Bürokratie als Hemmniss im Püttlinger Stadtrat „Reine Symbolpolitik, deren Zweck verpufft“: Heiße Debatte über volle Windeln

Püttlingen · In Püttlinger Stadtrat wurde heiß darüber diskutiert, ob es künftig einen Windelzuschuss für Familien mit Babys und Kleinkindern geben soll oder nicht. Sicher ist: der bürokratische Aufwand ist groß.

 Wenn die Windel voll ist, muss sie entsorgt werden. Und das geht in Geld. Deshalb wurde im Püttlinger Stadtrat jetzt diskutiert, ob Familien mit Kleinkindern aber auch von Inkontinenz Betroffene einen „Windelzuschuss“ bekommen sollen.

Wenn die Windel voll ist, muss sie entsorgt werden. Und das geht in Geld. Deshalb wurde im Püttlinger Stadtrat jetzt diskutiert, ob Familien mit Kleinkindern aber auch von Inkontinenz Betroffene einen „Windelzuschuss“ bekommen sollen.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Ist die Windel voll und schwer, dann muss rasch 'ne neue her: Allerdings füllen volle Windeln auch schnell die Mülltonne, weswegen man sich im Püttlinger Stadtrat schon vor Jahr und Tag Gedanken darüber machte, ob es nicht angebracht sei, Eltern von Wickelkindern und auch von Inkontinenz betroffenen Menschen durch einen kleinen Zuschuss zu den Entsorgungsgebühren zu entlasten. Das führte damals allerdings nur indirekt zu einem kaum genutzten Ergebnis: In Püttlingen hatte es 2011 sogar eine Demonstration von etwa 100 Personen gegeben, organisiert von der eigens gegründeten Bürgerinitiative „Hand in Hand“, die von der Stadt entsprechende Zuschüsse forderte. Doch letztlich sagte der Stadtrat damals aus Kostengründen „Nein“. Der Kinderschutzbund Püttlingen sprang – nur für Eltern – in die Bresche und gewährt unter bestimmten Bedingungen 25 Euro pro Jahr, was aber in den vergangenen Jahren kaum beantragt wurde.

Die SPD-Fraktion hatte sich nun schon geraume Zeit dafür stark gemacht, den Windelzuschuss neu zu planen, von der Stadtverwaltung organisieren zu lassen und den dann Berechtigten 35 oder 40 Euro jährlich zu gewähren. Darüber sollte schon Mitte des Jahres abgestimmt werden, doch war die Entscheidung vertagt worden und die Verwaltung beauftragt worden, genauere Informationen zu beschaffen. Das tat sie auch: Man erkundigte sich bei Kommunen, die bereits einen Windelbonus eingeführt haben, nach deren Vorgehen und dem Umfang der Anträge und kalkulierte – auf die Unwägbarkeit hinweisend – den Finanzbedarf.

Bei geschätzten 500 Anträgen pro Jahr – 400 für Kinder und 100 für Inkontinenzwindeln –, kämen auf die Stadt bei 35 Euro Förderung 17 500 Euro zu (oder 20 000 Euro bei einer 40-Euro-Förderung). Der zusätzliche Verwaltungsaufwand lasse sich ohne Praxis nicht kalkulieren. Die berechtigten Familien werde man gegebenenfalls anschreiben. Kämmerer Hans-Günter Kramp wies zudem in der Verwaltungsvorlage auf die schwierige Haushaltslage hin und erklärte in der Verwaltungsvorlage: „Da wir uns immer noch unter dem Diktat des Saarlandpakt-Gesetzes befinden, halte ich es für unabdingbar, dass im Falle der Beschlussfassung eine geeignete und dauerhafte Gegenfinanzierung vom Stadtrat festgelegt werden muss.“

SPD-Fraktionssprecher Reinhold Schmitt erklärte, zur Gegenfinanzierung könne auf einen anderen Haushaltsposten zurückgegriffen werden: Die „Wohnraumförderprämie“ – mit der das wieder Nutzbarmachen einfacher Wohnungen unterstützt werden soll – werde praktisch nie abgerufen. Die dafür im Haushalt eingestellten 50 000 Euro könne man für den Windelbonus nutzen.

Schmitt ahnte da aber wohl schon, dass der Windelbonus bereits auf verlorenem Posten stand. Denn war die Idee in früheren Ratssitzungen noch im Grundsatz einstimmig mitgetragen worden, so hatte der Hauptausschuss des Rates zuletzt mehrheitlich die Ablehnung des Planes vorgeschlagen, was ihn, so Schmitt, sehr verwundere. „Ziel ist es doch“, so Schmitt, „den Betroffenen eine Abfederung bei den erhöhten Entsorgungskosten zu geben“, das sei ein Beitrag zur Familien-, Senioren- und Sozialpolitik der Stadt.

Christian Müller sagte dagegen für die CDU, man habe die vorgeschlagenen Richtlinien den Partei-Mitgliedern vorgestellt und sie ernsthaft diskutiert, doch letztlich handele es sich um ein „Bürokratiemonster“ und „reine Symbolpolitik, deren Zweck verpufft“. Bei einer Förderung von 2,91 Euro pro Monat und Fall stehe der Nutzen in keinem Verhältnis zu Aufwand und Kosten, von nachhaltigem Nutzen könne keine Rede sein, auch nicht im Sinne einer sozialen Stadt.

„Für manche Familien sind 35 oder 40 Euro mehr im Jahr verdammt viel“, warf Tanja Friedrich (SPD) ein. Richtig sei, dass es ein Problem mit überbordender Bürokratie gebe, das sei aber kein Püttlinger, sondern ein deutsches Problem. Man solle doch ausprobieren, ob's funktioniert oder nicht. Schmidt warf der CDU vor, dass sie erst die Verwaltung mit veranlasst habe, aktiv zu werden, „und jetzt haben wir eine vernünftige Richtlinie, aber jetzt sagen Sie: ätsch ätsch.“

Doch die CDU-Fraktion ließ sich nicht vom Vorbeschluss aus dem Hauptausschuss abbringen, und so blieb es auch am Ende des Windel-Schlagabtauschs beim mehrheitlichen „Nein“ zum Windelzuschuss.

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