Im wahren Wortsinn Pflege der ortseigenen Geschichte

Riegelsberg · "Mein Vater war ein Nazi. Er war sogar bei der Waffen-SS. Dass ich heute zu der Putzaktion der Schüler an den Riegelsberger Stolpersteinen gekommen bin, hat damit etwas zu tun. Das ist meine persönliche Form der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit." Mit diesen Sätzen erklärte die 79-jährige Doris Frey ihre Teilnahme an der ersten Putzaktion der Leonardo-Da-Vinci-Gemeinschaftsschule: Schüler säuberten, auf den Tag genau zum 77. Jahrestag der Reichspogromnacht, die im April dieses Jahres verlegten Stolpersteine für die jüdischen Opfer des NS-Terrorregimes.

 Schüler der Leonardo-Da-Vinci-Schule pflegen die Stolpersteine. Mit dabei (von rechts): Doris Frey, Volker Junge, Bürgermeister Klaus Häusle und (links) Geschichtslehrerin Dr. Christine Conrad. Foto: mj

Schüler der Leonardo-Da-Vinci-Schule pflegen die Stolpersteine. Mit dabei (von rechts): Doris Frey, Volker Junge, Bürgermeister Klaus Häusle und (links) Geschichtslehrerin Dr. Christine Conrad. Foto: mj

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Eingeladen hatte das "Aktionsbündnis Stolpersteine für Riegelsberg ".

Mit Putzeimer, Bürste, Spülwasser und Poliertuch gingen die Neunt- und Zehntklässler zusammen mit ihrer Geschichtslehrerin Dr. Christine Conrad von der Talstraße zur Kirch- und dann zur Invalidenstraße, wo sie die Gedenksteine für die Familie Neumark, Salmon und Albert sowie Gross polierten und die vom Aktionsbündnis recherchierten Schicksale der vertriebenen, geflohenen, internierten, ermordeten oder auch geretteten jüdischen Bürger vortrugen.

Volker Junge, Sprecher des Aktionsbündnisses, rief den Schülern in Erinnerung, wie schnell aus netten Nachbarn ein "wütender Mob" werden kann, der "Juden raus" schreit, und wie leicht Menschen verführbar sind. "Gerade heute, 77 Jahre, nachdem unsere Großeltern-Generation Synagogen angezündet und ihre jüdischen Mitbürger durch die Straßen getrieben hat, müssen wir uns mit Blick auf die Herausforderungen der Aufnahme von Flüchtlingen eines bewusst machen: Menschenverachtende Parolen dürfen nicht mehr von unseren Herzen und unserem Geist Besitz ergreifen." Bürgermeister Klaus Häusle machte den Schülern Mut, die dunkle Seite der Vergangenheit nicht auszublenden und sich ein Beispiel an den mutigen Riegelsbergern zu nehmen, die sich schützend vor jüdische Bürger gestellt hatten. Dass die Leonardo-Da-Vinci-Gemeinschaftsschule nun mit Zustimmung der Schulgremien offiziell die Patenschaft für die Stolpersteine übernommen hat, freute den Rathauschef besonders.

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