Tausende Platten besitzt der 69-Jährige Er besitzt sogar unveröffentlichte Lieder - So spannend ist die Sammlerleidenschaft von Johannes Müller aus Riegelsberg

Riegelsberg · Johannes Müller aus Riegelsberg ist ein leidenschaftlicher Plattensammler. Tausende Schallplatten und CDs aus aller Welt befinden sich in seiner Kollektion.

 Plattensammler Johannes Müller mit einer seltenen herzförmigen und farbigen LP von Elvis Presley.

Plattensammler Johannes Müller mit einer seltenen herzförmigen und farbigen LP von Elvis Presley.

Foto: Sebastian Dingler

Von Abba bis Zappa hieß es früher, wenn jemand eine große Sammlung an Pop- und Rockmusik besaß. Bei Johannes Müller aus Riegelsberg heißt das anders, nämlich: von Artiphon bis Zonophone. Das sind Namen alter Musikverlage, die einst Schellackplatten mit 78 Umdrehungen pro Minute herausbrachten. Natürlich gab es noch einige Firmen mit den Buchstaben zwischen A und Z, deren Erzeugnisse Müller ebenfalls in Antiquitätengeschäften in Berlin oder auf Flohmärkten erwarb. „Dazu gab es ein Buch, das mich inspiriert hat“, meint der 69-Jährige, dessen Schellack-Begeisterung im Alter von vier Jahren ihren Anfang nahm. „Meine Eltern hatten mich zu einer Tante in den Schwarzwald mitgenommen. Sie hatte eine Musiktruhe mit Schellackplatten. Die ersten Interpreten, die ich auf Schelllack kennenlernte, waren Freddy Quinn und Caterina Valente.“

Die Leidenschaft wurde befeuert, indem der junge Johannes eine Single von Gus Backus („Da sprach der alte Häuptling“) geschenkt bekam. Ab da gab es praktisch kein Halten mehr. Auf der ganzen Welt machte sich Müller auf die Suche nach alten Schlagerplatten, ob in Tokyo oder den USA. Heute umfasst seine Sammlung ungefähr 400 Schellackplatten, 2500 Vinyl-LPs, 2000 Singles und circa 4000 CDs. Drei bestückte Musikboxen nennt er sein Eigen, natürlich auch ein Grammophon und einen Plattenspieler mit 78er-Geschwindigkeit. Den fand er auf dem Sperrmüll und konnte ihn reparieren – „der läuft jetzt wie eine Eins“.

Von Müller kann man viel über die Geschichte der populären Musik lernen. Etwa, dass früher die Plattenhüllen zugenäht waren. Oder, dass englischsprachige Stars wie Paul Anka, Gus Backus, Cliff Richard, Connie Francis, Wanda Jackson von ihren Plattenfirmen verpflichtet wurden, für den deutschen Markt Schlagerhits in deutscher Sprache aufzunehmen – heute unvorstellbar. Peggy March sang auch Japanisch und Spanisch auf ihren Platten. Zu einigen Stars aus früheren Zeiten konnte Müller Kontakt aufnehmen, etwa zu Peggy March oder zu Jody Miller. „Ich war 1976 in Chicago und hatte nur die Adresse von Jodys Management. Ich habe dort geklingelt und gesagt, wer ich bin, aber ich konnte nur meine Adresse dalassen. Zwei Monate später hat sie mir geschrieben, ich solle sie mal auf ihrer Farm besuchen. Wir sind dann später tatsächlich nach Blanchard in Oklahoma geflogen und haben sie besucht.“ Müllers Augen leuchten, wenn er von diesen Begegnungen erzählt.

Im Moment versucht er, Kontakt mit Caterina Valente aufzunehmen. Sie hat sich aufgrund ihres Alters (91 Jahre) vom Showgeschäft zurückgezogen und lebt jetzt in der Schweiz. „Ich habe das Management angeschrieben, weil ich gerne ein Autogramm von ihr hätte.“ Auch Mary Roos traf er schon einmal beim Saarländischen Rundfunk oder besuchte Liesbeth List in Amsterdam. „Das sind alles ganz normale Leute, wie wir“, sagt er. Den engsten Kontakt hat er zur Chanson-Sängerin Petra Pascal, die er seit 50 Jahren als „gute Freundin“ bezeichnet. „Ich mag sie sehr. Sie hat sehr außergewöhnliche Lieder gesungen, etwa ‚Wie das Glas in meiner Hand‘ oder französische Chansons, zum Beispiel von Adamo.“ Von ihr besitzt der Sammler sogar Songs, die nie veröffentlicht wurden. Die Sängerin gewährte ihm den Zugang zu alten Tonbandaufnahmen. Sein Berufsleben verbrachte Müller bei der Deutschen Bahn als Fahrdienstleiter im Stuttgarter Hauptbahnhof und später in Saarbrücken in verschiedenen Bereichen.

In seiner Freizeit war er in den 80er Jahren als Reiseleiter der DB Touristik („in den Samba-Zügen, da war immer ein Tanzwagen drin“) unterwegs und konnte dort seine Platten vor Publikum spielen. Oft wurde er auch für Hochzeiten und andere Familienfeiern als DJ gebucht. Die Katholische Erwachsenenbildung Riegelsberg veranstaltete insgesamt 26 Vorträge unter der Rubrik „Schlagerbummel“, in denen er mitwirkte. Vor kurzem wurde die Volkshochschule Saarbrücken auf den Sammler aufmerksam. In Zusammenarbeit mit dem Verein für Industriekultur und Geschichte veranstaltete die VHS Riegelsberg eine Veranstaltung unter dem Motto „Musikexpress in der Heimatstube Riegelsberg“. Müller spielte dort alte Schlager auf 45er-Singles ab und erzählte etwas zu ihrer Geschichte und den Interpreten. Passend dazu gab es Hackschnittchen, Spargelröllchen und gefüllte Eier – wie in den Fünfzigerjahren. „Ich war überrascht, wie gut die Musik angekommen ist.“ Eine Fortsetzung der Musikvorträge bei weiteren Veranstaltungen ist geplant.

Was der Sammler gerne noch machen möchte, ist eine Ausstellung. „Im Rathaus Riegelsberg würde ich gerne meine Musikschätze präsentieren.“ Fast wäre es schon so weit gewesen, doch dann machte Corona zunächst einen Strich durch die Rechnung. Die Welt der alten Schlager ist aber nicht alles in Müllers Leben. Er ist auch eifrig im Ehrenamt tätig. So besucht er als „Grüner Herr“ Patienten im Krankenhaus, arbeitet bei der Bahnhofsmission im Saarbrücker Hauptbahnhof und singt in einem Saarbrücker Chor.

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