Die Spuren der "frühen Köllertaler"

Köllertal. Die Hügelgräber im Köllerbacher Ortsteil Herchenbach warten noch auf die Wissenschaft. "Da müssen Fachleute ran", meinte der Historiker Michael Müller bei einem Vortrag in der Heimatstube in Heusweiler. Um 1900 gab es erste Ausgrabungen in Herchenbach, in den 80er Jahren machten sich Archäologen intensiv an die Arbeit

 Ein Nachbau des keltischen Wagengrabs von Herchenbach wurde im Dezember 2006 der Öffentlichkeit übergeben (Foto), von links: Mohamed El Kawash, Heiko Wahl, Karl-Heinz Lieser und Marc Philippi. Im Original war, innerhalb eines Hügels, der Leichnam des angesehenen Kelten in einem hölzernen Wagen gebettet, unter dem sich Grabbeigaben fanden. Fotos: Jenal

Ein Nachbau des keltischen Wagengrabs von Herchenbach wurde im Dezember 2006 der Öffentlichkeit übergeben (Foto), von links: Mohamed El Kawash, Heiko Wahl, Karl-Heinz Lieser und Marc Philippi. Im Original war, innerhalb eines Hügels, der Leichnam des angesehenen Kelten in einem hölzernen Wagen gebettet, unter dem sich Grabbeigaben fanden. Fotos: Jenal

Köllertal. Die Hügelgräber im Köllerbacher Ortsteil Herchenbach warten noch auf die Wissenschaft. "Da müssen Fachleute ran", meinte der Historiker Michael Müller bei einem Vortrag in der Heimatstube in Heusweiler. Um 1900 gab es erste Ausgrabungen in Herchenbach, in den 80er Jahren machten sich Archäologen intensiv an die Arbeit. Fünf Grabhügel mit bis zu zehn Grabstätten wurden erkundet. Darunter ein großes Wagengrab, das darauf hin deutet, dass es sich um einen bedeutenden Menschen, vielleicht um einen Stammesfürsten handelte. Die Rekonstruktion des Grabes in einem angeschnittenen Sichthügel kann man beim Spaziergang über den historischen Püttlinger Wanderweg besichtigen. Auch in den anderen Gräbern wurde man fündig: Fußringe, Ohrringe, Fibelspangen, Broschen kamen zum Vorschein. Die Ausgrabungen zogen damals viel Publikum an. Danach geriet die Sache ins Stocken.Die Funde sollten schon in den 90er Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Doch die Ausstellung lässt immer noch auf sich warten. Grund dafür ist, so Müller, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung fehlt. So lagert alles schön verpackt in Kisten hinter zwei dicken Stahltüren in einem Magazin in Reden. Auch vor Ort ging die Arbeit nicht weiter. Obwohl man weitere Grabhügel unter dem Waldgestrüpp zwischen Riegelsberg und Elm vermutet. Ganz zu schweigen von den dazugehörigen Siedlungen.

Ein Grund dafür, dass auf die Grabungen unter Leitung von Mohamed El Kawash keine weitere wissenschaftliche Untersuchung folgte, war, so Michael Müller, dass es sich damals um zeitlich begrenzte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gehandelt hatte. So gibt es über die Kelten im Köllertal eigentlich nichts Neues zu berichten. Oder doch?

Die Kelten sind in Mode. Das Interesse für sie ist da. "Sie haben Konjunktur", erklärte Müller, und das liege vielleicht daran, dass man in Europa vom Nationalstaatlichen abrücke und in größeren Dimensionen denke. Immerhin gehen Stadtgründungen wie Paris, Turin, Budapest und Ankara auf die Kelten zurück. Sie siedelten in Spanien ebenso wie in Wales. Sie hatten eine gemeinsame Sprache und Kultur. Events, wie die Keltenausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte, zollen dem Keltenboom Tribut. Man baut keltische Dörfer nach und feiert keltische Frühlingsfeste. Rund um Herchenbach hält man sich noch zurück. Hier wuchert man noch nicht mit seinen "Funden". Dabei ist das Wagengrab laut Michael Müller das einzige seiner Art im südlichen Saarland.

Da die Kelten nichts Schriftliches hinterlassen haben, kann sich die Forschung nur auf Ausgrabungen und die Aufzeichnungen der Griechen und Römer stützen. Im Saarland ist die Quellenlage mau. Abgesehen von den Heiligenlegenden des Wendalinus gibt es kaum etwas. Fest steht: wo Gräber sind, lebten auch Menschen. "Die Kelten waren clever", meint Müller. Sie hätten sich immer da niedergelassen, wo kein Hochwasser hinkam, aber eine Quelle oder ein Bach nahe waren.

Nach den keltischen Wohnstätten im Köllertal wurde in der Vergangenheit schon gesucht. Bislang hat aber noch keiner die Siedlungsbereiche entdeckt. "Was ist aus den Kelten im Köllertal geworden?", will ein Zuhörer wissen. In welchem Maße sie sich mit den Römern vermischten, sei schwer abzuschätzen, meint Müller, aber: "Sie haben sich nicht in Luft aufgelöst, und sie wurden nicht alle vernichtet."

Hintergrund

Mit einem aufwendigen Bestattungsritus sollte bei den Kelten die besondere Stellung des Verstorbenen dokumentiert werden. Unter dem Räderwagen aus Holz standen Schüsseln für die Grabbeigaben. Ob es sich in Herchenbach wirklich um einen Stammesfürsten handelte, bleibt zu beweisen. Mehrere Familien hätten in Sippen zusammengelebt. Jede Sippe sei autark gewesen und habe einen lokalen Herrscher bestimmt, erläuterte Michael Müller. hof

Auf einen Blick

 Einen ungewöhnlichen Besucher trafen wir im September 2009 am Herchenbacher Hügelgrab: Einmal im Jahr wandert Hans-Jürgen Matznohr, der sich dann "Ian-Jonathan, der weiße Schatten" nennt, zu keltischen Kultstätten. Seine Kleidung aus Leder und Leinen ist dabei keltischer Kleidung nachempfunden.

Einen ungewöhnlichen Besucher trafen wir im September 2009 am Herchenbacher Hügelgrab: Einmal im Jahr wandert Hans-Jürgen Matznohr, der sich dann "Ian-Jonathan, der weiße Schatten" nennt, zu keltischen Kultstätten. Seine Kleidung aus Leder und Leinen ist dabei keltischer Kleidung nachempfunden.

Keltenspaziergang: Der Heimatkundliche Verein Köllertal besichtigt am 14. Juni das Wagengrab in Herchenbach. Treffpunkt ist um 18 Uhr vor dem Hof am Forst. Hans-Joachim Klein, der Vorsitzende des Vereins, leitet den Keltenspaziergang. Besucher sind willkommen. hof

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