Interview mit Bürgermeister Lutz Maurer Quierschieds Last mit der finanziellen Last

Quierschied · Der Neubau eines Kindergartens zählt zu den zentralen Projekten in diesem Jahr in Quierschied. Doch die Kommune ächzt auch unter der aktuellen Finanzlast. Bürgermeister Lutz Maurer im SZ-Gespräch zu den wichtigsten Vorhaben im Jahr 2022.

 Der Quierschieder Bürgermeister Lutz Maurer im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung.

Der Quierschieder Bürgermeister Lutz Maurer im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung.

Foto: Iris Maria Maurer

Dieses Jahr muss sich die Gemeinde  Quierschied auf ein Haushaltsdefizit von 2,1 Millionen Euro einstellen. Gleichzeitig steht die Kommune vor großen Herausforderungen und Investitionen. Wie Bürgermeister Lutz Maurer (parteilos, 56) die Finanzlage einschätzt, was seine wichtigsten Vorhaben für 2022 sind und wo es in der Zusammenarbeit mit dem Land hakt, beantwortet er im SZ-Gespräch.      

Die tödlichen Schüsse auf die beiden Polizisten hat viele Saarländer tief bewegt. Die mutmaßlichen Täter wurden in Sulzbach gefasst, einer von ihnen hatte in Fischbach früher eine Bäckerei. Was ging Ihnen durch den Kopf, als sie von der schrecklichen Tat hörten?

MAURER Einfach unfassbar, gerade, weil es zwei junge Menschen getroffen hat, die nur ihren Dienst gemacht haben. Das macht einen traurig, auch wütend. Es ist eigentlich mit normalem Menschenverstand nicht zu begreifen.

Schauen wir mal noch kurz zurück auf das vergangene Jahr. Was war für Sie da wichtig?

MAURER Das Jahr 2021 war natürlich wie das Vorjahr durch die Corona-Pandemie geprägt, mit vielen Aufgabenstellungen, die uns stark gefordert haben. Gerade für den Bereich der gemeindeeigenen Kitas, ist es mir sehr wichtig zu sagen: Das Personal der Gemeinde hat einen Riesenjob gemacht. Trotz immenser Herausforderungen haben wir es gemeinsam geschafft, den Betrieb bestmöglich aufrechtzuerhalten. Und was auch sehr gut lief, war die Zusammenarbeit der einzelnen Kommunen mit dem Krisenstab im Regionalverband unter Führung des Saarbrücker Oberbürgermeisters Uwe Conradt und Regionalverbandsdirektor Peter Gillo. Wir waren oft regelrecht überfahren von den ständigen neuen Änderungen und Regelungen. Vielfach kamen die Änderungen am Freitagabend oder am Samstag. Das hieß, die Ortspolizeibehörde und der Bürgermeister hatten noch 24 Stunden Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie sieht die konkrete Auslegung aus? Erreicht hat man in den Ministerien dann aber für Rückfragen meist niemanden. Doch am Montagmorgen gab‘s dann sofort die berechtigten Nachfragen bei uns von Vereinen oder von Eltern: Was gilt denn jetzt? Da hat uns der Krisenstab im Regionalverband sehr geholfen.

Heißt aber umgekehrt, dass Sie sich von der Landesebene, sprich Ministerien, öfter mal verlassen fühlten...

MAURER Die Landesregierung stand sicher auch vor großen Hürden – nur war teilweise das, was von dort kommuniziert wurde, oft eben nicht selbstredend. Die Bürgerinnen und Bürger haben ihre berechtigten Fragen dann aber direkt an uns adressiert.

Was lief konkret nicht gut?

MAUER Das Gesundheitsministerium hat beispielsweise irgendwann die Kommunen dazu aufgerufen, doch bitte Impfaktionen durchzuführen, damit die Impfkampagne Schub bekommt. Das lief bei uns mit der Unterstützung von Gesundheitsministerin Monika Bachmann auch unproblematisch. Innerhalb von zwei, drei Tagen hatten wir zusammen mit Dr. Wahl aus Saarbrücken und Dr. Kiefer aus Göttelborn ein Konzept erstellt und das Ganze in der Q.lisse und in der Fischbachhalle umgesetzt. Andere Kommunen hatte dieser Aufruf vor größere Probleme gesetellt. Es gab da vom Ministerium keine Handreichung, nichts. An solchen Stellen hakt es manchmal.

Bald ist Landtagswahl, welche Erwartungen haben Sie als parteiloser Bürgermeister an eine neue Landesregierung?

