Konzert in der Quierschieder Q.lisse Orkan Robert fegt über die Tasten

Quierschied · Kein bisschen altersleise: Pianist Robert Leonardy begeistert sein Publikum in der Quierschieder Q.lisse mit einem Programm, gegen das Sturmtief Ylenia ein laues Lüftchen war.

 Immer noch die große Pranke: Robert Leonardy in der Q.lisse in Quierschied.

Immer noch die große Pranke: Robert Leonardy in der Q.lisse in Quierschied.

Foto: Iris Maria Maurer

In der Kategorie Ü 80 der Klassik-Solisten sind die Pianisten die glücklichen Methusalems. Während Sängern und Bläsern längst die Puste fehlt, bei Geigern bloß noch die Halswirbel quietschen, sonst aber nichts mehr tönt, rücken sich noch erstaunlich viele reifere Damen und Herren die Klavierbank zurecht. Nein, in diesen fortgeschrittenen Jahren misst man sich nicht mehr mit Dutzenden von Philharmonikern bei Schostakowitsch & Co., aber so ein Recital mit dem persönlichen Best-of, das kommt einigen noch prima aus den Tasten.

Auch Robert Leonardy macht, die 82 bald im Blick, seit geraumer Zeit schon den Horowitz. Und krönt, der Pflichten um die Musikfestspiele Saar und denen als Professor an der Saarbrücker Musikhochschule ledig, seine Solistenkarriere mit einer bemerkenswerten Spätblüte.

Klar sind es nun selten großstädtische Musentempel, in denen er aufspielt, sondern eher Kultur- oder (vulgo) Mehrzweckhallen. Irgendwie aber auch konsequent: Als Festivalchef war Leonardy schließlich stets aus voller Überzeugung unterwegs, um Spitzenkultur ins gesamte Land zu tragen. Da tut es jetzt auch mal „nur“ die japanische Businessclass unter den Flügeln statt eines Steinways. Und wenn das Publikum – wie am Sonntagmorgen in der Quierschieder  Q.lisse – ob des Tastenwirbelns seine Begeisterung vorschnell rausklatscht, lenkt der Meister gütig lächelnd den Applaus mit einer knappen Geste in Bahnen. Geht doch.

Übrigens, auch das ist stimmig. Mehr noch als je zuvor nämlich hat Robert Leonardy auch den Part des Klassikerklärers übernommen, der sein Programm charmant zu erläutern weiß. Unprätentiös, barrierefrei im Zugang sozusagen, und doch anspruchsvoll, bei dem, was er sich selbst zumutet. Mit Balakirews dissonant gewürzter „Islamej“ etwa. „Unspielbare Fantasie“ nannten sie einst ehrfurchtsvoll vor allem jene, die die enormen technischen Hürden des Werks nicht zu meistern wussten. Leonardy fegt wie Orkan Ylenia hindurch, bringt diesen Orientexpress schon zu Beginn so mächtig unter Dampf, dass er schon sehr bewusst den langsamen Mittelteil dagegen absetzen muss, bevor er nochmals – furioso – brillieren kann. Man kann da nur mit offenem Mund davorsitzen, wie unbekümmert er durch dieses Notengewitter marschiert, grandios. Die Besucher in der gut besuchten Q.lisse jedenfalls sind hin und weg.

Ja, Leonardy weiß, wie man ein Publikum erobert.  Deshalb auch zu einem weiteren Punkt: ja, dieses Sonntagmorgen-Programm ist schon ein bisschen eine Wundertüte, voller Hits bis hin zur letzten Zugabe, bei der Leonardy in seiner Bearbeitung den Strauß zum Strauss umkrempelt, den Walzer herrlich vollgriffig fett und dekadent werden lässt. Und auch im letzten Satz von Chopins h-Moll-Sonate fährt er nochmal seine Pranken aus, brilliert mit stupender Technik, überwältigt.

So wie er allerdings zuvor Debussys Arabesque (Nr. 1) als eher (unter-)kühltes Intermezzo ansetzt, merkt man auch: Das Duftige, die Klänge schweben zu lassen, gilt ihm nicht unbedingt als Herzenssache. Aber mit Schumanns „Carnaval de Vienne“ überrascht er dann doch schon ganz zu Anfang, wie nobel er die Romanze, das Melodische im Intermezzo sanglich schön blühen lässt, da überwältigt Robert Leonardy nicht, da berühren Zartheit, Innigkeit, da wird jeder Ton kostbar, klingt nach und bleibt.  Hoffentlich hält dieser Spätfrühling des Altmeisters noch lange, lange an.     

             

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