Prostitution und Corona im Saarland Sexarbeiterinnen fürchten in der Pandemie weiter um Existenz

Saarbrücken · Wie hat sich die Pandemie ausgewirkt auf die Sexarbeit im Saarland? Die Saarbrücker Prostituiertenberatungsstelle Aldona stellte Zahlen vor.

 Viele Prostituierte, die auf dem Straßenstrich gearbeitet haben wie hier in der Dudweiler Landstraße, bieten sexuelle Dienstleistungen jetzt online oder illegal an. Der Straßenstrich war über ein Jahr lang verboten wegen der Pandemie.

Viele Prostituierte, die auf dem Straßenstrich gearbeitet haben wie hier in der Dudweiler Landstraße, bieten sexuelle Dienstleistungen jetzt online oder illegal an. Der Straßenstrich war über ein Jahr lang verboten wegen der Pandemie.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Jede Verschärfung der Corona-Schutzverordnung bedeutet für Sexarbeiterinnen die Gefährdung ihrer Existenz. Auch jetzt bangen sie wieder. Für sexuelle Dienstleistungen gilt die 2 G-Regel (Geimpft oder genesen).

2019 waren 780 Frauen als Prostituierte nach dem Prostituiertenschutzgesetz im Saarland gemeldet, 178 weniger als 2020. So die Zahlen des Statistischen Bundesamtes.  Auch die Zahl gemeldeter Prostitutionsgewerbe ging im Saarland um zehn auf 21 zurück. In Deutschland insgesamt sank die Zahl gemeldeter Prostituierter in diesem Zeitraum von über 40 000 auf knapp 25 000.

Die Saarbrücker Prostituiertenberatungsstelle  Aldona berichtet in dieser Zeit von einem starken Rückgang der Kontakte in der aufsuchenden Beratung. Sprachen die beiden Sozialarbeiterinnen 2019 noch mit 426 Frauen in direktem Kontakt, waren dies 2020 nur noch 81.  Die Anzahl der Beratungen insgesamt aber hat sich im Zuge der Pandemie fast verdoppelt auf 487 im Jahr 2020. Um der Situation Rechnung zu tragen, verlagerte die Beratungsstelle ihr Angebot – wie viele ihrer Klientinnen auch – ins Internet. Man erreiche Frauen nun auch über Facebook, Whatsapp und Instagram.

Der überwiegende Teil der 127 Klientinnen von Aldona stammte 2020 aus Rumänien (35 Prozent), gefolgt von Deutschland (19 Prozent), Bulgarien (14 Prozent) und Polen (10 Prozent). Ging es 2019 bei den Beratungen vor allem um das Prostituiertenschutzgesetz, stand 2020 bei drei Viertel der Frauen die Existenzsicherung ganz oben auf der Liste. „Ab Mitte März bis Anfang August 2020 bestand im Saarland wegen der Pandemie ein Arbeitsverbot für Prostituierte. Und dann wieder von November 2020 bis zum 24. Juni 2021“, erläutert Lisa Klein. Der Straßenstrich sei in dieser Zeit komplett verboten gewesen. „Für die betroffenen Frauen war das eine Katastrophe“, sagt sie. Auch für die gemeldeten Prostituierten, denen Arbeitslosengeld, Sozialleistungen  oder Soforthilfe in dieser Zeit zugestanden haben, sei es oft schwierig gewesen, zum Beispiel Grundsicherung zu beantragen. „Wie schnell das ging, war oft abhängig von den Sachbearbeitern“, so Klein, die  Klientinnen bei diesen Anträgen unterstützte.  Viele der Frauen hätten einen Notfonds oder auch Tafel-Gutscheine in Anspruch nehmen müssen. Ein erheblicher Teil habe ihr Angebot sexueller Dienstleistungen ins Internet verlagert  – und damit unkontrollierbar gemacht.

Nicht zuletzt die geforderte Kontaktnachverfolgung in Bordellen habe Freier abgeschreckt und die Prostitution in die Illegalität getrieben, moniert die Aldona-Beraterin. Dadurch habe auch die Beratungsstelle viele Frauen nicht mehr erreichen können – und als Konsequenz ihr Angebot ebenfalls ins Internet ausgeweitet.  Beratung zum „Umstieg“  in ein anderes Gewerbe (Aldona vermeidet den Begriff „Ausstieg“) suchten 2020 nur acht Prozent der Klientinnen, 2019 waren es noch doppelt so viele. Aus Perspektivlosigkeit?

Prostituiertenberatungsstelle Aldona: Tel. (0681) 37 36 31, unter www.aldona-ev.de und auf Facebook und Instagram.

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