Kommt jetzt die Großstadt Saarbrücken?"Drei Arme machen keinen Reichen"

Saarbrücken. Die Diskussion über eine Verwaltungsreform im Regionalverband ist neu aufgeflammt

Saarbrücken. Die Diskussion über eine Verwaltungsreform im Regionalverband ist neu aufgeflammt. In einem Gutachten mit dem Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung erneuert Professor Jens Joachim Hesse, Leiter des Internationalen Instituts für Staats- und Europawissenschaften, seine Forderung, die Stadt Saarbrücken und den Regionalverband zum Stadtkreis Saarbrücken zusammenzuschließen und quasi eine Großstadt zu bilden. Hesse hatte bereits 2004 in einem Gutachten die Verwaltungsstrukturen im Saarland untersucht und den Stadtkreis gefordert. Die Politik war ihm nicht gefolgt, am Ende wurde der Stadtverband in Regionalverband umbenannt. Das neue Gutachten hat der Saarbrücker Stadtrat 2011 für 100 000 Euro in Auftrag gegeben.

Hesse schlägt jetzt als Zwischenschritt vor, Friedrichsthal, Sulzbach und Quierschied, die Köllertal-Kommunen Püttlingen, Riegelsberg und Heusweiler, sowie Völklingen und Großrosseln zu drei Mittelstädten zusammenzuschließen. Die Landeshauptstadt will er deutlich stärken. Nach SZ-Informationen begrüßt die Stadtverwaltung die Forderung nach dem Stadtkreis, fürchtet aber bei der Zusammenlegung von Kommunen heftige Auseinandersetzungen. Das Gutachten will sie mit dem Regionalverband diskutieren.

Wenn der Stadtkreis gegründet würde, könnten etwa Jobcenter, Jugendamt, Sozialamt und die weiterführenden Schulen in die Zuständigkeit der Stadt zurückkehren. Die Verwaltung würde das begrüßen.

Der Kampf um die Eigenständigkeit des Saarlandes, die Schuldenbremse sowie die Neufassung des Länderfinanzausgleichs 2019 werde das Saarland zu harten Einschnitten zwingen, glauben die Gutachter. Sie kritisieren Doppelverwaltungen bei Stadt und Regionalverband und nennen die unteren Bauaufsichtsbehörden und Rechenzentren. Die Zusammenarbeit der Kommunen müsse dringend verbessert werden. Die Landeshauptstadt könnte, da gerade das Oberzentrum personell und organisatorisch gut gerüstet ist, Aufgaben für andere übernehmen, schlagen die Gutachter vor. Die Stadt sieht bei den Rechenzentren und der Personalkostenabrechnung große Chancen für mehr Zusammenarbeit.

Für die Gutachter ist klar: Eine Weiterführung der geforderten Sparmaßnahmen aus dem Spargutachten von Rödl&Partner werde langfristig das große Schuldenproblem der Landeshauptstadt nicht lösen. Um das zu schaffen, sei einerseits die Verwaltungsreform unabdingbar. Andererseits müsse der Kommunale Finanzausgleich weiterentwickelt werden und Sonderlasten der Stadt Saarbrücken wie die Berufsfeuerwehr und die Straßeninstandhaltung berücksichtigt werden.

Die Stadtverwaltung schlägt außerdem vor, dass gemeinsam mit der Landesregierung in einem Entwicklungsprogramm die Stärken der einzelnen Landkreise herausgearbeitet werden und sie dafür auch entsprechend Geld bekommen.

Köllertal. Aus den drei Köllertal-Kommunen Püttlingen, Heusweiler und Riegelsberg eine Mittelstadt mit über 50 000 Einwohnern zu bilden, stößt bei allen drei Bürgermeistern auf Skepsis. Martin Speicher (CDU) aus Püttlingen gibt zu bedenken, dass ja bereits die freiwillige Zusammenarbeit der Kommunen oft schon bei Kleinigkeiten nicht gelinge, und zwar aus gar nicht mal abwegigem "Kirchturmdenken": "Wenn eine Kommune an irgendeiner Stelle einen Nachteil sieht, macht sie schon nicht mit, wenn es nicht an anderer Stelle einen Ausgleich gibt." Ehe man eine Köllertal-Mittelstadt zusammenbaue, um Kosten zu sparen und Verwaltung zu vereinfachen, solle man lieber erste Schritte zu einer wirklich funktionierenden Zusammenarbeit zum Wohl der Bürger unternehmen, schlägt Martin Speicher vor.

Auch Thomas Redelberger (CDU) aus Heusweiler hält es für mehr als fraglich, ob solch eine Gebietsreform mit Fusionen nennenswerte Kostenvorteile bringt: "Ich teile nicht die Grundhaltung, dass man aus drei Armen einen Reichen machen kann." Es sei ja nicht damit getan, zwei Drittel der gesamten vorhandenen Dinge einfach aufzugeben. Eine funktionierende Mittelstadt brauche zum Start wiederum neue Gebäude, Strukturen und Arbeitsplätze, so dass das Einsparvolumen zu bezweifeln sei. Zu bedenken sei auch, dass kleine Einheiten grundsätzlich bürgernäher und effizienter seien als große. Auch Redelberger plädiert dafür, die freiwillige Zusammenarbeit zu verstärken. Und grundsätzlich ist der Verwaltungschef dafür, bestehende Strukturen regelmäßig zu hinterfragen, etwa den nicht so glücklichen Kooperationsrat der Kommunen im Regionalverband, der fast nichts zu entscheiden habe. Der neuerliche Vorschlag sei immerhin solch ein "Anstoß zum Nachdenken".

Auch Klaus Häusle (SPD) aus Riegelsberg hält eine große Köllertal-Stadt für "überflüssig". Erstens sei mit einer Großeinheit nichts zu sparen, zweitens beraube man die drei jetzigen Kommunen ihrer Identität und zumindest teilweise ihrer Selbstbestimmung und damit eines "hohen Gutes, das man nicht aufs Spiel setzen sollte". Wie seine Amtskollegen wünscht sich Häusle eine engere Zusammenarbeit. Er meint: "Auch ohne Gebietsreform kann man viel machen." Foto: Becker & Bredel

Auf einen Blick

 Martin Speicher Foto: A. Engel

Martin Speicher Foto: A. Engel

 Thomas RedelbergerFoto: Jenal

Thomas RedelbergerFoto: Jenal

 Klaus Häusle Foto: Jenal

Klaus Häusle Foto: Jenal

Gemeinsam: Die tatsächliche praktische Zusammenarbeit der drei Köllertal-Kommunen ist überschaubar. Immerhin gibt es seit 2007 einen gemeinsamen Wertstoffhof. Zudem betreibt man gemeinsam eine Kamera für Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr. red

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