Postkutschen-Zeit Püttlingen vor 100 Jahren

Püttlingen · Die Zeiten ändern sich: Eine alte Postkarte, die ein französischer Soldat liebevoll an sein „Springäffchen“ schickte, zeigt Püttlingen im Jahr 1918 – mit Pferdefuhrwerken vor dem lange vergessenen Hotel zur Post.

 Die kolorierte Ansichtskarte aus dem Jahr 1918 zeigt die Völklinger Straße in Püttlingen. Im Original stamt sie aus dem „Verlag Jakob Kreutzer, Buchhandlung Püttlingen“. Das Haus links, damals das Hotel zur Post, ist das Eckhaus Richtung Rathausplatz.

Die kolorierte Ansichtskarte aus dem Jahr 1918 zeigt die Völklinger Straße in Püttlingen. Im Original stamt sie aus dem „Verlag Jakob Kreutzer, Buchhandlung Püttlingen“. Das Haus links, damals das Hotel zur Post, ist das Eckhaus Richtung Rathausplatz.

Foto: Walter Faas

Fast 100 Jahre liegen zwischen den beiden Aufnahmen in diesem Bericht. Das heißt: Die kolorierte Ansichtskarte aus dem „Verlag Jakob Kreutzer, Buchhandlung Püttlingen“, die das damalige Dorf Püttlingen mit Blick in die Völklinger Straße zeigt, wurde am Freitag, 20. Dezember des Jahres 1918, vom französischen Feldpostamt gestempelt. Geschrieben wurde die Karte von einem französischen Soldat in der Frühzeit der so genannten Rheinlandbesetzung nach dem ersten Waffenstillstand im Wald von Compiegne, der am 11. November 1918 den Ersten Weltkrieg beendete. Der Soldat mit dem Vornamen Nunule war offenbar in Püttlingen untergebracht gewesen. Er schrieb an seine „petite femme cherié“, seine kleine liebe Frau also, die er auch zärtlich „Titi“ nennt („Springäffchen“).

Der französische Fußsoldat vom 151. Infanterieregiment hat sich in Püttlingen, seinen eigenen Worten nach, auch gelangweilt: „Bin hier in einem ziemlichen Kuhkaff (im Original „Brache“) gelandet“, schreibt er in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.

Im linken Teil der alten Ansichtskarte erkennen wir das damalige „Hotel zur Post“. „Es hat seinen Namen von der Poststation gegenüber. Bis zum Bau der Köllertal-Eisenbahn im Jahr 1911 hat hier noch regelmäßig die Postkutsche gehalten“, weiß Michael Müller vom Heimatkundlichen Verein Püttlingen, auch Archivar der Stadtverwaltung.

Aus dem Posthotel wurde später, nach dem Zweiten Weltkrieg, die bekannte Wirtschaft des Gastwirtes Herbert Heckmann. In den Hinterzimmern seiner Gaststube entstand, in der Wirtschaftswunderzeit, ein plüschiger Barbetrieb namens „Frasquita“. Dieses Nachtlokal, von den damaligen Püttlingern etwas despektierlich als „Griwwelstub“ bezeichnet, öffnete meist erst nach der allgemeinen nächtlichen Sperrstunde der regulären Gastwirtschaft. In diesen Räumen soll, Gerüchten zufolge, ein damals bekannter Püttlinger Unternehmer einen Tausendmarkschein der allerersten Prägung in Umlauf gebracht haben. Der Name Frasquita geht wohl auf eine opéra comique von Franz Lehár zurück, in der sich vieles um ein Etablissement seidener Halbweltdamen im Hafen von Barcelona im Jahr 1920 dreht.

Doch die Zeit vergeht, und das Hotel zur Post und auch der Püttlinger Sündenpfuhl Frasquita sind längst in Vergessenheit geraten, das Gebäude blieb erhalten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wechselten sich hier italienisch-stämmige Pizzabäcker in regelmäßigen Abständen mit immer kürzer werdenden Halbwertzeiten ab – zuletzt hieß das Restaurant „Zagreb Grill“ mit kroatisch geprägter Speisekarte. Vor wenigen Wochen ist jetzt das Jugendzentrum (JUZ) des Regionalverbandes Saarbrücken ins frühere Posthotel eingezogen.

 Püttlingen, Blick in die Völklinger Straße, am 20. Dezember 2017. Foto: Walter Faas

Püttlingen, Blick in die Völklinger Straße, am 20. Dezember 2017. Foto: Walter Faas

Foto: Walter Faas

Wie auf dem kleineren Foto (es entstand am 20. Dezember 2017) zu sehen, ist die Beschaulichkeit von 1918 – mit Kutschen auf festgetrampeltem Lehmboden – regem Autoverkehr gewichen. Und während auf der historischen Ansichtskarte Kinder mit Kappen für den Fotografen posieren, erkennt man bei genauem Hinsehen auf dem neuen Foto zwei Frauen türkischer oder syrischer Herkunft mit Kopftüchern vor dem Interkulturellen Begegnungs- und Lernzentrum des Freundeskreises für Integration und Migration – Wie sagt’s der Lateiner? „Tempora mutantor“ – „Zeiten ändern sich“.

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