Erinnerung an Bombenhagel von 1943/44

Püttlingen · Die Ritterstraße wurde vor 70 Jahren im Zweiten Weltkrieg schwer von Bomben der Alliierten getroffen. Vier Zeitzeugen erinnern sich und raten jüngeren Menschen, „den Frieden zu erhalten, mit aller Kraft“.

 Die Zeitzeugen von der Ritterstraße tauschten Kriegserinnerungen aus, von links: Mia Jungmann, Gertrud Großmann, Irmgard Steil und Arthur Speicher. Foto: Andreas Engel

Die Zeitzeugen von der Ritterstraße tauschten Kriegserinnerungen aus, von links: Mia Jungmann, Gertrud Großmann, Irmgard Steil und Arthur Speicher. Foto: Andreas Engel

Foto: Andreas Engel

Vor fast genau 70 Jahren, am 5. Oktober 1944, wurde der Püttlinger Stadtteil Ritterstraße von Bomben und Granaten der Alliierten verheerend getroffen. Es gab Tote und Verletzte, darunter auch Kinder. Schon am 17. April 1943 waren Luftminen und Bomben auf die Ritterstraße gefallen. Vier Zeitzeugen haben noch sehr detailreiche Erinnerungen an diese beiden Ereignisse, die bei weitem nicht die einzigen kriegerischen Einwirkungen auf die Püttlinger Zivilbevölkerung am Ende des Naziterrors waren.

Der frühere Kraftwerksheizer Arthur Speicher (81) hat zwei vergilbte Fotografien mitgebracht, die die Auswirkungen des Angriffs 1943 zeigen. "Dort, unter diesem eingestürzten Giebel unseres Hauses, ist mein Vater begraben", berichtet Speicher und hält das Foto in der Hand. Drei Häuser sind damals dem Erdboden gleichgemacht worden. "Ich erinnere mich", erzählt Speicher, "dass eine Frau auf der Straße lief und ihr totes Kind im Arm trug."

Gertrud Großmann (84) und ihre Schwester Irmgard Steil (79) haben heute noch die Geräusche der Bomben im Ohr, "die pfiffen ganz schrecklich". "Jetzt, da die Welt wieder in Flammen steht", so Gertrud Großmann, "kommen die Erinnerungen an die Kriegszeiten bei uns wieder hoch".

Mia Jungmann (84) hatte nie Angst, sagt sie. Man kann es kaum glauben, aber die resolute frühere Mitarbeiterin der Einheitsgewerkschaft an der Saar schildert den 5. Oktober 1944 nüchtern und detailliert, dass man ihr die Furchtlosigkeit fast glauben möchte. Sie war mit Mutter und den Großeltern auf dem Weg in einen der Schutzbunker, von denen die Bergleute einige in die Erde getrieben hatten. "Wir schafften es knapp, es war keine Angelegenheit von Minuten, das waren Sekunden, die über Leben und Tod entschieden haben", erzählt Mia Jungmann. Irmgard Steil war damals ein kleines Mädchen von acht Jahren. Auch bei ihr haben sich die Schrecken ins Bewusstsein eingefräst. "Das Zuhause in Trümmern, und am schlimmsten waren die sogenannten Christbäume, mit denen die alliierten Bomber ihre Ziel aufhellten. - Taghell, gleißend, war das, furchtbar." Die Bomberflotten der Amerikaner und der Engländer haben als Markierung für nachfolgende Bomber Leuchtmittel abgeworfen, um die Abwurfstellen zu kennzeichnen. Damit haben sie den nachfolgenden Bomberbesatzungen ein Signal gesetzt, wo erfolgreich viele Bomben zu Tod und Zerstörung führen konnten. Weil diese Leuchtmittel von unten betrachtet stufenförmig zu erkennen waren, haben die Betroffenen diese Lichter als "Christbäume" bezeichnet, berichtet Arthur Speicher:

"Wenn ich heute die Ritterstraße dreimal am Tag entlang fahre, denke ich dreimal an diesen 5. Oktober 1944." Groll, gar Hass gegen die Amerikaner empfinden die vier von der Ritterstraße nicht, damals nicht und heute erst recht nicht. "Die haben uns befreit", lautet der Tenor. Ob die vier Zeitzeugen jüngeren Menschen etwas mit auf den Weg geben möchten, will der Reporter wissen. "Klar", sagen sie, "den Frieden erhalten, mit aller Kraft".

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