Dreck macht Speck

Köllerbach. Seit mindestens 30 Jahren sind Freiluft-Rockmusikfestivals so gut erforscht wie kaum etwas Zweites

Köllerbach. Seit mindestens 30 Jahren sind Freiluft-Rockmusikfestivals so gut erforscht wie kaum etwas Zweites. Die Befunde, weltweit: allenfalls mittelmäßige Musik von mäßig inspirierten Gruppen, hohe Preise für mittelmäßige Ware und schlechten Service, mangelnde Hygiene, dafür aber wundervolle Atmosphäre, die sich aus Bereitschaft zum zweitägigen Abhängen in Friedfertigkeit, dem Kontakt mit Geistesverwandten und dem Genuss von berauschenden Mitteln zusammenbraut. Vor allem Alkohol. Der Besuch einer solchen Veranstaltung gilt als Pflicht für jeden zwischen Pubertät und Erwachsenwerden und wird in Deutschland sogar politisch hofiert. Für Ältere ist das eher nichts mehr, Rocco del Schlacko am Freitag und Samstag auch nicht. Jedenfalls nichts für Freunde von Rockmusik und nichts für Menschen mit ästhetischen Ansprüchen oder angegriffener Gesundheit. Die ganzen Turbonegros, Donots und wie sie sonst noch hießen, spielten in Köllerbach ihre ausgelatschten Stiefel runter, bestenfalls routiniert. Stilbildend oder richtig gut waren sie aber ohnehin nie, warum hätten sie ausgerechnet in diesem vom freitäglichen Regen und organisatorischen Nachlässigkeiten angerührten Schlammbad groß auftrumpfen sollen? Der Sauwasen war im wahren Wortsinn sauisch, verschlammt, an vielen Stellen versifft und widerlich. Die Toilettenanlagen stanken derart zum Himmel, dass sich die Besucher in die Büsche schlugen. Vorher traten sie Zäune nieder. Würde einer Bevölkerung nach einer Überschwemmung solch ein Platz als Notlager zugewiesen, es würden sich Menschenrechtsorganisationen empören. Hier verbietet sich das Nörgeln allerdings, weil ja alles freiwillig war und zum Lehrinhalt gehörte. Auch die Begegnung mit ein paar wenigen ruppigen, Schlamm werfenden und dummes Zeug grölenden Zeitgenossen zählte zum verpflichtenden Rocco-Programm. Vielleicht sitzen die Kontrahenten in wenigen Jahren zusammen im Gemeinderat. Im übrigen erlebt man nicht oft, dass sich die Leute, wie beim Rocco geschehen, entschuldigen, wenn sie einem in die Hacken getreten haben. Und ein Festival, bei dem alles reibungslos klappt, wäre vermutlich auf der Stelle erledigt. Nächstes Jahr werden sie fast alle wiederkommen. Denn auch junge Leute fallen gern der Verklärung von Zuständen anheim. Ihre Eltern werden ihnen sagen, dass eine Einheit Rocko zu einer fünf Jahre früher eintretenden Bandscheibenproblematik führen wird, aber das glaubt heute keiner, weil es noch 24 Jahre hin ist.

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