"Einen steilen Berg erklommen" Kommunist Franz Hertel zieht sich nach 40 Jahren aus dem Püttlinger Stadtrat zurück Von Vertreibung und Krieg geprägt

45 Jahre in der Politik, 40 davon als Chef der DKP im Püttlinger Stadtrat. 345 Ratssitzungen, tausende Ausschusssitzungen und Termine: Hat sich die Basisarbeit des Kommunisten Franz Hertel gelohnt?Franz Hertel: Ich denke schon, dass wir erfolgreich waren. In meiner letzten Sitzung am Mittwoch habe ich gesagt: "Ich fühle mich wie jemand, der einen steilen Berg erklommen hat und sich nun von der höchsten Stelle aus umzuschauen beginnt." Ich bin zufrieden.

 Es wird ruhiger im Püttlinger Stadtrat: Franz Hertel (DKP) zieht sich aus der ersten Reihe der Kommunalpolitik zurück. Keiner der anderen Räte war so lange dabei wie er. Foto: Becker & Bredel

Es wird ruhiger im Püttlinger Stadtrat: Franz Hertel (DKP) zieht sich aus der ersten Reihe der Kommunalpolitik zurück. Keiner der anderen Räte war so lange dabei wie er. Foto: Becker & Bredel

45 Jahre in der Politik, 40 davon als Chef der DKP im Püttlinger Stadtrat. 345 Ratssitzungen, tausende Ausschusssitzungen und Termine: Hat sich die Basisarbeit des Kommunisten Franz Hertel gelohnt?Franz Hertel: Ich denke schon, dass wir erfolgreich waren. In meiner letzten Sitzung am Mittwoch habe ich gesagt: "Ich fühle mich wie jemand, der einen steilen Berg erklommen hat und sich nun von der höchsten Stelle aus umzuschauen beginnt." Ich bin zufrieden.

Was haben Sie und ihre Mitstreiter bewirkt?

Hertel: Es ist schwer zu behaupten, dies und jenes hat die DKP "gemacht". Unser Verdienst ist es, das öffentliche Leben in Püttlingen politisiert zu haben. Wir haben große Zusammenhänge von Kriegseinsätzen oder Sozialabbau auf Gemeindeebene bewusst gemacht. Wir haben bei allem Neuen nach Hintergründen gefragt: Wem nutzt es, was kostet es? Das hat sich sonst keiner getraut. Hier ist ja viel gemauschelt worden.

Fanden sie, dass die Wähler ihre Arbeit immer honorierten?

Hertel: Mal abgesehen von 1975, wo wir an der Fünf-Prozent-Klausel scheiterten, haben wir immer zwischen 6 bis 7 und 15 Prozent gelegen. Das war in Ordnung. Die Leute haben gewusst, dass sie sich auf uns verlassen können. Wir sind nie umgefallen und sind nie Bündnisse eingegangen, bei denen wir uns verbiegen mussten.

Sie haben aber doch auch mal abgestimmt wie die CDU-Mehrheit, oder?

Hertel: Ja, in bestimmten Sachfragen, wo wir zustimmen konnten. Prinzipiell waren wir immer Opposition, manchmal die einzige. Es war oft so, dass die anderen Parteien DKP-Anträge verwarfen und mit Schamfrist als eigene Anliegen zur Abstimmung einbrachten. Ich erinnere mich auch an eine Ratssitzung im damaligen Gemeindesaal. Es waren viele Zuschauer da. Die CDU wollte den Strompreis "um ein paar Pfennige" hochsetzen. Ich habe dagegen protestiert und vorgerechnet, wie sich "ein paar Pfennige hier und da" für kleine Leute zu großen Summen auftürmen. Da haben sogar CDU-ler dagegen gestimmt, weil der Saal auf meiner Seite war. Das hat mich sehr gefreut.

Existiert die kommunistische Idee immer noch?

Hertel: Natürlich. Wir wollen eine gerechterere Gesellschaft mit gesicherter Arbeit, Gesundheit und Bildung, wo der Mensch im Mittelpunkt steht.

Die DKP in Püttlingen und ihre Erfolge sind vor allem aber sie, Franz Hertel, als Person. Wie wurden sie so, wie sie sind?

Hertel: Vertreibung und Krieg habe ich schon als Kind aus eigener Anschauung erlebt. Meine Tanten und Onkel waren in Konzentrationslagern oder emigriert. Meinen 18. Geburtstag beging ich im Gefängnis von Coburg, nachdem ich ohne Reisepass von einem Jugendtreff in Leipzig zurück kam. So etwas prägt. Ich bin seit 64 Jahren Kommunist.

Was kommt nach Ihnen?

Hertel: Ich ziehe mich ja nur aus dem Stadtrat zurück, bleibe aber als Berater, verdi-Gewerkschafter und Zeitungsmacher unserer DKP-Stadtzeitung "pro + kontra" tätig. Ich kann ja gar nicht aufhören, sonst wäre ich nicht ich. Einmal hat ihre Zeitung sinngemäß geschrieben: "So lange Franz Hertel da ist, ist was los."

Am Sonntag, 20. Oktober, 11 Uhr, wird Franz Hertel offiziell im Schlösschen verabschiedet.

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