Stimmung schlägt Purzelbaum

Walpershofen · Robert Knecht, Jugendleiter der DJK Püttlingen, hatte die Idee zu einer Tauschbörse für Panini-Bildchen. Kleine und große Liebhaber der Sticker zur Fußball-WM in Brasilien hatten helle Freude beim Füllen ihrer Alben.

 300 Fußballfans schauten sich auf dem Kleinspielfeld in Walpershofen das Spiel der deutschen Nationalelf gegen Ghana an.Foto: Jenal

300 Fußballfans schauten sich auf dem Kleinspielfeld in Walpershofen das Spiel der deutschen Nationalelf gegen Ghana an.Foto: Jenal

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 Selma Saddem tauschte mit Unterstützung von Papa Sofiane und Bruder Elias mit Mirko Litzenburger Panini-Bildchen. Foto: Merkel

Selma Saddem tauschte mit Unterstützung von Papa Sofiane und Bruder Elias mit Mirko Litzenburger Panini-Bildchen. Foto: Merkel

Foto: Merkel

Beim Public Viewing auf dem Kleinspielfeld hinter der Köllertalhalle schlug die Stimmung der rund 300 Fußballfans beim 2:2 zwischen Deutschland und Ghana Purzelbaum: grenzenloser Zuversicht folgte nervöses Fingerkauen, das in ausgelassenem Jubel umschlug, sich in jähes Entsetzen verwandelte und schließlich mit einem Aufatmen, aber auch mit bangen Blicken auf das nächste Spiel gegen die USA endete. Vor dem Spiel war die Zuversicht unter den Fans riesig, obwohl es auch ein paar Mahner gab. Wie Anke Reichert-Woll: "Das wird heute ganz schwer", meinte sie.

Oder Arno Bach, Ex-Torwart des SV Walpershofen, der ein 1:1 voraussagte: "Man muss auch mal mit einem Unentschieden zufrieden sein." Für die anderen sprach Norbert Schrenk, der Vorsitzende des SV Walpershofen: "Macht euch keine Sorgen, wir gewinnen heute. Ganz sicher. 2:0." Dann aber sahen die Fans gut 20 Minuten lang fast gar nichts.

"Löw muss Klose bringen"

Das lag nicht nur an der Sonneneinstrahlung, sondern auch an der deutschen Elf. Als Ghana in der 27. Minute sogar die Führung auf dem Fuß hatte, schrie Gudrun Brehme, ehemalige Fußballspielerin bei den Sportfreunden Obersalbach, entsetzt: "Hilfe!" Jürgen Weyland, in den 70er Jahren einer der besten Fußballer des Köllertals, meinte nach einer halben Stunde: "Das ist ein Spiel auf Augenhöhe. Aber wir müssten mit einem Stoßstürmer spielen, Löw muss Klose bringen. Wenn es bei Halbzeit immer noch 0:0 steht, wird es eng für uns." Es stand zur Pause 0:0, und die Euphorie war deutlich gedämpft: Thorsten Bach von der Walpershofer Feuerwehr fordert mehr Härte der Deutschen: "Das ist Weicheifußball. Wir brauchen ein bisschen mehr Honduras." Und Henning Johann, einst Verbandsligaspieler beim FV 08 Riegelsberg, grantelte: "Heute haben wir mal einen richtigen Gegner, und schon sieht man, wie es mit der Qualität im deutschen Spiel aussieht." Nur Norbert Schrenk war nicht zu erschüttern: "Ich bleibe dabei: 2:0."

In der 51. Minute schien er bestätigt zu werden, als Mario Götze das 1:0 für Deutschland gelang. Ein Jubelsturm fegte über das Kleinspielfeld: "Ghana macht jetzt hinten auf, jetzt kann es 3:1 oder 4:1 für uns ausgehen", frohlockte Jürgen Weyland. Doch Ghana drehte die Partie mit zwei Toren in neun Minuten. "Das wird jetzt ein Kampf. Die Euphorie nach dem 4:0 gegen Portugal war zu groß, man muss immer auf dem Boden bleiben", meinte Alex Weyland, Trainer der Walpershofer Kreisligamannschaft. Drastischer formulierte es Feuerwehrmann Patrick Heydrath: "Das war mir klar, wenn man vorher so die Fresse aufreißt." Aber nach 71 Minuten wieder Jubel. Miro Klose war gerade erst eingewechselt worden und machte sofort das 2:2. "Ich hab's doch gesagt! Klose muss rein", triumphierte Weyland.

