Erster Weltkrieg Elsass Köllertal Eine abenteuerliche Reise in der und aus der Vergangenheit

Püttlingen · Vier Püttlinger „Gruwweschuh-Rompilger“ von 1933 und die Völkerverständigung von heute. – Wie Jahrzehnte in einer Geschichte zusammenfließen.

 Die Püttlinger Rompilger 1933 während ihrer Zwischenstation bei Familie Lantz im elsässischen Pulversheim : rechts steht Peter Scherer, links steht Max Heckmann, vor ihm kniet Peter Job, der vierte Romwanderer, Josef Meyer, hat fotografiert. Peter Scherer hatte die Familie 1912 während seines Militärdienstes im damals deutschen Elsass kennengelernt.

Die Püttlinger Rompilger 1933 während ihrer Zwischenstation bei Familie Lantz im elsässischen Pulversheim : rechts steht Peter Scherer, links steht Max Heckmann, vor ihm kniet Peter Job, der vierte Romwanderer, Josef Meyer, hat fotografiert. Peter Scherer hatte die Familie 1912 während seines Militärdienstes im damals deutschen Elsass kennengelernt.

Foto: Foto: Josef Meyer/Repro: Günter Meyer 

Gerade erst haben die Präsidenten ihrer jeweiligen Länder, Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier, im Elsass die erste deutsch-französische Gedenkstätte zu den Schrecken des Ersten Weltkriegs der Öffentlichkeit übergeben. Sie erinnerten an die 30 000 Soldaten, die in den Schützengräben am Hartmannsweilerkopf in den Vogesen starben. Eine spannende, weit in die Vergangenheit reichende Geschichte der Völkerverständigung, die ebenfalls teils am Hartmannsweilerkopf und zudem in Rom spielt, gibt es aber auch aus Püttlingen zu berichten.

Manche Verbindungen sind alt, emotional und halten ewig. Wie der Elsässer Geschichtsverein Pulversheim „seinen“ Ulanen von 1912 wieder aufleben lässt, wie vier gottesfürchtige Saarländer 1933 in genagelten Gruwwenschuhen per Pedes über die Alpen nach Rom pilgerten, und was das alles mit der deutsch-französischen Freundschaft und mit heutigen Püttlingern zu tun hat, davon handelt diese Geschichte.

„Gottvertrauen ersetzte das Geld“. Das schrieb die Saarbrücker Zeitung im April 2000. Hintergrund war ein alter, 400 Seiten umfassender Reisebericht, den der Püttlinger Günter Meyer im Nachlass seines Vaters gefunden hatte. In diesem Buch war ein großes Abenteuer exakt beschrieben; es war ein ebenso kühnes wie naiv anmutendes Unternehmen aus dem „Heiligen Jahr 1933“. Darin schildert der Püttlinger Peter Scherer, wie er sich gemeinsam mit seinen Kumpeln Peter „Pitt“ Job, dem examinierten Dorfbader Max Heckmann und dem Studenten, Kunstmaler und bereits erwähnten Josef Meyer zu Fuß nach Rom aufmachte.

„Geld hatten wir keins. Dafür knurrten unsere Mägen das eine oder andere Mal im vielstimmigen Chor“, schreibt der Autor. Geschlafen wurde im Heu, gebadet im Gletscherwasser, man labte sich „bis zum Abwinken“ an frischer Schweizer Milch, spielte die Mundharmonika gegen den Reiseblues und erreichte mit viel Fortune,  Bauernschläue, dem Charme der Jugend nach drei Monaten tatsächlich die „Ewige Stadt“ – wenn auch mit diversen Aufregern plus argen Fußmalaisen.

Dazu, dass man es wirklich bis Rom geschafft hatte, schreibt Autor Scherer: „Das lateinische Sprichwort ‚Fortess fortuna adjuwat’ – ‚Den Tapferen hilft das Glück’, fand in uns seine volle Bestätigung“. In Rom wohnten die „Gruwwenschuh-Pilger“ in einem Kloster, schnupperten in Papst-Audienzen und fanden schließlich, mit Hilfe der Deutschen Gesandtschaft in Rom, zum nötigen Reisegeld in die Heimat zurück.