MAURER Über allem schwebt im Saarland die finanzielle Belastung der Kommunen, die durch die enorm gestiegene Umlage im Regionalverband sehr hoch ist. Gehörten wir etwa zum Kreis Neunkirchen, wäre die Gemeinde Quierschied finanziell deutlich weniger belastet. Im Regionalverband müssen wir aber erhebliche Soziallasten mittragen. Die Erwartung an die neue Landesregierung ist deshalb, eine zielgerichtete Ausgestaltung der finanziellen Möglichkeiten der Kommunen. Nur ein Beispiel: Auf der einen Seite hat die jetzige Landesregierung den Saarland-Pakt auf den Weg gebracht, was sehr sinnvoll war. Auf der anderen Seite wird nur wenig später eine Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs ins Spiel gebracht, der es unmöglich gemacht hätte, der Verpflichtung aus dem Saarland-Pakt, Schulden der Kommune abzutragen, nachzukommen. Zudem sollte das Land Förderprogramme so aufstellen und ausstatten, dass sie auch wirklich genutzt werden können. Beispielsweise soll unserer Grundschule Lasbach zu einer gebundenen Ganztagsgrundschule ausgebaut werden, entsprechende Betreuungsangebote sind ja auch gesetzlich vorgeschrieben. Dazu gibt es aber aktuell lediglich Zuschüsse von 150 000 Euro bei einem Kostenrahmen von 1,8 Millionen Euro. Wie soll eine defizitäre Kommune das leisten? Vor dem Hintergrund ist reine Entschuldung der Kommunen zwar wünschenswert, aber sie ist nicht ausreichend. Man muss darüber hinaus auch langfristig deren Handlungsfähigkeit sichern. Wenn ich weit über 8 Millionen Euro Regionalverbandsumslage habe, wenn ich weiterhin so hohe Personalkosten habe, und beispielsweise durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze im erzieherischen Bereich immer höhere Personalkosten aufbringen muss, dann ist eine Kommune nicht mehr handlungsfähig. Dann reparieren wir weiterhin die Straßen nur da, wo es am allernötigsten ist.    

Vor der Landtagswahl kommen in bestimmten Kommunen immer mal wieder Minister vorbei, die noch stattliche Summen verteilen. Sind Sie im Nachteil, weil Sie kein Parteibuch haben?

MAURER Bei mir war noch niemand, der noch Geld loswerden wollte. Ich sehe das aber eher als Ansporn, dass ich weiterhin vernünftige Arbeit mache und nachvollziehbare Förderanträge stelle. In den vergangenen Jahren ist es uns auch stets gelungen, die zur Verfügung gestellten Fördermittel bestmöglich auszuschöpfen.

Die Gemeinde Quierschied plant für dieses Jahr mit einem Defizit von rund 2,1 Millionen Euro, auch die Grundsteuer wurde angehoben, was sind die Gründe?

MAURER Das tut fraglos weh, auch weil wir in den vergangenen Jahren einen so positiven Trend hatten; für 2020 werden wir wohl mit einem Überschuss von circa 200 000 Euro abschließen. Das ist in den vergangenen Jahrzehnten nie gelungen in Quierschied. Umso bedauerlicher ist nun das zu erwartende Defizit. Aber das steht auch sinnbildlich für unsere Situation. Wir haben alles in unserer Macht Stehende getan, die Einnahmesituation beispielsweise durch die Anpassung der Grundsteuer verbessert und auch die Ausgabenseite effizienter gestaltet, aber wenn ich zusätzlich zu den genannten externen Faktoren wie Regionalverbandsumlage etwa für den ÖPNV in Fischbach, Quierschied  und Göttelborn eine Kostensteigerung seit 2020 von rund 800 000 Euro Zuschuss hinnehmen und zahlen muss, fehlt mir das Geld natürlich anderswo.    

Von Herbst diesen Jahres an müssen sich die Quierschieder auf erhebliche Verkehrsbehinderungen einstellen, weil die alte Bahnbrücke grundlegend saniert werden muss. Wie lange wird das dauern?

MAURER  Da kommt eine Vollsperrung der Straße Richtung Maybach auf uns zu, die rund neun Monate dauern wird. Bis Ende nächsten Jahres sollte aber alles beendet sein.

In Fischbach soll die Nahversorgung deutlich besser werden mit einem neuen Supermarkt in der Ortsmitte. Wo wird er stehen?

 Blick auf die Fischbacher Ortsmitte. Auf dem Gelände vor dem Eingang der Fischbachhalle (zum Teil auf den jetzigen Parkplätzen) soll ein neuer Verbrauchermarkt entstehen. 

Blick auf die Fischbacher Ortsmitte. Auf dem Gelände vor dem Eingang der Fischbachhalle (zum Teil auf den jetzigen Parkplätzen) soll ein neuer Verbrauchermarkt entstehen. 

