Eintauchen in alte Archive Wenn das Gestern ins Heute eingreift

Püttlingen · Für seine zahlreichen historischen Arbeiten erhielt Pfarrer und Historiker Professor Joachim Conrad das Bundesverdienstkreuz.

 Kultusminister Ulrich Commerçon (links) überreichte im Auftrag des Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz am Bande an Pfarrer Conrad. Die Zeremonie war im Museum Uhrmachers Haus in Köllerbach.

Kultusminister Ulrich Commerçon (links) überreichte im Auftrag des Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz am Bande an Pfarrer Conrad. Die Zeremonie war im Museum Uhrmachers Haus in Köllerbach.

Foto: BeckerBredel

 Vor uns liegt ein kleiner Schatz auf dem Tisch. Eine Bibel in deutscher Sprache aus dem Jahr 1483, somit 51 Jahre vor Martin Luthers erster kompletter Bibelübersetzung erschienen. „Es ist aber keine gute Übersetzung“, sagt Professor Joachim Conrad. Der evangelische Pfarrer aus dem Püttlinger Stadtteil Köllerbach ordnet gerade das Archiv des Stiftes St. Arnual, bevor es ins Landesarchiv überführt wird. Abgesehen von besonderen Büchern sind das kistenweise Dokumente und Papiere. Und es ist bei weitem nicht das erste Archiv, das sich Conrad vorknöpft. Stattlich auch die Zahl der Veröffentlichungen des promovierten Kirchenhistorikers: etwa 80 Bücher, rund 300 wissenschaftliche Aufsätze und 150 mehrseitige Lexika-Artikel.

Auch der steinernen Geschichte widmet sich der 57-Jährige, nicht zuletzt der Sanierung der historisch bedeutenden spätgotischen Martinskirche in Köllerbach und der Sanierung des historischen Pfarrhauses. Conrad: „Wahrscheinlich werde ich als Bauwurm in die Geschichte der Kirchengemeinde eingehen.“ Jedes Semester hält er eine Vorlesungs- oder Seminarreihe  an der Uni, und er hat 2007 die Internet-Seite „Saarland Biographien“ ins Leben gerufen, mit inzwischen 4600 Biographien von (verstorbenen) saarländischen Persönlichkeiten, viele hat Conrad selbst verfasst (www.saarland-biografien.de).

Für sein umfangreiches Engagement wurde dem Professor, der aus  Saarbrücken-Gersweiler stammt, nun das Verdienstkreuz der Bundesrepublik verliehen. Kultusminister Ulrich Commerçon übergab ihm die Auszeichnung in Uhrmachershaus in Köllerbach. Conrad hat die Liebe zur Geschichte früh entdeckt, noch bevor er Latein und Altgriechisch lernte. Als Grundschüler wollte er Archäologe werden, „und da gibt es diese Ruine der Aschbachkirche in Gersweiler, die später ein Pesthospital war – da wurde der Opa genötigt, für mich Zeichnungen zu machen.“

„Geschichte“, sagt Conrad, „ist für mich nichts Vergangenes. Wir können ohne Geschichte die Gegenwart nicht verstehen und werden ohne Geschichte die Zukunft nicht verstehen.“ Ob aber der Mensch wirklich aus der Geschichte lernt, sei leider ein anderes Thema. Auch aus der eigenen Heimat fehle es oft an Geschichtswissen, „dabei ist das Saarland voll interessanter Dinge“, schon vor über 30 Jahren hat er mit zwei Freunden das Buch „Burgen und Schlösser an der Saar“ geschrieben, noch davor „Mittelalterliche Klöster an der Saar“.

Sobald es um Geschichte geht, sprudelt der Pfarrer geradezu über, „der Virus sitzt“, bekennt er. Dass er aber irgendwann so viel mit Archiven zu tun hat, „das hätte ich mir auch nicht träumen lassen“. So ist Conrad Mitbegründer des Archivverbandes des Saarlandes, Leiter des evangelischen Zentralarchivs in Riegelsberg-Walpershofen und Archivpfleger des Kirchenkreises, für den er auch zahlreiche kirchliche Ämter innehat. Auch ist er Mitbegründer des evangelischen Kindergartenverbandes. Er unternimmt Fahrten mit der Gemeinde. Und er hält nie eine Predigt zweimal. Da stellt sich die Frage: „Wann schlafen Sie eigentlich?“ „Selten vor zwei Uhr.“ Verheiratet ist der Pfarrer auch nicht („Ich wäre längst geschieden“) – bei diesem Arbeitspensum. Allein ein Kirchenarchiv auf Vordermann zu bringen, braucht so etwa 600 Arbeitsstunden, – angefangen mit den Heftklammern („die dürfen Sie überall wegmachen, weil der Rost dem alten Papier schadet“), über das akribische Aussortieren („etwa 60 Prozent der Papierbestände gehören in die Tonne“) und das Restaurierenlassen besonderer Bücher, bis hin zum übersichtlichen Ordnen des Archivs und dem Erstellen des Findebuchs (Repertorium). Darin hält Conrad zunächst die jeweilige Kirchengeschichte fest, dann geht es, möglichst mit Bild, um die früheren Pfarrer, und schließlich folgt das Verzeichnis der alten Kirchenunterlagen, das dem Suchenden verrät, in welchem Regal und in welchem Karton des Kirchenarchivs die entsprechenden Papiere lagern.

 „Wir können ohne Geschichte die Gegenwart nicht verstehen“, sagt Pfarrer Professor Joachim Konrad, hier vor seiner spätgotischen Martinskirche in Köllerbach, deren Sanierung er vorantreibt. Auch taucht er tief in alte Archive ein, konserviert so Wissen und findet mitunter bemerkenswerte Schriften.

„Wir können ohne Geschichte die Gegenwart nicht verstehen“, sagt Pfarrer Professor Joachim Konrad, hier vor seiner spätgotischen Martinskirche in Köllerbach, deren Sanierung er vorantreibt. Auch taucht er tief in alte Archive ein, konserviert so Wissen und findet mitunter bemerkenswerte Schriften.

Foto: Iris Maurer
 Eine Bibel in deutscher Sprache aus dem Jahr 1483, hier ein Ausschnitt aus der Offenbarung. Das Werk gehört zum Archiv des Saarbrücker Stifts St. Arnual. Pfarrer Conrad ordnet dieses Archiv neu.

Eine Bibel in deutscher Sprache aus dem Jahr 1483, hier ein Ausschnitt aus der Offenbarung. Das Werk gehört zum Archiv des Saarbrücker Stifts St. Arnual. Pfarrer Conrad ordnet dieses Archiv neu.

Foto: Marco Reuther / SZ/Marco Reuther

Und was ist das älteste Stück im Archiv seiner eigenen Kirchengemeinde Kölln? „Die Kirchenbücher beginnen 1686“, dort wurde das Gemeindeleben festgehalten. Den allerersten Eintrag, einen Todesfall, kennt Conrad auswendig: „Ist ein alt Weib zu Etzenhofen gestorben, ist dem Schuhmacher von Dilsburg seine Frau.“ Wie sie hieß? „Tja. Das einzutragen, hat man wohl vergessen.“

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