Soweit, so gut! Die Geschichte findet aber ihre Fortsetzung, sowohl in der Vergangenheit als auch in die Gegenwart. Denn bereits im Jahr 1912 hatte der erwähnte Buchschreiber Scherer in seinem Ulanenregiment im elsässichen Pulversheim, damals Teil des Deutschen Kaiserreiches, seinen Wehrdienst geleistet (Ulanen waren bewaffnete Reiter). Dort hatte er sich mit einer Familie Lantz angefreundet, insbesondere mit der hübschen Tochter des Hauses. Und rund 20 Jahre später, im Laufe der Romreise, treffen die vier Püttlinger Pilger auch in eben jenem Pulversheim ein. Es ist 22 Uhr in stockfinsterer Nacht. Aber dennoch findet Scherer auf Anhieb das Haus Lantz. In der Stube brennt noch Licht. Scherer klopft an den Laden. Freudiges Wiedersehen, Umarmungen, ein spätes, umso willkommeneres Nachtessen, Betten – und es wird auch fotografiert.

„Die Geschichte hätte hier enden können, doch 2014 wendet sie sich erneut“, schreiben die französischen Kollegen vom „Journal d`Alsace“ in einem Bericht. Im August 2014 war es nämlich, anlässlich der Gedenkfeiern zur 100. Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkrieges, auf dem Hartmannsweilerkopf bei Pulversheim, dass die alte Geschichte wieder auflebte. Mit dabei waren der damalige französische Präsident François Hollande, der damalige Bundespräsident Joachim Gauck, die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sowie das Püttlinger Ehepaar Rita und Günter Meyer. Eröffnet wird damals, im Zuge einer Museumseröffnung, auch eine Ausstellung, in der es unter anderem auch um die „Püttlinger Gruwwenschuh-Pilgerreise“ geht. Mit Hilfe moderner Technik wurde dabei auch eine originelle Idee umgesetzt: Eine Fotografie  von Peter Scherer erhält eine digitale „Verjüngungskur“, und mittels Fotomontage wird ihm eine originale Ulanen-Uniform „angezogen“. Gerahmt wurde das schmucke Bild des stolzen Ulanen-Reiters dann seiner Enkelin, der Püttlingerin Annemarie Altmeyer, geborene Scherer, zu deren 70. Geburtstag als Überraschungsgeschenk übergeben. Und Günter Meyer hat dann, für sein Archiv, die Ereignisse zwischen dem Köllertal, dem Elsass und dem Vatikanstaat akribisch aufgeschrieben und digital gespeichert.

 Gedenkveranstaltung „100 Jahre Kriegsbeginn“ am 4. August 2014 am Hartmannsweilerkopf im Elsass – dort hatte im Ersten Weltkrieg ein verlustreicher Stellungskrieg getobt. Die damaligen Präsidenten, François Hollande (Frankreich) und Joachim Gauck (Deutschland), eröffneten die erste deutsch-französische Gedenkstätte. 

Gedenkveranstaltung „100 Jahre Kriegsbeginn“ am 4. August 2014 am Hartmannsweilerkopf im Elsass – dort hatte im Ersten Weltkrieg ein verlustreicher Stellungskrieg getobt. Die damaligen Präsidenten, François Hollande (Frankreich) und Joachim Gauck (Deutschland), eröffneten die erste deutsch-französische Gedenkstätte. 

Foto: Meyer
 Günter Meyer (links) mit dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck im August 2014.

Günter Meyer (links) mit dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck im August 2014.

Foto: Meyer

Bei Interesse stellt Günter Meyer Teile seiner Dokumentation und den digitalisierten Reisebericht der Rompilger zur Verfügung, Tel. (0 68 98) 6 56 39.

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