Erschütternde Zeitzeugen-Berichte

Püttlingen/Völklingen. Der Zweite Weltkrieg war 50 Jahre lang vorbei. Die Püttlinger Heimathistoriker Michael Müller (62) und Paul Sperling (78) sammelten und dokumentierten aus diesem Anlass Berichte von mehr als 60 Zeitzeugen

 Die Heimathistoriker Paul Sperling (links) und Michael Müller (rechts) haben bei ihren Nachforschungen Erschütterndes über die Zustände im Lager Etzenhofen erfahren. Foto: Becker & Bredel

Die Heimathistoriker Paul Sperling (links) und Michael Müller (rechts) haben bei ihren Nachforschungen Erschütterndes über die Zustände im Lager Etzenhofen erfahren. Foto: Becker & Bredel

Püttlingen/Völklingen. Der Zweite Weltkrieg war 50 Jahre lang vorbei. Die Püttlinger Heimathistoriker Michael Müller (62) und Paul Sperling (78) sammelten und dokumentierten aus diesem Anlass Berichte von mehr als 60 Zeitzeugen. Ihre Arbeit erschien 1998, zum 30-jährigen Bestehen der Stadt Püttlingen, unter dem Titel "Die Kriegsereignisse 1939 - 1945 im Raum Püttlingen-Köllerbach" als 600 Seiten starkes Buch. Die Zeitzeugen-Berichte von damals sind unvermittelt zum Zündstoff in der gegenwärtigen Diskussion um eine Umbenennung des Völklinger Stadtteils Hermann-Röchling-Höhe geworden. Weil eine Reihe von von ihnen auf eine menschenverachtende Behandlung von Kriegsgefangenen, Deportierten und Zwangsarbeitern bei den früheren Röchling-Werken und im angeschlossenen Straflager Etzenhofen (bei Püttlingen) hinweist. Wir gingen dem in einem SZ-Gespräch mit den beiden Autoren nach.Ein Blick ins Buch: Über vier Druckseiten umfassen so die Erinnerungen von Richard Folz und seiner Schwester, Maria Leidinger, an ihre Beobachtungen in Etzenhofen. Hier nur eine kleine Passage daraus. "Wenn dann einer nur so ein bisschen aus der Reihe getanzt ist, ( ) der musste raustreten, da hatten sie so einen Schemel dort stehen, ( ) da lag die Reitpeitsche drauf, und der wurde dann geschlagen. ( ) Dann mussten sie laufen, tagsüber und sogar nachts. ( ) Kam dann einer nicht mehr hoch, dann hetzten die Wächter die Hunde auf sie, die dressiert waren ( ). Es waren Methoden wie im KZ." Wie andere Zeitzeugen schilderten auch Folz und Leidinger ihre persönliche Hilflosigkeit angesichts dessen, was sie von draußen mitbekamen: "Man hatte ja Angst, man traute ja nichts zu sagen." Es gibt noch weit drastischere Schilderungen, so die eines dienstverpflichteten französischen Dachdeckers. Hier ist unter anderem nachzulesen, dass eine Russin aus nichtigem Anlass von Werkschutz-Leuten mit dem Gewehrkolben erschlagen worden sei.Das Rastatter Tribunal, das Hermann Röchling 1949 als Kriegsverbrecher verurteilte, hatte ihm unter anderem die Zustände im Lager Etzenhofen vorgehalten. Müller und Sperling haben allerdings bei ihren Augenzeugen-Befragungen keinen Hinweis darauf erhalten, dass Hermann Röchling persönlich von dem Ausmaß der Misshandlungen wusste oder gar zu ihnen beigetragen hat. Sperling: "Die Gestapo-Leute waren verantwortlich dafür, welche Strafen ausgesprochen wurden."Die beiden Püttlinger wollen den Völklingern keine Empfehlung im aktuellen Namensstreit um die Hermann-Röchling-Höhe geben. Sie raten, die Fakten gründlich zu sichten und dann auch vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse zu vergleichen und zu bewerten. Einen Beleg dafür, wie kompliziert diese waren, haben Müller und Sperling in einer Schrift zur Völklinger Stadtgeschichte mit dem Titel "Wegweiser durch das andere Völklingen" gefunden. Dort schilderte der (inzwischen verstorbene) Historiker Dr. Luitwin Bies den Fall des Familienmitglieds Ernst Röchling: Ernst Röchling, ab 1940 Generalbeauftragter für die eisenschaffende Industrie in Frankreich, hatte nach dem Attentat auf Hitler einem Freund des Grafen Stauffenberg geholfen, Unterschlupf zu finden. Der NS-Volksgerichtshof verurteilte Ernst Röchling deshalb am 12. Januar 1945 zu fünf Jahren Zuchthaus. Nach dem Krieg wurde er dann zusammen mit seinem Vetter Hermann in Rastatt angeklagt, erhielt dort eine Gefängnisstrafe - und wurde 1951 begnadigt. "Kam dann einer nicht mehr hoch, dann hetzten die Wächter die Hunde auf sie. Es waren Methoden wie im KZ."Richard Folz, Zeitzeuge

Zur PersonMichael Müller (62) ist zuständig für das Archiv und für Öffentlichkeitsarbeit bei der Stadt Püttlingen. Er ist Vorsitzender des Heimatkundlichen Vereins Püttlingen.Paul Sperling (78) war Ausbildungsmeister im Ausbildungszentrum Fenne, Fachrichtung Elektronik, und arbeitet seit 25 Jahren im Heimatkundlichen Verein Püttlingen mit.Nähere Auskunft zum Buch und weiteren Zusammenhängen gibt Michael Müller, Telefon (0 68 98) 69 11 56. er

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