Big Mama bringt ihre Schützlinge ins neue Zuhause

Köllerbach · Sie sind geflohen, allein, ohne ihre Familien. Jungs im Alter zwischen 15 und 18 Jahren haben nach ihrer Ankunft im Saarland zunächst in einer Notunterkunft in Köllerbach gelebt. Jetzt ziehen sie nach St. Wendel um. Dort hat die Saarland Heilstätten GmbH ein Clearinghaus, eine Aufnahmestelle, für die jungen Flüchtlinge eingerichtet.

Ein Zettel mit arabischen Schriftzeichen hängt an der Tür. Per Hand ist darauf auch das Wort "Willkommen" geschrieben. Direkt darüber ist das offizielle Schild angebracht: Clearinghaus St. Wendel . Im dritten Stock eines ehemaligen Kasernengebäudes in St. Wendel laufen geschäftig Jugendliche über den Gang. Hier sollen sie bald zuhause sein. Noch ist alles fremd. Auch die deutsche Sprache bereitet den Jungs im Alter von 15 bis 18 Jahren noch Schwierigkeiten. Deshalb wird alles in Englisch und Arabisch übersetzt. Denn immerhin geht es an diesem Montagnachmittag um sie.

Mit dem Standort in St. Wendel hat das Saarland nun drei Aufnahmestellen für unbegleitete jungendliche Flüchtlinge . Träger ist dieses Mal die Saarland Heilstätten GmbH (SHG). Deren Geschäftsführer Alfons Vogtel hat das Clearinghaus innerhalb von vier Wochen realisiert. Entgegengekommen ist ihm dabei die Tatsache, dass die SHG noch Räume in St.Wendel besitzt. Zuletzt waren hier Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Problemen wie Depressionen oder Angstzuständen untergebracht. Nun ziehen junge Männer aus Syrien, Afghanistan und Eritrea ein, die aus der Heimat geflohen und teils traumatisiert sind.

Die Grundausstattung sei vorhanden, sagt Vogtel. Trotzdem spricht er noch von Improvisation. "Die Flüchtlinge werden in Doppelzimmern mit Toilette und Dusche untergebracht." Mit wem sie ein Quartier beziehen, können die Jungs selbst wählen. Sie sind sich nicht mehr fremd, hatten in den vergangenen Wochen Gelegenheit, sich anzufreunden. Untergebracht waren sie in einer Turnhalle in Köllerbach.

Dort kümmerte sich das Deutsche Rote Kreuz um die jungen Flüchtlinge . Einsatzleiter Roland Post erinnert sich noch daran, wie ängstlich und zurückhaltend die Vertriebenen bei ihrer Ankunft im Saarland gewesen seien. "Aber wenn man auf sie zugeht, dann tauen sie rasch auf, erzählen von ihrer Heimat und ihrer Flucht", sagt Post. Fünf Wochen lang waren die DRKler täglich rund um die Uhr mit den Jugendlichen zusammen. Das verbindet. Und so ist Post zwar froh, dass die Jungs nun gut unterkommen in St. Wendel .

Aber es ist auch viel Wehmut in der Stimme. Die jungen Flüchtlinge seien ihm ans Herz gewachsen. Er erinnert sich an die Abende, als die Jugendlichen mit den Betreuern zusammensaßen und gemeinsam sangen. "Manchmal schallte der Applaus aus umliegenden Gärten zu uns rüber. Der Zuspruch in Köllerbach war groß."

Applaus gibt es an diesem Montagnachmittag von den Gästen, die zur Eröffnung des Clearinghauses gekommen sind. Darunter auch Saar-Sozialministerin Monika Bachmann (CDU ) und St. Wendels Bürgermeister Peter Klär (CDU ). Denn spontan greift Roland Post zur Gitarre. Zusammen mit den Jungs singt er "Ich liebe Dich, Big Mama, ich liebe dich so sehr." Mit einem Lächeln auf den Lippen stimmen die Jugendlichen in den deutschen Text ein. Und dann wird sie liebevoll geherzt, ihre Big Mama. Das ist nämlich keine Geringere als Gaby Schmidt vom DRK, die sich ebenfalls in Köllerbach um die Flüchtlinge gekümmert hat.

Eine der neuen Bezugspersonen ist Christian Hertel, der das Clearinghaus in St. Wendel leitet. Der Sonderpädagoge erwartet bis Freitag 25 Jugendliche. Nach und nach beziehen diese ihr neues Zuhause. Insgesamt ist für knapp 30 Flüchtlinge Platz. Sieben feste Mitarbeiter und 30 Psychologie-Studenten im Masterstudiengang sorgen sich im Schichtdienst um die jungen Menschen. Zunächst gelte es, Normalität zu schaffen. "Es gibt eine klare Tagesstruktur, und in den ersten Tagen haben die Jungs Gelegenheit, St. Wendel kennen zu lernen", sagt Hertel. In der Folge wolle sein Team auch Aktivitäten - ob sportlich oder kreativ - anbieten, wobei den jungen Männern auch genügend Zeit bleibe, ihre Freizeit selbst zu gestalten. Sprachkurse und Schule sind die nächsten Herausforderungen, die anstehen. Wenn die Betreuer die Flüchtlinge besser kennen gelernt haben, werde man sehen, wie stark der Einzelne traumatisiert ist, sagt Hertel.

Einer der Jungs umarmt Roland Post. Deutet ihm, dass er wieder mit ihm nach Köllerbach gehen wolle. Doch die Unterkunft in der Turnhalle wird es bald nicht mehr geben. Die Flüchtlinge haben ein neues Zuhause, müssen sich erneut umstellen. Die ersten sieben wachen heute erstmals in St. Wendel auf - vielleicht mit einem kleinen Lächeln. Die Notunterkunft in der Rathaus-Turnhalle Püttlingen läuft in dieser Woche aus, voraussichtlich am Freitag endet damit der Einsatz des DRK Kreisverbandes Saarbrücken in der Halle. Durch die drei neuen sogenannten Clearing-Häuser, die das Land - wie in St. Wendel - gebildet hat, wird die Turnhalle nicht mehr benötigt und kann damit ab Montag wieder wie üblich genutzt werden. Wegen der Sommerferien ist die Halle allerdings ohnehin - abgesehen von ein paar Ausnahmeregelungen - für die meisten Vereine geschlossen.

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