„Menschlichkeit ist meine Religion“

Quierschied · Das Kirchenasyl in Fischbach rettete den gebürtigen Syrer und seine Eltern vor der Abschiebung. Mittlerweile gilt der 27-Jährige als eine Art Institution in der Gemeinde. Sein Name ist auch kurdisch, verriet er der SZ.

 Rudi Issa fühlt sich sichtlich wohl. Archivfoto: Markus Kohl/Gemeinde

Rudi Issa fühlt sich sichtlich wohl. Archivfoto: Markus Kohl/Gemeinde

"Rudi!", ruft Quierschieds Bürgermeisterin Karin Lawall um Unterstützung. Mit einem breiten saarländischen "Jo" kommt der Helfer beim Begrüßungsfest für die Neubürger herbeigeeilt. Rudi hat Informationstechnik studiert, hatte bis vor etwa drei Jahren einen eigenen Laden, in dem er Computer reparierte. Er war zufrieden. Dann änderte sich sein Leben. "Wenn du einen Fuß auf die Straße gesetzt hast, warst du mit einem Bein im Grab", beschreibt Rudi, was da plötzlich in seiner Heimat los war, "jeder kämpft gegen jeden. Da sind nur noch Hass, Misstrauen und Tod." Rudi floh mit seiner Familie. Vom Wohnort Aleppo zurück in die Heimatstadt Efrin. Doch auch dort waren sie nicht sicher. Schleuser brachten Rudi Issa und seine Familie zunächst nach Saudi-Arabien. "Dort durften wir einen Monat lang das Haus nicht verlassen", erzählt Rudi. Irgendwie besorgte man sich dennoch Papiere, flog nach Mailand und fuhr weiter mit dem Auto nach Deutschland. Im Oktober 2013 kam Rudi mit seinen Eltern nach Quierschied . Sollte aber gleich wieder abgeschoben werden. "Flüchtlinge müssen dahin, wo sie zuerst europäischen Boden betreten haben", erklärt der heute 27-Jährige die Rechtslage nach dem Dublin-Abkommen. Doch die Familie wollte bleiben. Im Kirchenasyl in Fischbach fand sie Schutz und Unterstützung. "In dieser Zeit habe ich sehr viel über Deutschland und seine Menschen gelernt", sagt Issa, "alle wollten uns helfen. Dieses Gefühl kannten wir so gar nicht. Es war wunderbar."

Die Issas durften bleiben, Quierschied ist ihre neue Heimat . "In Syrien gibt es nichts mehr. Alle Familienmitglieder und Freunde sind über die ganze Welt verstreut", so der Kurde, "Heimat hat für mich ohnehin nichts mit Grund und Boden zu tun. Heimat ist, wo es Menschen gibt, die man liebt." In Quierschied ist er mittlerweile eine Institution. Wenn er durch den Ort geht, wird er von vielen Menschen angesprochen. "Ich möchte für die Hilfe, die mir und meiner Familie hier zuteilwurde, etwas zurückgeben", sagt Issa, der sich für die Gemeinde und ihre Neubürger einsetzt: "Ich gebe Integrations- und Sprachkurse . Die Syrer sind ein einfaches Volk. Aber es gibt viele gut ausgebildete Menschen unter ihnen. Ich will ihnen den Start in Quierschied erleichtern. Und die Quierschiederinnen und Quierschieder helfen mir dabei. Darum lebe ich so gerne hier." Bleibt nur noch die Frage nach dem "urdeutschen" Vornamen Rudi. "Das ist auch ein kurdischer Name", sagt Rudi Issa lächelnd, "er bedeutet: ,der in die Sonne sieht' oder ,der das Licht sucht'." Issa hat sein Glück in Quierschied gefunden, nun teilt er es mit allen Mitmenschen: "Menschlichkeit ist meine Religion ."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort