Serie Kulturköpfe Püttlinger verbreitet die Freude an der Musik

Püttlingen · Besuch bei einem Vielseitigen. Pianist Steffen Hällmayr komponiert, dirigiert, coacht – und hat sein Herz an Vietnam verloren

 Steffen Hällmayr bei der Probenarbeit mit jungen Leuten in seinem Püttlinger Musikraum.

Steffen Hällmayr bei der Probenarbeit mit jungen Leuten in seinem Püttlinger Musikraum.

Foto: Iris Maria Maurer

„Der Weg ist vorgezeichnet.“ Wer Steffen Hällmayr bei der Arbeit zusehen will, hat die Möglichkeit, Probenräume im halben Saarland aufzusuchen. Er leitet aktuell sieben Chöre und Ensembles. Oder man kann bei ihm daheim durch die Garage laufen, der originellen roten Markierung auf dem Boden folgend. Nach zwei Türen steht man dann in einem saalartigen Kellerraum.

Dort gibt der gebürtige Hannoveraner seine Instrumental- und Musiktheoriestunden, übt mit dem Kinderchor Püttlingen, komponiert, managt Konzerte, für die er Weltklassemusiker wie zuletzt die Geschwister Laetitia und Philip Hahn ins Saarland holt – und plant seine nächsten Reisen, die ihn unter anderem mehrmals im Jahr für mindestens zwei Wochen nach Vietnam führen.

Diesem Land hat Hällmayr seine zweite Lebenshälfte gewidmet. Der Ruhestand ist schon fest eingeplant in Südostasien. „Mir wurde die Fakultätsleitung an der größten Uni Hanois angeboten.“ Erzählt der Musiker und serviert dabei original vietnamesischen Kaffee. Der schmeckt intensiv, fast fruchtig, nach Kakao. Hällmayr strahlt. Und erzählt von diesem Land, dessen unbezahlter Botschafter er ist, seitdem er es 2012 kennen und lieben lernte.

Doch zunächst war da vor allem Bestürzung angesichts der Armut vor Ort. Seitdem nervt ihn Oberflächlichkeit, er setzt andere Prioritäten, vor allem mittels „Hearts for poor children in Vietnam“.

Der 150 Mitglieder zählende Benefizverein kümmert sich um rund 1000 vietnamesische Kinder, darunter viele Opfer des hochgiftigen Entlaubungsmittels Agent Orange.

Für sein Engagement ehrten Leser der Saarbrücker Zeitung Hällmayr schon 2016 als „Saarlands Besten“.

Ohne die Musik wäre er kaum nach Vietnam gekommen. Oder vielleicht doch. Immerhin wollte er als Stepke unbedingt Pilot werden. „Ich war schon in der Lufthansa Junior-Ausbildung.“ Aber die Sehstärke reichte letztlich nicht aus. Zum Glück spielte er seit dem neunten Lebensjahr Klavier. Mit 16 fiel Steffen Hällmayr eine Schallplatte in die Hände: Beethovens „Mondscheinsonate“. „Das krieg ich auch hin“, dachte sich der Teenager. Und irrte sich nicht.

Er studierte zunächst in Hannover, später in Bad Königshofen und schließlich, bis 1996, bei Anne Borg in Saarbrücken. Seitdem lebt er im Saarland. Als Pianist und Dirigent konzertierte Hällmayr in vielen Ländern Europas sowie in den USA, China – und Vietnam. Die Menschen dort seien näher an der Musik als hierzulande. Gibt er dort – als einziger Ausländer an der Musikhochschule – Unterricht, „lesen mir die Schüler jedes Wort von den Lippen ab. Sie schreiben alles mit und nehmen am Ende meine Hand und danken mir.“

Zupass kommt ihm seine Freude an Sprachen. So spricht der 51-Jährige unter anderem Mandarin Chinesisch – und Vietnamesisch inzwischen so gut, dass er es selbst lehrt. „Es ist eine Binnensprache, das wird nur in Vietnam gesprochen. Und in Saarbrücken“, wo relativ viele Vietnamesen leben. Zwei noch sehr junge, drei und vier Jahre alt, singen in seinem Chor mit.

Gerade eben haben die Größeren geprobt, eine der jungen Damen ist noch zum Üben da. Erst verhalten, dann zunehmend selbstbewusster breitet sich ihr Sopran aus. „Du musst öfter mal in ein Mikro singen“, sagt Hällmayr, „oder einen vietnamesischen Nón lá aufsetzen.“ Sagt’s, schnappt sich einen dieser typischen Kegelhüte und drückt ihn der kichernden jungen Dame aufs Haupt, die gerade noch von Sticheleien im Gymnasium erzählt hatte.

Mobbing gegen junge Musiker sei keine Seltenheit, sagt Hällmayr. „Lebensberatung gehört bei mir immer dazu. Ich will Mut machen“, zu sich und dem eigenen Können zu stehen, ob als Schüler oder angehender Musikstudent, die er intensiv auf ihr Klavierstudium vorbereitet. Doch zurück zum Nón lá: „Das sind die perfekten Sängerhüte“, erklärt der Gastgeber. „Darunter hört man sich selbst viel besser. Und du hast die Lacher auf deiner Seite.“

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