und der Sozialdemokratie aus Kostengründen. So entstand schließlich Ende 1878 in Gotha das erste deutsche Krematorium, und es kam wieder zu Urnenbestattungen. red

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