Abtauchen in die Schlager-Nostalgie

Riegelsberg · Es könnte durchaus eine Weltpremiere gewesen sein, die es diesmal beim Riegelsberger Schlagerbummel gab: Eine Übersetzung von Katja Ebstein 1970er Eurovisions-Hit „Wunder gibt es immer wieder“ ins Arabische. Angefertigt von dem syrischen Englischlehrer Abdul Kareem Ahamer, der für syrische Zuhörer übersetzte.

 Brav: Die Schweizerin Lys Assia (hier 1961 in Baden-Baden) war 1956 die erste Siegerin des „Eurovision Song-Contest“, damals „Grand Prix d'Eurovision de la Chanson“ . Foto: Harry Flesch/dpa

Brav: Die Schweizerin Lys Assia (hier 1961 in Baden-Baden) war 1956 die erste Siegerin des „Eurovision Song-Contest“, damals „Grand Prix d'Eurovision de la Chanson“ . Foto: Harry Flesch/dpa

Foto: Harry Flesch/dpa

Alleine über das Lied "Wunder gibt es immer wieder" gibt es viel zu erfahren. Das zeigte sich am Montagabend, als Armin Schwambach und Johannes Müller zum Schlagerbummel ins katholische Pfarrheim St. Josef geladen hatten. Und das schon zum 22. Mal im Rahmen der katholischen Erwachsenenbildung (KEB). Also: Christian Bruhn und Günter Loose haben den Titel 1970 geschrieben, Katja Ebstein hat ihn beim Eurovision Song-Contest (ESC), damals noch der "Grand Prix d'Eurovision de la Chanson", 1970 gesungen und den dritten Platz belegt. Später nahm sie den Titel in mehreren Sprachen auf, unter anderem Französisch, Spanisch und Japanisch. Zudem wurde das Lied von der Girlband Monrose und dem schrillen Gildo Horn interpretierte. - Und jetzt ist die Grand-Prix-Hymne der erste Schlager, der im Rahmen eines Riegelsberger Schlagerbummels ins Arabische übersetzt wurde.

Abdul Kareem Ahamer hat das getan: "Ich bin eigentlich Englischlehrer von Beruf." Der Flüchtling aus Syrien lebt seit September in Riegelsberg und befasst sich gerne mit Schlagern. Beim Ebstein-Titel hat ihm die Semantik , also die Bedeutung gefallen.

"Zu Beginn muss die Eurovisionshymne sein", so eröffnet Schwambach den Abend. Die gehört einfach zum 1956 von der europäischen Rundfunkunion ausgerufenen Wettbewerb, der am Montagabend Schlagerbummel-Thema ist.

Bei der Premiere des Wettbewerbs in der Schweiz sei ein gewisser Walter Andreas Schwarz mit "Im Wartesaal zum großen Glück" als erster deutscher Interpret am Start gewesen. Jedes der damals nur sieben teilnehmenden Ländern konnte aber zwei Interpreten entsenden.

Doch ehe das Rätsel um den zweiten deutschen Teilnehmer gelöst wird, kramt Schwambach in der grünen Box, die einst extra für die Vinyl-Singles gefertigt worden war. Denn er ist schon bei der ersten Siegerin, der schweizer Sängerin Lys Assia mir ihren "Zwei blauen Vergissmeinnicht". Der kultige Technics-1210-Plattenspieler spielt die Scheibe mit 45 Plattenteller-Umdrehungen pro Minute ab, Dozenten und Publikum hören andächtig zu.

Dann gibt es allerhand Infos: Dass "Oh mein Papa" ein erfolgreicher Titel Lys Assias war, dass auch Rex Gildo von blauen Vergissmeinnicht gesungen habe. Das Regelwerk des Wettbewerbs war in den frühen Jahren karg: "Damals wurden nur die Sieger genannt, weitere Platzierungen sind somit unbekannt", die Jurys der Teilnehmerländer bewerteten im Verborgenen.

Dann der zweite deutsche Beitrag von 1956, ein schmissiger Rock'n'Roll namens "So geht das jede Nacht" - gesungen von Freddy Quinn .

Als Paola 1969 für die Schweiz "Bonjour, Bonjour" sang, erfuhr das Publikum auch die Platzierungen - sie landete auf Platz fünf. Der Titel ist nach fast fünf Jahrzehnten noch in vielen Köpfen, und so singen im Pfarrzentrum einige mit: "Es ist schön, dich mal wieder zu sehen."

Während die meisten Titel des Schlagerbummels aus den 1950er und 60er Jahren sind, muss es doch eine Ausnahme geben: "An Nicole kommen wir natürlich nicht vorbei." Die Saarländerin hatte 1982 im britischen Harrogate mit Ralf Siegels Melodie und Bernd Eichingers Text "Ein bisschen Frieden" erstmals für Deutschland und als zweiter deutschsprachiger Titel nach Udo Jürgens ' "Merci Cheri" den ESC gewonnen.

 Syrische Gäste beim Schlagerbummel der KEB Riegelsberg. Abdul Kareem Ahamer (rechts) übersetzte; 2. und 3. von links: die Schlagerexperten Armin Schwambach und Johannes Müller. Foto: KEB

Syrische Gäste beim Schlagerbummel der KEB Riegelsberg. Abdul Kareem Ahamer (rechts) übersetzte; 2. und 3. von links: die Schlagerexperten Armin Schwambach und Johannes Müller. Foto: KEB

Foto: KEB

Zum Thema:

Zur PersonWalter Andreas Schwarz (1913-1992) aus Aschersleben im Harz studierte in Wien Musik, wurde aber 1938 wegen seiner jüdischen Abstammung mit seiner Familie in ein Konzentrationslager in Niedersachsen gebracht. Nach dem Krieg war er Sänger, Schriftsteller, Kabarettist, Hörspielautor und -sprecher sowie Übersetzer für die BBC. Sein selbst geschriebener Eurovisions-Titel "Im Wartesaal zum großen Glück" blieb sein einziger größerer musikalischer Erfolg. In Lugano war er 1956 der vierte Künstler auf der Bühne und somit der allererste Deutsche in der Geschichte des Wettbewerbs. red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort