Stornierte Pauschalreisen: „Die Leute bezahlen viel zu viel“ Urlaub abgesagt: Die „Reiseritter“ holen hohe Stornogebühren zurück

Dudweiler · Wer eine Reise absagt, ist häufig mit hohen Stornokosten konfrontiert. Das Start-up „Reiseritter.de“ mit Sitz in Dudweiler minimiert diese Kosten für seine Kunden.

 Philipp Gebbert (Mitte) und Daniel Benoit (rechts) haben die „Reiseritter.de“ gegründet. Hier sind sie in ihrem Büro im Dudweiler Dudopark, wo mittlerweile weitere sechs Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Firma arbeiten.

Philipp Gebbert (Mitte) und Daniel Benoit (rechts) haben die „Reiseritter.de“ gegründet. Hier sind sie in ihrem Büro im Dudweiler Dudopark, wo mittlerweile weitere sechs Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Firma arbeiten.

Foto: Esther Brenner

Ob Unfall oder Krankheit, ein dringender privater oder geschäftlicher Termin – immer wieder kommt es vor, dass Urlauber ihre gebuchte Reise absagen müssen. Bei manchen greift dann eine Reiserücktrittversicherung. Wer aber keine hat oder die strengen Bedingungen nicht erfüllt, auf den kommen oft hohe Stornokosten zu.

„Die Leute bezahlen in der Regel viel zu viel“, sagt Daniel Gebbert (42). „Und sie wissen gar nicht, dass die Gebühren in den allermeisten Fällen nicht rechtens sind“, ergänzt sein Partner Daniel Benoit (33). „Der Pauschalreisemarkt hat in Deutschland ein Volumen zwischen vier und fünf Milliarden Euro. Allein mit den Stornogebühren verdienen Reiseveranstalter um die vier Milliarden Euro jährlich“, schätzt Gebbert. „Da herrschen zum Teil mafiöse Strukturen“, urteilt der Diplomkaufmann, der dies Anfang 2020 – kurz vor Ausbruch der Pandemie –  zum Anlass nahm, eine Geschäftsidee zu entwickeln, um für verhinderte Urlauber zu viel gezahlte Stornogebühren, manchmal den gesamten einbehaltenen Pauschalreisepreis, zurückzuholen.

Mit dem Anwalt Daniel Benoit gründete Gebbert das Start-up „reiseritter.de“. Die Plattform, die wie ein Inkasso-Büro funktioniert und von Provisionen lebt, ist in Räumen des Dudoparks in Dudweiler zu hause. Und expandiert. Mittlerweile arbeiten dort acht „Reiseritter“. Mehrere hundert Kunden hat das junge Unternehmen schon betreut. Die allermeisten hätten Geld zurückbekommen, versichern die Unternehmer.

„Viele Kunden wehren sich nicht“

„Eine einwöchige Pauschalreise nach Ägypten zum Beispiel kostet für eine vierköpfige Familie mindestens um die 4000 Euro“, gibt Philipp Geppert ein Beispiel. Muss die Reise abgesagt werden, entstehen je nach Veranstalter hohe Kosten, abhängig davon, wann storniert wird. „Viele bezahlen diese Stornogebühren ohne sich zu wehren, weil die Veranstalter damit argumentieren, dass man ja die AGBs (Allgemeine Geschäftsbedingungen, Anm. d. Red.) gelesen und unterschrieben habe und ansonsten sowieso nicht reisen kann“, erklärt Daniel Benoit. Gerichte hätten aber festgestellt, dass die Bedingungen in den AGBs zum Teil unwirksam sind, erläutert der Jurist, der auch in einer Anwaltskanzlei in Güdingen tätig ist.  Und hier kommen die Reiseritter ins Spiel.

Bequeme Online-Beauftragung

Auf deren Homepage können verhinderte Urlauber sehr unkompliziert ein Formular ausfüllen und die Bedingungen ihrer stornierten Pauschalreise prüfen lassen. Das ist zunächst einmal kostenlos. „Wir verdienen nur Geld, wenn wir für unsere Kunden erfolgreich waren“, erklärt Gebbert das Konzept. Der Vorteil: Der Kunde hat nichts mehr mit der Stornierung zu tun, geht kein Risiko ein – und delegiert auch noch den ganzen Ärger an die Reiseritter.

Die fordern vom Veranstalter zunächst einen „Stornokostennachweis“. Denn oftmals entstünden diesen gar keine Kosten, wenn die Reise abgesagt wird, wissen die Experten. „Und trotzdem fordern sie horrende Beträge von ihren Kunden ein“, empört sich Gebbert. „Wird der Kunde selbst tätig, soll er nachweisen, dass dem Veranstalter gar keine Kosten entstanden sind. Er wird von A nach B geschickt, erhält oft nicht mal die nötigen Adressen, Telefonnummer und Kontaktdaten“, weiß Jurist Benoit aus seiner intensiven Beschäftigung mit dem Reiserecht und durch die vielen Fälle, bei denen er Erfahrungen sammeln konnte. Das halten die meisten nicht durch – und nehmen die Stornokosten hin. Die Reiseritter hingegen lassen nicht locker. „Wenn Veranstalter sich ganz stur stellen und auf unsere Korrespondenz nicht antworten, ziehen wir als letztes Mittel auch vor Gericht für unsere Klienten“, sagt Benoit. Das habe bisher immer dazu geführt, dass man sich auf einen Vergleich geeinigt habe.

„Kaum ein Stornokostennachweis, den wir von den Veranstaltern geschickt bekommen, ist korrekt“, fügt  Gebbert hinzu. Man habe schon oft nachweisen können, dass Veranstalter sogar mehr am Storno verdienen als an der Pauschalreise selbst. „Und auch die Reisebüros, die Stornierungen abwickeln müssen, haben oft einen Anteil an den Stornogebühren, denn ihnen geht ja ein Teil der Provision verloren“, kritisiert Gebbert. Dass man juristisch im Graubereich agiere, sei der Reiseveranstaltungsbranche bewusst – sie setze auf die Unwissenheit der Kundschaft.

„Manchmal reicht es jetzt schon, dass unser Büro eine Anfrage auf Rückerstattung stellt“, berichtet Benoit. „Je öfter sie von uns hören, desto besser regulieren sie.“

Corona  kein „außergewöhnlicher Umstand“ mehr

Seit Corona juristisch nicht mehr als „außergewöhnlicher Umstand“ für eine Stornierung gilt, sei die Lage für die Kunden noch unübersichtlicher geworden. Immer wieder komme es vor, dass Kunden, die eine Reiserücktrittversicherung haben, vom Veranstalter aufgefordert werden, die Stornogebühren dort geltend zu machen. „Die Versicherer wiederum sagen: Hol‘s dir vom Veranstalter“, haben die Reiseritter die Erfahrung gemacht. Am Ende wolle niemand zahlen. „Und das ist dann ein Fall für uns“, lacht Gebbert.

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