Es geht auch ohne Zivis

Köllertal. Die Wehrpflicht wird ausgesetzt. Mit ihr der Zivildienst. Damit liegt die Befürchtung nahe: Krankenhäuser, Altenheime und andere soziale Einrichtungen kriegen Probleme, ihre Aufgaben zu erfüllen

 Mit der Wehrpflicht entfällt auch der Zivildienst. Arbeiten von Zivis, wie die von Christian Fries im Püttlinger Knappschaftskrankenhaus, werden dann andere übernehmen.  Foto: Hartmann Jenal

Mit der Wehrpflicht entfällt auch der Zivildienst. Arbeiten von Zivis, wie die von Christian Fries im Püttlinger Knappschaftskrankenhaus, werden dann andere übernehmen. Foto: Hartmann Jenal

Köllertal. Die Wehrpflicht wird ausgesetzt. Mit ihr der Zivildienst. Damit liegt die Befürchtung nahe: Krankenhäuser, Altenheime und andere soziale Einrichtungen kriegen Probleme, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Die Saarbrücker Zeitung hat sich im Köllertal umgehört - hier die Antworten: "Wir planen schon seit längerer Zeit nicht mehr mit Zivis, weil die Entwicklung ja abzusehen war", antwortet Jürgen Nieser, Pressesprecher der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Saar, die alleine in den drei Köllertalkommunen Püttlingen, Riegelsberg und Heusweiler vier große Seniorenheime unterhält. Die Awo verfüge zudem mittlerweile über ausgezeichnete Erfahrungen mit Teilnehmern des so genannten Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ): "Aktuell beschäftigen wir im Saarland 168 FSJ`ler in unseren Einrichtungen." Diese jungen Menschen, überwiegend handelt es sich um Frauen ("Bei den sozialen Berufen liegt der Anteil der Frauen immer höher"), verfügten über eine hohe berufliche Motivation und viel soziales Engagement, so Nieser: "Davon profitieren unsere Senioren und die Jugendlichen selbst, die im FSJ ihren Horizont ungemein erweitern können."

Eine Erfahrung, die Christoph Mittmann, Leiter der Schule "Körperliche und motorische Entwicklung" (ehemals "Körperbehindertenschule") in Püttlingen unterstreichen kann: "Viele Teilnehmer des Freiwilligen Sozialen Jahres arbeiten bereits zielgerichtet auf eine Berufsausbildung zum Förderschullehrer hin und sind mit ihrem hohen Engagement bei uns sehr willkommen."

Allerdings hat Rektor Mittmann ein Problem durch den erwähnten Frauen-Überschuss, beziehungsweise durch den Männer-Mangel: "Die jungen Frauen, die bei uns ihr FSJ ableisten, sind alle sehr kompetent und hochmotiviert. Manchmal fehlt ihnen aber die körperliche Kraft, unsere großen Schüler mit ihren schweren Rollstühlen zu bewegen. Und die älteren Schüler geniert es, beim Toilettengang auf die Hilfe einer Frau angewiesen zu sein. Deswegen brauchen wir auch weiterhin die jungen Männer."

An der Entwicklung, dass es die Zivis in gewohnter Form nicht mehr geben wird, kommt aber weder Schulleiter Mittmann noch auch Ralph Beckstein, Personalleiter und stellvertretende Verwaltungsdirektor der Knappschaftsklinik Püttlingen, vorbei. Beckstein: "Derzeit beschäftigen wir noch acht Zivildienstleistende, meist im Hol- und Bringdienst. Mit unseren Zivis sind wir in all den Jahren immer gut gefahren, so dass wir die Entwicklung sicherlich bedauern. Auf der anderen Seite haben wir keine andere Wahl, als uns jetzt umzuorientieren." Für die Zeit nach dem Wegfall des Ersatzdienstes (Stichtag 1. Juli) setze die Bundesknappschaft auf den von der Regierung geplanten Bundesfreiwilligendienst auch mit älteren Teilnehmern, der allerdings noch längst nicht alle parlamentarischen Hürden überwunden hat.

Beckstein: "Wenn alle Stricke reißen, müssen wir für diese Arbeiten reguläre Arbeitskräfte einstellen."

Hintergrund

Mit der Einführung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1956 trat das Recht auf einen "Zivilen Ersatzdienst" in Kraft. Die Organisation eines solchen Dienstes erforderte einige Jahre, so dass erst im April 1961 die ersten Zivis ihren Dienst antraten. Zunächst schlug dem Ersatzdienst in Deutschland Skepsis entgegen, doch wurde ihm rasch große Anerkennung zuteil, zumal wegen der großen Anzahl Zivildienstleistender, die in vielen Bereichen des sozialen Lebens eingesetzt sind. Ob das Freiwillige Soziale Jahr oder der angestrebte Bundesfreiwilligendienst die Lücke schließen können, die ein Ende des Zivildienstes hinterlässt, muss die Zukunft zeigen. et

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