Quierschied Schreckgespenst setzt den Quierschiedern zu

Quierschied · Die Reform der Grundsteuer verlangt den Grundstückseigentümern viel ab. Der Vortrag eines Fachmanns in Quierschied zeigte, wie groß der Informationsbedarf ist – und bei dem einen oder andern die Hilfslosigkeit.

 Die Grundsteuerreform stellt Hauseigentürmer vor riesige Herausforderungen. Da ist Expertenrat wichtig, wie es ihn jetzt in Quierschied gab.

Die Grundsteuerreform stellt Hauseigentürmer vor riesige Herausforderungen. Da ist Expertenrat wichtig, wie es ihn jetzt in Quierschied gab.

Foto: dpa/Martin Schutt

Das gab es in der Qlisse seit Beginn der Pandemie nicht mehr: eine ausgebuchte Veranstaltung und eine vollzählig ausgelastete maximale Bestuhlung für 220 Besucher. Und viele weitere Interessierte mussten vertröstet werden.

Anlass für den Andrang war die Einladung des Verbands Wohneigentum Saarland zu einem Vortrag über die neue Grundsteuer und die Folgen für Eigentümer: „Grundsteuer-Erklärung – was tun?“

Der Vorsitzende des saarländischen Verbandes, Harald Kraußhaar, fasste zusammen, was da auf jene zukommt, denen ein Grundstück gehört: „Die neue Grundsteuererklärung ist ein Schreckgespenst, das offensichtlich vielen Immobilienbesitzern zusetzt. Daher haben wir einen Fachanwalt für Steuerrecht, Daniel Jung, eingeladen, der hoffentlich etwas Licht ins Dunkel bringt.“

Am 1. Juli startete die Erfassung der Daten im Rahmen der Grundsteuerreform. Alle Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden sind aufgefordert, bis Ende Oktober eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwertes abzugeben. Erfahrungen des Verbands Wohneigentum (VWE) zeigen jedoch, dass viele Betroffene bei der Datensuche, der Interpretation der Fragen und der elektronischen Eingabe große Probleme haben.

„Wir erleben, dass unsere Befürchtungen Wirklichkeit werden: Die Grundsteuerreform ist ein Bürokratiemonster. Die Leute sind erbost und oft überfordert“, sagte Manfred Jost, Präsident des VWE. Dass trotz zahlreicher ins Internet gestellter oder auch postalisch zugesandter Informationen viele Fragen offen geblieben sind, zeigte auch die ausgebuchte Veranstaltung deutlich.

Insgesamt zweieinhalb Stunden lang versuchte Jurist Daniel Jung, so viele Fragen wie möglich zu beantworten. Er wollte die Grundsteuer allgemein und die Berechnung nachvollziehbar  machen. Der Anwalt gab zunächst einen Rückblick auf die Geschichte der Grundsteuer und den Grund der Reform.

„Bereits in den 1920er-Jahren setzten die Finanzämter erstmals zu Besteuerungszwecken einen sogenannten Einheitswert für Immobilien fest, der danach eigentlich alle sechs Jahre neu festgestellt werden sollte.“

Der Zweite Weltkrieg, Nachkriegswirren, die Teilung Deutschlands und die Wiedervereinigung hatten zur Folge, dass die Grundsteuerfestsetzung selbst nach Jahrzehnten immer noch auf alte Einheitswerte von 1935 bzw. 1964 abgestellt wurde.

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2018 erklärte diese Einheitsbewertung für verfassungswidrig. Das Gericht monierte, dass die Zahlen die Werte nicht mehr realistisch abbilden. Ein sofortiger Wegfall der Grundsteuer und damit der Haupteinnahmequelle aller Kommunen war jedoch nicht möglich.

Ab Januar 2025 ist die Grundsteuer nach dem neuen Verfahren zu berechnen, bis dahin läuft seit diesem Juli die Datenerhebung.

Es folgte ein einstündiger Vortrag über die Berechnung der Grundsteuer mit hochkomplizierten Fachbegriffen wie „Sachwertverfahren“, „Ertragswertverfahren“, „abgezinste Bodenwerte“, „Bodenrichtwerte“, „Umrechnungskoeffizient“, „Mieteinstufungsverordnung“, „kapitalisierter Reinertrag“ und vielen mehr.

Die staunenden Gäste verfolgten die Ausführungen des Experten. Fragt sich nur, ob  für sie die künftige Berechnung der Grundsteuer durch das Finanzamt nun besser nachvollziehen können. Aber zumindest haben die Gäste jetzt schon mal davon gehört und können anhand des zusätzlich ausgehändigten Manuskripts vielleicht manches besser verstehen.

