Bedauernswerte Nachbarschaften

Völklingen · Immer mehr Häuser in Dörfern und an Stadträndern stehen leer, Grundstücke verwildern. Für die Nachbarn bedeutet das Kummer: Schöne Straßenbilder bekommen Schrammen, der Wert des Eigentums wird gemindert. Ganz schlimm wird es, wenn Gesundheit und Sicherheit leiden. Zwei Beispiele aus der Region, aus Völklingen und aus Riegelsberg.

 Sieht sich und seinen Garten durch einen unkontrolliert wachsenden Baum auf dem nicht mehr bewohnten Nachbargrundstück bedroht: Manfred Jost im Wohngebiet Sonnenhügel. Foto: Rolf Ruppenthal

Sieht sich und seinen Garten durch einen unkontrolliert wachsenden Baum auf dem nicht mehr bewohnten Nachbargrundstück bedroht: Manfred Jost im Wohngebiet Sonnenhügel. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Auf der Gartenterrasse von Wolfgang Jost in der Völklinger Jupiterstraße kann einem mulmig werden. Ein dicker Ast des Kirschbaumes vom Nachbarn ragt weit und schräg herüber, wie ein Damoklesschwert hängt er über dem Tisch und den Beeten. Ein anderer Ast des mutmaßlich morschen Baumes, ähnlich massiv, war vor wenigen Wochen unvermittelt abgebrochen und auf ein benachbartes Grundstück gestürzt - und das an einem Tag ohne Sturm und Regen. Verletzt wurde bisher niemand, aber es sorgen sich mehrere rückwärtige Anlieger um ihre Sicherheit und um den Wert ihrer Anwesen.

Ihr Problem verdient öffentliche Beachtung, denn in den Dörfern und Stadträndern stehen immer mehr Häuser leer und verwahrlosen. In Völklingen geht es nicht nur um die Optik. Wolfgang Jost und Nachbarin Caroline Frank, auf deren Rasen der Ast krachte, haben keinen Nachbarn mehr, den sie bitten könnten, den Baum fällen zu lassen und so die Sicherheit wieder herzustellen.

Das Haus steht seit mindestens neun Jahren leer, so lange wurde wohl auch im Garten nichts getan, alles verwildert, vor dem Haus wuchern Eingang und Garage zu.

Es war schon eine Detektivarbeit, Namen möglicher Besitzer herauszufinden, und wenn nicht nette Amtspersonen einen Tick mehr verraten hätten, als sie eigentlich durften, wäre wohl gar nichts rausgekommen. Doch die mutmaßlichen Eigentümer leben im Ruhrgebiet, haben auf Briefe aus Völklingen gar nicht erst geantwortet und sind telefonisch nicht erreichbar.

Wie Caroline Frank berichtete, hat sie bei der Stadt Völklingen mit zehn Personen telefoniert, mit kurz angebundenen und netten, mit Baumkennern und Rechtskennern. Doch niemand habe ihr konkrete Hilfe anbieten können. Einer habe ihr geraten, nicht mehr in den Garten zu gehen. Nach Auskunft von Jürgen Manz, rechte Hand von Oberbürgermeister Klaus Lorig, handelt es sich hier um eine rein privatrechtliche Angelegenheit, das heißt die Anwohner müssen sich selbst um die Durchsetzung ihrer Ansprüche kümmern.

Was bleibt den bedauernswerten Nachbarn zu tun? Sie könnten den Baum fällen lassen und versuchen, die Kosten beim Eigentümer einzutreiben. Ob das je gelingt? Sie könnten bei der Bauaufsicht im Rathaus "akute Gefahr" begründen. Doch ehe die Stadt dann den Baum fällte, würde sie aufgrund der Rechtslage die Terrasse von Herrn Jost sperren, so dass der nicht mehr raus könnte. Verrückt, oder?Auch im Köllertal sind Fälle leer stehender und vergammelnder Häuser bekannt - etwa weil den Besitzern bei Umbauarbeiten das Geld ausgegangen ist, oder weil der wohlhabende Besitzer "keine Lust mehr" auf Mieter hat oder gar, weil ein Haus bewusst dem Verfall überlassen wird, weil die ursprünglichen Umbaupläne nicht mit der Gesetzeslage zu vereinbaren waren - oder weil ganz einfach niemand da ist, der die Verantwortung übernimmt. Ein Fall aus Riegelsberg : Tina Wohnsiedler und Lebensgefährte Markus Wandernoth leben in der Überhofer Straße, direkt am Brunnen. Es handelt sich um das Haus von Tina Wohnsiedlers Mutter, das an ein altes Haus angebaut wurde. Dieses ist total verfallen, das Dachgebälk eingestürzt. Das baufällige Anwesen, das vor lauter Unkraut kaum noch zu sehen ist und in dem Füchse leben, steht offen, so dass es für spielende Kinder zur Gefahr werden könnte.

Wie die verzweifelten Nachbarn schildern und mit Fotos belegen, dringt inzwischen die Nässe aus dem alten in ihr neueres Haus und beschädigt dieses massiv. Im Rathaus hieß es auf Bitten um Hilfe: Privatsache, da können wir nichts machen - was aus Sicht der Verwaltung zu verstehen ist: Wenn ein Gemeinwesen in jedem zivilrechtlichen Streitfall (auch bei höchst berechtigten Interessen) quasi als Ersatz-Dienstleistungsbehörde und Finanzier einspringen würde, wäre sie völlig überfordert.

Immerhin kennt man in diesem Fall die Hauseigentümer, eine Erbengemeinschaft ohne Nachlassvermögen. Dank der Interessenvertretung Haus & Grund Riegelsberg konnten wenigstens Sachverhalte geklärt und juristisch einwandfreie Korrespondenz geführt werden. Denn: Wie die Anwälte der Erben mitteilten, könnten mangels Masse "keine Maßnahmen ergriffen werden". Das Nachlassgericht habe sich zudem bislang nicht bereitfinden können, der Veräußerung des Grundstücks an interessierte Käufer zuzustimmen. Es kann also noch sehr lange dauern, bis es einen Käufer gibt und bis der dann geneigt ist, das Haus abzudichten oder abzureißen. Keine guten Aussichten also für die junge Familie nebenan.

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