"Homburger Fußballschule"

Und Thorsten Bach, Fan des FC Homburg, wo Klose seine ersten Gehversuche im bezahlten Fußball gemacht hatte, strahlte: "Das ist alte Homburger Fußballschule." Das Siegtor gelang Deutschland aber nicht mehr. Heiko Walther, der mit Deutschlandtrikot und zwei Fähnchen auf dem Kopf einer der am originellsten dekorierten Fans auf dem Kleinspielfeld war, sagte: "Vom Spielverlauf her muss man mit dem Punkt zufrieden sein. Gegen Portugal waren wir deutlich besser." "Ich merke gerade, wir sind schlecht vorbereitet. Unser Sohn hat nur sein Album dabei, alle anderen haben Listen, auf denen sie direkt sehen, was sie doppelt haben, was fehlt", sagt Anna Berrang aus Riegelsberg und verfolgt, wie ihr Sohn Jonas mit Papa Michael das Sammelheft umblättert. Immer wieder ruft der Junge: "Brauche ich", und Wolfgang Hahn legt eines der Sammelbildchen aus dem dicken Stapel in seiner Hand auf den Tisch.

"Ich tausche heute für meinen Enkel, der wohnt im Kölner Raum und hat bald Geburtstag. Mal schauen, was ich alles zusammen bekomme", sagt er und hat noch weitere Fußballstars, die Jonas glücklich machen. So wie bei den beiden Familien ging es am Freitagabend an den Tischen vor dem Vereinsheim der DJK Püttlingen überall zu. Fleißig wurde getauscht, alle waren auf der Suche nach den fehlenden Bildern, um gerade jetzt, noch während der Fußball-Weltmeisterschaft, ihr Sammelalbum zu komplettieren.

Die Idee zur Tauschbörse hatte DJK-Jugendleiter Robert Knecht, der sich sehr über die große Resonanz freute. Bereits vor dem offiziellen Start um 17 Uhr hatten die ersten begonnen, ihre Schätze mit denen der anderen Besucher auszutauschen. "Ich selbst sammle schon seit Kindertagen diese Panini-Sticker, mein erstes komplettes Album ist aus dem Jahr 1986 ", erinnert sich Knecht. "Wen einmal die Leidenschaft des Sammelns gepackt hat, der hört nicht mehr auf. So war dann auch schnell die Idee geboren, diese Tauschbörse zu veranstalten", sagt er.

"Oft ist es so, dass man nur im engeren Umfeld Tauschpartner hat. Das ist dann sehr schnell erschöpft", erläutert Christian Ruge aus Saarbrücken seine Erfahrungen. Der 31 Jahre alte Saarbrücker ist durch die Suche im Internet auf die Aktion in Püttlingen aufmerksam geworden. Ihm fehlen noch etwa 100 Sticker, neben seinen doppelten Exemplaren hat er auch die Liste eines Kollegen dabei. Der zwölf Jahre alten Larissa Winkler fehlen nur noch etwa 50 Sticker, schon beim ersten Tauschpartner ist sie sehr erfolgreich. "Wenn wir was tauschen, ist das kostenlos, wenn ich keine Sticker für den anderen habe, kaufe ich sie ihm für zehn Cent das Stück ab", erklärt das Mädchen das Vorgehen. Fair geht es an allen Tischen zu, immer wieder werden die Plätze getauscht. Während sich die einen diebisch über das Maskottchen oder das Gruppenbild der deutschen Nationalmannschaft freuen, bleiben andere bei den begehrtesten Stickern erfolglos.

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