Ein „Engel“ für Sarah
Riegelsberg · Von einer Sekunde auf die andere drohte Sarah Webers Podologie-Praxis das Aus. Nach einem schweren Verkehrsunfall im Juni 2016 (die SZ berichtete) konnte sie monatelang nicht arbeiten. Wie lassen sich da die Kunden halten?
Ohne ihren "Engel" würde es ihren Laden nicht mehr geben. Das sagt Sarah Weber mit Nachdruck. Die 33-Jährige aus Holz führt seit knapp vier Jahren eine Praxis für Podologie (medizinische Fußpflege) in der Riegelsberger Kirchstraße. Von einer Sekunde auf die andere drohte im vergangenen Sommer ihrer beruflichen Existenz das Aus.
Wir treffen Sarah Weber und "Engel" Angela Meier in der Praxis - zwei junge Frauen, zweimal blonde Haare, zweimal viel Lachen. Sie kennen sich seit zehn Jahren, begegneten sich in ihrer Ausbildung. Als Sarah Weber eine Mitarbeiterin sucht, findet sie Angela Meier. Die heute 30-Jährige aus Völklingen-Heidstock - verheiratet, eine Tochter (3) - will zum Juni 2016 an zwei Vormittagen die Woche einsteigen. Gerade dreimal können sie zusammen arbeiten. Dann schlägt das Schicksal zu: Kurz nach Mitternacht am Sonntag, 12. Juni, verunglückt Sarah Weber auf der Bietschieder Höhe zwischen Heusweiler und Holz (die SZ berichtete, siehe "Rückblick"). Sie kommt auf die Intensivstation. Am Montagmorgen um 6.32 Uhr erreicht Angela Meier eine SMS aus dem Krankenhaus, dazu ein Link zu Facebook übers Unfallgeschehen. Angela Meier beruhigt ihre Chefin und Freundin umgehend telefonisch: "Ich hab‘ ihr gesagt: Wir kriegen das irgendwie hin." Um 10 Uhr trifft sie sich mit Sarahs Mutter vor der Praxis: "Ich hatte ja keinen Schlüssel." Sie nimmt sich das Terminbuch vor, führt in den nächsten Tagen ungezählte Telefonate - Kunden übernehmen, Termine verschieben oder auch absagen: "Die ersten fünf bis sechs Wochen waren die schlimmsten."
Zu diesem Zeitpunkt gehen die Frauen aber auch noch davon aus, dass Sarah Weber bald zurückkommen kann. Doch vor allem das linke Handgelenk macht fortdauernd Probleme. Angela Meier nimmt auf sich, was sie unterbringen kann. Der Laden muss weiterlaufen. Kunden , die jetzt gehen, drohen wegzubleiben. Für den kleinen Laden eine große Gefahr.
"Das war ein Kraftakt", sagt Angela Meier im Rückblick. "Ich war gerade erst aus zwei Jahren Elternzeit zurück. Eine große Umstellung." Und ihre Familie musste das Engagement mittragen. Sarah Weber konnte sich derweil nur in Geduld üben. Die Freundin habe sich als "gute Chefin" gezeigt, sagt Angela Meier: "Sarah hat mir sämtliche Freiräume gelassen, war besorgt um mich."
Jetzt kann der "Engel" in seine Wunsch-Teilzeit zurück. Sarah Weber hat sich schrittweise wieder an die Arbeit herangetastet. Eine zehnprozentige Erwerbsminderung wird bleiben, sagt die alleinerziehende Mutter einer Tochter (7). Finanzielle Reserven seien aufgebraucht, Gespräche mit Versicherung, Finanzamt oder Arbeitsamt kosteten Kraft. "Ich bleibe optimistisch", sagt Sarah Weber. Die Praxis habe Kunden verloren: "Aber drei Kunden sind auch schon wieder zurück."
Die zwei Frauen jedenfalls sehen sich als gutes Team. "Angela ist mein Engel, gut gelaunt, hilfsbereit, herzlich und mit einem offenen Ohr", sagt "die Chefin". "Sarah ist mehr als Freundschaft, mehr eine Schwester, gehört zur Familie", sagt ihre Mitarbeiterin. "Sie ist verlässlich, fröhlich, positiv eingestellt, warmherzig und offen." Beide wissen jetzt noch besser: "Wir können uns aufeinander verlassen."
Zum Thema:
Rückschau Die SZ meldete am 13. Juni 2016: "Auf der Bietschieder Höhe hat sich am Sonntag gegen 0.45 Uhr ein schwerer Verkehrsunfall ereignet. Nach Polizeiangaben wurden dabei ein 18-Jähriger und eine 32-Jährige schwer verletzt. Der 18-Jährige war mit seinem Mini Cooper auf der L 136 von Holz Richtung Heusweiler unterwegs, als er infolge nicht angepasster Geschwindigkeit bei regennasser Fahrbahn nach links auf den Gegenfahrstreifen geriet. Dort stieß das Auto mit dem Hyundai der 32-Jährigen zusammen."