Püttlingen Schwierige Lage für Kinder mit Behinderung

Püttlingen · Eltern von Schülern der Köllertalschule in Püttlingen haben in Corona-Zeiten mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen.

 Ylvi Apel kann in der Zeit ohne Schulbesuch mit Bruder Tove im Haus und im Garten spielen.

Ylvi Apel kann in der Zeit ohne Schulbesuch mit Bruder Tove im Haus und im Garten spielen.

Foto: Repro: M. Jungfleisch

Seit dem 16. März sind im Saarland alle Schulen geschlossen. In Püttlingen auch die Köllertalschule, also die „Staatliche Förderschule körperliche und motorische Entwicklung“. Was bedeutet der fehlende Schulbesuch für Kinder, die mit Behinderungen zu kämpfen haben, und ihre Eltern?

Familie Apel aus Saarbrücken kommt im Großen und Ganzen gut mit der „schulfreien“ Zeit zurecht. Während Sohn Tove die 6. Klasse im Schlossgymnasium besucht, gut beschäftigt ist mit Hausaufgaben, die über E-Mails ins Haus flattern, genießt die querschnittsgelähmte Tochter Ylvi die Zeit zu Hause. Die 15-Jährige kam mit einem offenen Rücken zur Welt, sitzt im Rollstuhl und weist leichte mentale Einschränkungen auf. „Obwohl Ylvi ihre Schule liebt und sich freut, wenn die Hausaufgaben kommen, wird uns auch ohne Schule nicht langweilig“, erklärt Mutter Barbara Apel (45). Die gelernte Krankenschwester malt und bastelt viel mit ihrer Tochter. Zusammen mit Papa Patrik – Mediengestalter im Homeoffice – spielen Ylvi und ihr Bruder Tove im Garten, und sie können sogar mit den Großeltern auf dem Nachbargrundstück über den Zaun plaudern. Ein Haus mit Garten, das sei derzeit „ein großes Geschenk“.

Anders ergeht es Luca Aurelius aus Dudweiler. Er leidet unter dem William-Beuren-Syndrom, auch als „Elfengesicht“ bekannt. Der 13-Jährige sei schwerstbehindert und geistig auf dem Stand eines Sieben- bis Achtjährigen. Außerdem hat er einen Herzfehler und zählt damit zur Hochrisiko-Gruppe. Zusammen mit seiner 15-jährigen Schwester Lilian Violet und seinen Eltern Tobias und Jennifer Schaum wohnt er im 7. Stock eines Hochhauses in Dudweiler. „Uns setzt Corona mit allen Auswirkungen schwer zu. An normalen Schultagen wird Luca Aurelius morgens um 7 Uhr abgeholt und bleibt bis 16 Uhr in der Köllertalschule“, erzählt der 37-jährige Vater. „Ich arbeite an der Universität in der Bibliothek, und meine Frau kümmert sich um den Haushalt und die Pflege von Luca. Donnerstags und freitags kommt er gegen 14 Uhr nach Hause und dann fährt meine Frau ihn zur Logopädie, Ergotherapie oder zur Krankengymnastik. Er hat Pflegestufe 4 und braucht rund um die Uhr Betreuung, die wir ab dem Nachmittag dann gemeinsam organisieren.“ Jetzt ist der Alltag sehr durcheinandergewirbelt, und Möglichkeiten zum Atemholen fehlen.

Luca kann sich zwar gut mit Tablet und Spielekonsole beschäftigen, er spielt auch gerne mit Legosteinen und sammelt Pokémon- oder Star-Wars-Karten. Doch das Rausgerissenwerden aus seinem Alltag verkraftet er nur schwer.

Er vermisst seine Klassenkameraden, seine Freunde, seine Oma, die er nicht besuchen darf, und seine Therapien. „Noch ist die Stimmung gut“, sagt der Vater, „wir können am Waldrand spazieren gehen, haben Bärlauch im Steinbachtal gesammelt. Doch wenn die Schule noch länger geschlossen bleiben, befürchten wir, dass die Stimmung kippt.“

Der 15-Jährige Ali Rammal aus Völklingen leidet an Muskelschwund, wird zeitweise beatmet. Zum Glück wird die Familie, in der auch zwei jüngere Geschwister zu versorgen sind, von einer Krankenpflegerin sieben Stunden täglich unterstützt. Neben der Sorge, ob das Virus die Beatmung des Sohnes erschwert, kommt die Langeweile, mit der der geistig aufgeweckte, wenn auch nicht altersgerecht entwickelte Ali zu kämpfen hat.

Richtig problematisch ist die Situation bei Familie Ariafar aus Saarbrücken. Der 15-jährige Sohn Amirsam ist Autist mit starker Ausprägung. Seine Mutter hat schwere Herzprobleme, der Vater ist Diabetiker. Hilfe gibt es zu Hause keine, und der Sohn verlange viel Geduld. An manchen Tagen ist er sehr verzweifelt, dass sein Alltag aus den Fugen geraten ist, dann wird er aggressiv, hat schon den Fernseher und eine Scheibe zerschlagen. Das kostet viel Kraft, „aber wenn wir mit ihm spazieren gehen, beruhigt er sich“.

Alle Befragten wünschen sich den geregelten Alltag zurück. Und sie betonen: Es gibt auch junge Menschen in der Risikogruppe. Also gelte immer: Bitte Abstand halten.

 Luca Aurelius Schaum sucht Ablenkung auf langen Spaziergängen mit Papa Tobias Schaum im Steinbachtal. Dort sammeln sie Bärlauch.

Luca Aurelius Schaum sucht Ablenkung auf langen Spaziergängen mit Papa Tobias Schaum im Steinbachtal. Dort sammeln sie Bärlauch.

Foto: Schaum
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