Wenn das Gedächtnis langsam ausradiert wird

Püttlingen. Vor fünf Jahren fing es an. Karin Maurers Mutter Regina Sahner wurde unsicher und orientierungslos, konnte ihre Tabletten nicht mehr richtig einnehmen. Nach einem Arztbesuch stand fest: Sie leidet an vaskulärer Demenz, die durch mangelnde Durchblutung des Gehirns hervorgerufen wird. Manchmal erkennt die heute 90-Jährige ihre eigene Tochter nicht

 Petra Schmitt (links) vom Demenzverein im Gespräch mit Karin Maurer, im Hintergrund deren Schwester. Foto: wim

Petra Schmitt (links) vom Demenzverein im Gespräch mit Karin Maurer, im Hintergrund deren Schwester. Foto: wim

Püttlingen. Vor fünf Jahren fing es an. Karin Maurers Mutter Regina Sahner wurde unsicher und orientierungslos, konnte ihre Tabletten nicht mehr richtig einnehmen. Nach einem Arztbesuch stand fest: Sie leidet an vaskulärer Demenz, die durch mangelnde Durchblutung des Gehirns hervorgerufen wird. Manchmal erkennt die heute 90-Jährige ihre eigene Tochter nicht. "Das Gedächtnis wird quasi von vorne wegradiert. Die Vergangenheit bleibt am längsten erhalten", erklärt Petra Schmitt, Leiterin des Demenz-Vereins im Köllertal. Viele Demenzkranke erinnern sich nur noch an ihre Kindheit - und wollen dorthin zurück. So auch Regina Sahner, die immer wieder in ihr Geburtshaus zurück möchte. "Sie sucht dann nach irgendwelchen Kindern, meint damit aber ihre Geschwister", schildert Karin Maurer. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als die Haustür immer abgeschlossen zu lassen, damit ihre Mutter nicht wegläuft. "Manchmal zetert sie stundenlang, dass sie rauswill und wird richtig aggressiv", seufzt die Tochter. Ein Beruhigungsmittel vom Arzt soll helfen. In ihrem Geburtsort finde sich die Mutter noch zurecht, habe noch alle alten Häuser erkannt. In der eigenen Wohnung jedoch fragt sie oft, wo die Toilette sei. "Darum ist es wichtig, die Umgebung der Betroffenen gut zu kennzeichnen", rät Petra Schmitt. Ein Haus mit einem Herz als Symbol für das WC zum Beispiel. Und die Wohnungseinrichtung sollte möglichst nicht verändert werden, denn "Neues irritiert", so Schmitt. Das Problem an dieser Krankheit sei, dass niemand wisse, woran sich die Betroffenen orientieren. Gegenstände und Fotos aus der Kindheit oder die alte Einrichtung von damals könne helfen, dass der Demente sich wohl fühlt. Denn an Demenz Erkrankte litten häufig unter Angstgefühlen - "weil sie sich selbst verlieren", schildert Petra Schmitt. Es gäbe nur kurze Bewusstseinsmomente, in denen sie merken, dass etwas nicht stimmt. Regina weiß noch genau, wann sie geboren wurde, aber nicht mehr, wie alt sie ist. "Rechne doch nach!", sagt sie dann schnippisch. Zweimal in der Woche bringt Karin Maurer ihre Mutter in die Tagesbetreuung des Demenz-Vereins Saarlouis. Regina, die während des SZ-Besuchs mit am Tisch sitzt, kann sich aber an die Termine in Saarlouis nicht erinnern. "Da war ich doch erst einmal", wirft sie protestierend ein. Es ihr zu erklären, sei zwecklos, so Karin Maurer: "Ich muss ihr immer Recht geben, weil sie sonst aggressiv wird." "Man muss akzeptieren, dass Demente in einer anderen Zeit, in ihrer eigenen Welt leben, die auf ihren Empfindungen beruht. Es bringt nichts, ihnen unsere Realität nahe bringen zu wollen", erläutert Petra Schmitt den richtigen Umgang mit Erkrankten. Dementgerechte Betreuung hieße, "die Zeit mit Dingen ausfüllen, die machbar sind". Dinge, die die Betroffenen noch können, weil sie im Unterbewusstsein gespeichert sind, wie etwa alte Volkslieder singen, basteln oder kochen. Es sei wichtig, diese Fähigkeiten zu erhalten. Karin Maurer ist froh, dass sie am Kurs des Demenz-Vereins teilgenommen hat: "Am Beginn der Erkrankung meiner Mutter dachte ich, dass ich es nicht mehr packe. Der Kurs hat mir viel gebracht. Ich habe gelernt, wie ich mich verhalten soll und wie ich darauf eingehen kann." Sie konnte sich mit anderen Betroffenen austauschen und merkte auch, dass ihre Mutter im Vergleich zu anderen Dementen noch recht selbstständig war. Trotzdem - die Rundumbetreuung zehrt an den Nerven. Karin Maurer war seit vier Jahren nicht mehr in Urlaub und auch ausgehen ist schwierig. Maurer: "Manchmal geht man auf dem Zahnfleisch. Es nimmt einen seelisch mit."

Auf einen BlickDer nächste Kurs für Angehörige Demenzkranker beginnt am Montag, 3. November, 18 Uhr, in der Knappschaftsklinik Püttlingen. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung bei Britta Morsch vom DRK, Tel. (0681) 5004248, oder Petra Schmitt, Leiterin des Demenz-Vereins im Köllertal, Tel. (06806) 6940690. wim

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