Einst tanzten Narren auf dem Tisch40 Jahre berichtete Günter Bläs für die Saarbrücker Zeitung

Püttlingen. Als Günter Bläs Mitte der 1960er Jahre seinen Dienst im Rathaus Püttlingen antrat, zuerst im Steueramt, später im EDV-Bereich, da war die närrische Welt noch in Ordnung. Dass die Narren einen Rathaussturm ausfallen lassen, wäre undenkbar gewesen

Püttlingen. Als Günter Bläs Mitte der 1960er Jahre seinen Dienst im Rathaus Püttlingen antrat, zuerst im Steueramt, später im EDV-Bereich, da war die närrische Welt noch in Ordnung. Dass die Narren einen Rathaussturm ausfallen lassen, wäre undenkbar gewesen. "Ich kann mich an krachende Veranstaltungen im Rathaus erinnern, da tanzten die Narren auf den Tischen, der Stadtrat lud zur Festsitzung, und ein Feuerwerk markierte den Höhepunkt der Rathaussturms." Damals seien die "Geißenreiter", ein Püttlinger Karnevalsverein, federführend für den Rathaussturm verantwortlich gewesen.

Im Rathaus waren vor den Büros Bars und Büffets aufgebaut, die Rathausbelegschaft schenkte Bier, Wein und Schnaps aus, das Rathaus war närrisch geschmückt. Anschließend zog die Narrenschar ins katholische Vereinshaus in Püttlingen, das heute nicht mehr steht. Bläs: "Dort fand der Ball am Hofe des Prinzen statt. Für ihre "Hochwohlgeborenen" ließen sich die Narren tolle Titel einfallen, so hieß einer der Prinzen Willi I. von Süßeck, womit Willi Geibel aus der Bäckerei Geibels Eck gemeint war, oder eine der Prinzessinnen Elisabeth I. von Chickenhill, was auf ihren Geburtsort "Hahnenhiwwel" anspielte. Damals gab es auch ein Ordensfest im Januar, auf dem Sessionsorden verliehen wurden, zusätzlich zu den Prinzenorden."

In den 1970er Jahren übernahm die Festgemeinschaft Püttlinger Vereine von den "Geißenreitern" die Organisation der närrischen Tage, erzählt Günter Bläs weiter über die Geschichte der Püttlinger Rathausstürme.

"Nachdem das Trimm-Treff gebaut war, zogen nach der Rathauserstürmung alle Narren zur Festhalle an der Köllerbacher Banngrenze. Zeitweise wurde statt des Verwaltungssitzes auch das Trimm-Treff erstürmt, doch schnell haben die Narren gemerkt, dass unser schönes Rathaus mehr Flair hat. 1991 fiel wegen des Golfkrieges in Püttlingen sogar die Faasend ganz aus. Umso närrischer wurde in den Jahren danach das Rathaus erstürmt." Doch die Festgemeinschaft löste sich schließlich auf, ein profesioneller Veranstalter bekam die Trimmtreff-Fasenacht übertragen.

Die Absage des Narrenspektakels rund um den Verwaltungssitz betrübt Bläs, für ihn sieht es so aus: "Brauchtum und Tradition verschwinden so langsam aus unserer Kultur." Er glaubt: "Das Interesse am Gemeinwohl lässt nach, keiner will sich mehr für andere engagieren. Wo führt das bloß hin?" Püttlingen. Günter Bläs berichtete ab Mitte der 1960er Jahre auf Wunsch des damaligen Bürgermeisters Hans Koch für die Saarbrücker Zeitung aus dem Rathaus. Für den gelernten Industriekaufmann war der Rathaussturm ein wahrer "Kampftag". "Gefeiert wurde oft bis in die Nacht. Gegen Mitternacht habe ich mich an meine Schreibmaschine gesetzt, habe den Artikel geschrieben, bin mit dem ersten Frühbus nach Völklingen, von dort mit dem Zug nach Saarbrücken, dann zu Fuß bis zum Verlagsgebäude der Saarbrücker Zeitung, hab' dort den Artikel abgegeben, bin dann zurück und saß um 8 Uhr morgens an meinem Schreibtisch im Rathaus. Später hat meine Frau Brigitte mich im Auto gefahren. Ich habe auf dem Beifahrersitz angefangen, meinen Artikel zu schreiben." Bis zu seiner Pensionierung 2004 blieb Günter Bläs der Saarbrücker Zeitung und auch der Stadt Püttlingen als "Archivar" treu. Über 40 Aktenordner aus seiner Zeit als freier Mitarbeiter der SZ hat er kürzlich der Stadt Püttlingen vermacht. In seiner Freizeit hat der mittlerweile 70-jährige von der Ritterstraße mit seiner Frau Brigitte fast die ganze Welt bereist. mj

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