Eine weitere Stunde lang erklärte Jung die Grundsteuerwertermittlung. Interessant hierbei war zu erfahren, dass von sieben möglichen Mietniveaustufen (7 = höchst beliebte Wohngegend bis 1) im Saarland die meisten Kommunen in den Stufen 1 oder 2 eingeordnet sind: Quierschied und Friedrichsthal in den Niveaustufen 1 und Sulzbach in 2. In Stufe 3 seien  lediglich die Landeshauptstadt Saarbrücken sowie Püttlingen und Homburg eingestuft. Die saarländische Kommune mit der höchsten Einstufung 4 sei Kirkel.

Nun können Eigentümer sich bei einer niedrigen Einstufung über Abschläge bei der Immobilienbewertung freuen.

Besonders die Erläuterungen, was steuerlich als Wohnfläche eingestuft wird und was zu Nutz- bzw. Zubehörflächen zählt, führten zu zahlreichen Fragen. Neben dem Grundsteuerwert sei der Grundsteuermessbetrag ein weiterer Berechnungsfaktor, sagte Jung weiter. An diesem Punkt habe das Saarland das Bundesmodell abgewandelt, während es das vorgegebene Berechnungsmodell ansonsten vollständig übernommen habe.

Dass nach der Reform auf Eigentümer eine Mehrbelastung von zehn Prozent zukommen könnte, ist eine der Überraschungen der Grundsteuer-Neuordnung. Denn ursprünglich sollten die saarländischen Immobilieneigentümer eigentlich eine Entlastung erfahren. Nun seien also die Kommunen gefordert, die politische Entscheidung zu treffen, ob sie ihre Hebesätze beibehalten und damit Mehreinnahmen erzielen oder diese eventuell senken, um die Belastung auf dem bisherigen Niveau zu behalten.

Gegen Ende seines Vortrags kam der Jurist schließlich auf das Verfahren und das Ausfüllen der Steuererklärungen zu sprechen. Ende Juni hatten die Eigentümer im Saarland von der Finanzverwaltung hierfür Post mit einigen Informationen als Ausfüllhilfe erhalten.

Das darin enthaltene Aktenzeichen, die grundbuchmäßige Bezeichnung des Grundbesitzes, seine Art, Größe und Fläche sowie der angegebene Bodenrichtwert seien nun in der Grundsteuerfeststellungserklärung anzugeben.

Hierbei sei es – so die Antwort auf eine Frage eines Hauseigentümers – irrelevant, wie das Grundstück genutzt wird.

 Die geforderte Erklärung sei grundsätzlich digital beim zuständigen Finanzamt abzugeben. Auf der Steuerplattform www.elster.de seien diese im Benutzerkonto unter „Formulare und Leistungen“ abrufbar. Wer noch keinen eigenen „Elster-Zugang“ habe müsse ein neues Benutzerkonto anmelden.

In Ausnahmen könne das Finanzamt zur Vermeidung von Härten auf schriftlichen Antrag aber auch eine Erklärung in Papierform mit entsprechenden Formularen zulassen. Zum Beispiel, wenn jemand keine Erfahrung mit dem Internet oder keinen Internetzugang hat.

Der VWE teilte mit, dass es für saarländische Grundeigentümer auch ohne „Elster-Konto“ möglich sei, eine vereinfachte Grundsteuererklärung beim Online-Portal des Bundesfinanzministeriums abzugeben unter: www.grundsteuererklaerung-fuer-privateigentum.de. Das spare Aufwand und Zeit.

Zur Abgabe seiner Erklärung, so Jung abschließend, sei jeder Immobilieneigentümer gesetzlich verpflichtet. Wer bis zu den gesetzten Fristen (aktuell 31. Oktober, jedoch schließt der Fachanwalt eine Fristverlängerung nicht aus) keine Erklärung abgibt, müsse damit rechnen, dass unter Umständen Zwangsmittel eingesetzt werden oder Zuschläge in Kauf nehmen. Theoretisch sei eine versäumte Abgabe einer Steuerhinterziehung gleichzusetzen.

Aus Ottweiler war Ralf Richter zu dem Vortrag gekommen. „Ich bin etwas überwältigt von den vielen Informationen, die wir in den letzten zweieinhalb Stunden gehört haben. Ich hatte gehofft, etwas weniger Theorie und dafür mehr über die Praxis für das Ausfüllen des Online-Formulars zu hören“, sagte er.

 Fachanwalt  Daniel Jung

Fachanwalt Daniel Jung

Foto: Petra Pabst

Thomas Kollmann aus Quierschied war ebenfalls unter den Zuhörern. „Vielleicht wäre es gut, einen solchen Vortrag bezüglich der allgemeinen Informationen etwas zu verkürzen und dafür mit Screenshots der Online-Maske und einem virtuellen Beispielfall zu arbeiten. Das ist, was den meisten Betroffenen Probleme bereitet. Die Nachvollziehbarkeit der Steuerberechnung, die dann das Finanzamt vornimmt, könnte dann ja im Nachgang erfolgen“, schlug er vor.

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