Theater im Viertel Reanimation einer Ehe – mit nicht ganz lauteren Mitteln

Saarbrücken · Von Anja Kernig

Klar schafft Valentin das. So eine kleine Faust, noch dazu die einer – seiner - Frau aufzubekommen, ist nach dem ganzen Psychogelaber der Therapeutin „Frau …, Frau….“ „Kessler“ genau nach seinem Geschmack: Eine simple Aufgabe, in Eigenregie zu lösen. Ein bisschen zerren halt, drücken, quetschen, bohren. Brachialgewalt geht immer. Geht eben nicht. Die Faust bleibt zu, auch wenn Joana dafür ganz schön gegen halten und die Zähne zusammenbeißen muss.

Was für eine herrlich absurde, exemplarische Szene dieses köstlichen Abends, den Miriam Gwosdz und Klaus-Dieter Hofmann zusammen mit Gabriele Bernstein dem Premierenpublikum im Theater im Viertel (tiv) schenkten. Das Darsteller-Trio fühlt sich in der Komödie „Die Wunderübung“ von Daniel Glattauer spürbar zuhause – wie wohl auch viele der nicht mehr ganz jungen Zuschauer: Was da so giftet und zetert, ist gewiss nicht nur Beziehungsalltag der gutbürgerlichen Doreks.

Ach, was muss es bei denen mal geknistert haben. Damals, vor gefühlten 1000 Jahren, als man sich beim Tauchlehrgang verliebte.

Die wortlose Harmonie da unten im Korallenriff ist einem andauernden Gefechtszustand gewichen, man arbeitet sich in endlosen Vorwürfen ab und teilt stakkato verbale Hiebe aus, dass es nur so kracht. Heute sind der Technische Leiter und die Historikerin Eltern zweier anstrengender Kinder und so gründlich desillusioniert wie entliebt.

Um ihre erodierte Ehe noch irgendwie zu retten, sitzen sie in einer Probestunde bei Paartherapeutin Sonja (Sunny) Kessler. Aber egal, was die zarte, um Autorität ringende Person auch versucht, von Meditation bis Rollenspiel, hier ist offenbar nichts mehr zu kitten. „Wir waren eine klassische Unterwasserbesetzung, wir hätten nicht auftauchen sollen“, sinniert Joana. „Jedenfalls nicht zusammen“, nickt Valentin.

Pause. Während die Schauspieler relaxen, outet sich eine ältere Dame strahlend: Ihre Tochter ist die Joana im Stück. Nein, so ein feuriges Temperament habe Miriam privat eigentlich nicht. Und mit der Schauspielerei, das habe sich als Kind gar nicht so geäußert.

Erst vor etwa sieben Jahren hat die gelernte Bürokauffrau, Mutter zweier kleiner Kinder, angefangen, Unterricht zu nehmen. Inzwischen besucht Miriam Gwosdz wöchentlich die Schauspielschule Acting and Arts – offenbar mit Erfolg. Souverän, mit sprachlicher Vehemenz und einer Mimik, die zwischen Verachtung, Sarkasmus und Verbitterung pendelt, um später Stück für Stück aufzubrechen und einer kompromissbereiten Sanftheit Platz zu machen, stand die Elevin ihren erfahrenen Kollegen Hofmann und Bernstein in keiner Weise nach.

Der zweite Teil bringt eine plötzliche Wende: Frau Kessler, bisher grundpositiv und unermüdlich, schlägt dem entsetzten Ehepaar Dorek fahrig vor, sich doch einfach zu trennen. Der Grund für diesen abrupten Sinneswandel: Ihre Ehefrau hat sie gerade „per iPhone“ verlassen. Sunnys ewiges Verständnis ließ Partnerin Annika erfrieren.

Ohne Reibung keine Wärme! Und Hoppla, da taucht es plötzlich wieder auf, das vor langem verschütt gegangene „Wir“ der Doreks. Gemeinsam als Team bewegen sie die Kessler, um Annika zu kämpfen. Ihre neugewonnene Friede-Freude-Eierkuchen-Harmonie gipfelt darin, die Faust-Übung wiederholen zu wollen.

Valentin kitzelt seine Frau an jenem winzigen Punkt am rechten Ohrläppchen – und siehe da, Joana kichert und öffnet ihre Faust. Geschenkt, dass Kesslers Trennung lediglich ein Fake war. „Paradoxe Intervention“, nennt sie es ungerührt.

„Das hat sich gelohnt“, meinte ein Pärchen aus dem Publikum beim Hinausgehen. Allgemeines Nicken. Dieser Krieg der Geschlechter ist absolut sehenswert.

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