Foto: Kernplan

MAURER Es gab ja schon lange den Wunsch, dass die Nahversorgung in Fischbach wieder aufgewertet wird. Das noch Vorhandene ist sehr überschaubar. Deshalb hatten wir schon vor zwei, zweieinhalb Jahren Planungen in die Wege geleitet. Es hat sich schnell herauskristallisiert, dass es in Fischbach nur eine geeignete Fläche gibt, das ist in der Ortsmitte am Marktplatz. Es geht um rund 800 Quadratmeter Fläche. Der neue Supermarkt soll einen Teil der jetzigen Parkplätze vor der Fischbachhalle einnehmen, aber auch an die Grünfläche heranrücken. Eine Herausforderung war, dass noch ausreichend Parkplätze für den neuen Verbrauchermarkt bleiben sollen, für die Halle, aber auch Fläche bleibt für Veranstaltungen. Deshalb haben wir den Investor verpflichtet, hinter der Fischbachhalle weitere Parkplätze anzulegen. Des Weiteren soll im Rahmen des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) die angrenzende Waldparkanlage, auch für Veranstaltungen, attraktiver gestaltet werden.

Wer ist der Investor und wer betreibt ihn?

MAURER  Das ist die Firma Schoofs aus Neu-Isenburg und nach jetzigem Stand wird Netto den Markt betreiben.

Am Hammerkopfturm soll künftig das abfließende Grubenwasser vom Schadstoff PCB befreit werden, mit anderen Worten eine Kläranlage direkt im Ort...

MAURER Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits weiß jeder, dass über Jahrzehnte Schadstoffe in den Fischbach eingeleitet wurden. Deshalb ist die Reinigung des abfließenden Grubenwassers sehr begrüßenswert. 2018 berichtete uns ein unabhängiger Toxikologe der Uni Tübingen 2018 im Rahmen einer Gemeinderatssitzung noch, dass das Wasser nach der Einleitung des Grubenwassers zwar milchig sei, auch mal komisch rieche, aber dass die PCB-Belastung deutlich unterhalb der Grenzwerte liege und man am Tag drei Liter davon trinken könne. Das Umweltministerium pocht aber auf die Einhaltung der Wasserrichtlinie, wonach es überhaupt keine PCB-Belastung durch eingeleitetes Wasser geben darf, auch keine unbedenkliche. Wir haben uns daraufhin erkundigt, ob nicht auch andere Standorte für die Anlage in Frage kommen könnten und ob es nicht alternative, weniger raumgreifende technische Möglichkeiten zur Klärung gibt, aber die gibt es laut RAG nicht. Letztlich geschieht das auch auf dem Gebiet der RAG, wird sind dort nicht genehmigungspflichtig.

Zu den wichtigen Vorhaben der Kommune zählt der Neubau eines Kindergartens. Wie weit sind die Planungen?

MAURER  In Quierschied selbst hätte es keine andere Option gegeben, als neben dem bestehenden Kindergarten, der Villa Regenbogen. Wir haben uns dagegen ausgesprochen, weil die Verkehrsbelastung dort ohnehin schon hoch ist. Mit Schule, Sporthalle, Altenpflegeheim und dann zwei Kindergärten wäre das einfach zu viel. Der Bauausschuss der Gemeinde hat sich jetzt für den Standort am früheren alten Krankenhaus entschieden.

Also genau zwischen Fischbach und Quierschied?

MAURER Genau, quasi im früheren Parkgelände der Klinik. Die Fläche ist ausreichend und von Fischbach wie Quierschied aus gut erreichbar. Es wird eine sechsgruppige Einrichtung werden, mit vier Kindergarten- und zwei Krippengruppen.

Wie viele Plätze hat der Kindergarten und wann soll er öffnen?

MAURER Es sind rund 120 Plätze, Ende des nächsten Jahres soll es dann so weit sein.

Die Eltern stehen allerdings jetzt schon Schlange, um Kindergartenplätze in Quierschied zu bekommen...

MAURER Wir werden deshalb zusätzlich eine Kindertagesstelle mit zehn Krippenplätzen auch am Klinikgelände einrichten. Es handelt sich um Räume über einer alten Sporthalle, die gerade für 300 000 Euro saniert werden, die Kosten trägt im Wesentlichen der Regionalverband; an dieser Stelle profitieren wir dann vom Regionalverband. Diese Kindertagesstelle wird  wohl ab Juni, Juli zur Verfügung stehen.

Bleibt diese Kindertagesstelle bestehen, wenn der neue Kindergarten öffnet?

MAURER Ja, wir erhoffen uns dann auch, dass wir dort andere Formen der Betreuung anbieten können – etwa für Kinder, die eine intensivere Betreuung brauchen.  

Das Gespräch führten Michael Kipp und Oliver Schwambach    

   

     

     

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