Pflegenotstand im Regionalverband? „Pflegedienste lehnen neue Patienten ab“

Regionalverband/Dudweiler  · Brandbrief einer Insiderin an die SZ. Die Saarländische Pflegegesellschaft als Dachverband antwortet darauf sehr detailliert.

 Einen Notstand in der Häuslichen Krankenpflege verneint die Saarländische Pflegegesellschaft.

Einen Notstand in der Häuslichen Krankenpflege verneint die Saarländische Pflegegesellschaft.

Foto: picture alliance / dpa/Angelika Warmuth

Weil sie beruflich mit dem Thema Pflege zu tun hat, möchte sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Gleichwohl ist die uns bekannte Frau, deren Brief uns errreichte, der Meinung, dass ein Thema „unbedingt in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollte“: Ganz aktuell sei es beispielsweise  nicht möglich, in Dudweiler einen ambulanten  Pflegedienst für Kranke/Pflegebedürftige zu finden, da alle ortsansässigen Pflegedienste keine neuen Patienten mehr an- bzw. aufnehmen würden. Ebenso die in den Nachbarorten ansässigen Pflegedienste in Sulzbach, Friedrichsthal und St. Ingbert: „Insgesamt haben fast zehn angefragte Pflegedienste aus Kapazitätsgründen eine Versorgung abgelehnt. Was aber, wenn man als alter/kranker  Mensch auf deren Unterstützung angewiesen ist, gerade nach einem Krankenhaus-Aufenthalt? Alternativen gibt es keine.“

Im Übrigen, so die Frau, habe sie erfahren, dass - außer im Saarland – es in ganz Deutschland erlaubt sei, dass die sogenannte Behandlungspflege in Fällen, in denen etwa Kompressionsstrümpfe an- und ausgezogen  oder vorgerichtete Medikamente an den Patienten abgegeben werden müssen, dies an nur einjährig Ausgebildete oder Auszubildende im zweiten Lehrjahr delegiert werde. Nur im Saarland müssten für diese Tätigkeiten dreijährig examinierte Pflegerinnen eingesetzt werden. Zudem sei die Vergütung dafür auch nur halb so hoch wie im angrenzenden Rheinland-Pfalz.

„Wie soll sich der Pflegenotstand in diesem Bereich ändern  ohne politische Veränderungen? Viele der angefragten Pflegedienste würden sofort Personal einstellen, wenn es denn welches gäbe. Die Leute, die dort arbeiten, müssen durch den Kollegen-Mangel erschwerte Arbeitsbedingungen hinnehmen und werden dadurch dauerhaft auch möglicherweise krank und ausgebrannt. Jeder möchte im Bedarfsfalle ordentlich versorgt werden, aber kaum einer kennt diese Rahmenbedingungen“, schreibt die Frau abschließend.

Die SZ hat sich in Verbindung gesetzt mit Dr. Jürgen Stenger. Er ist der Geschäftsführer der Saarländischen Pflegegesellschaft und damit erster Ansprechpartner in dieser Angelegenheit. Die Thematik möglicher Versorgungslücken bei den Leistungen der Häuslichen Krankenpflege sei zuletzt in der Sitzung des Landespflegeausschusses vom 5. Dezember 2017 auf der Ebene des Gesundheits- und Sozialministeriums, der Krankenkassen sowie der Verbände der Leistungsanbieter diskutiert worden. Dabei seien seitens der Krankenkassen, bei denen der gesetzliche Sicherstellungsauftrag für die Versorgung der Patienten liegt, keine Versorgungslücken bestätigt worden. In der Tat seien Fälle bekannt, in denen einzelne Ambulante Dienste aus Kapazitätsgründen ärztliche Verordnungen über Leistungen der Häuslichen Krankenpflege ablehnen,  „nach den Erfahrungen der Krankenkassen konnte in diesen Fällen der Bedarf jedoch stets durch andere Ambulante Dienste im Regionalverband gedeckt werden“.

Dies sei nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass gerade der Regionalverband eine vergleichsweise hohe Dichte an Ambulanten Diensten aufweise.

In der Sitzung des Landespflegeausschusses vom 5. Dezember sei  jedoch auch deutlich geworden, „dass keine vollständige Transparenz über mögliche Fälle von Kapazitätsengpässen auf Seiten der Ambulanten Pflegedienste besteht“, sagt Jürgen Stenger. Da davon ausgegangen werden könne, dass Patienten bzw. ihre Angehörigen in den Fällen, in denen Verordnungen durch Ambulante Dienste nicht ausgeführt werden, sich auch an die Pflegestützpunkte wenden, könnten diese möglicherweise zu einer höheren Transparenz beitragen. Die SZ wird sich dieser Tage bei den Pflegestützpunkten kundig machen zur momentanen Situation.

Die Aussage wiederum, dass im Saarland nur examiniertes Fachpersonal Leistungen der Häuslichen Krankenpflege erbringen darf, sei zutreffend. Diese Regelung sei dem Gedanken geschuldet, dass die Versorgung kranker Menschen eine bestimmte Mindestqualifikation des Pflegepersonals voraussetzt.

Ebenfalls korrekt sei die Aussage, „dass in anderen Bundesländern der Fachkräfte-Vorbehalt in dieser Form nicht existiert und bestimmte Leistungen der Häuslichen Krankenpflege auch von geringer qualifiziertem Personal erbracht werden dürfen. Die Frage, ob und in welchem Umfang Leistungen der Häuslichen Krankenpflege auch an einjährig examinierte Pflegehelfer/innen delegiert werden können, wird im Saarland aktuell unter fachlichen Aspekten diskutiert.“

Die Behauptung, die Vergütungen für die Leistungen der Häuslichen Krankenpflege im Saarland seien nur halb so hoch wie im angrenzenden Rheinland-Pfalz, ist laut Stenger hingegen unzutreffend.

Zutreffend sei die Feststellung eines Mangels an Pflegefachkräften; einen „Pflegenotstand“ könne man jedoch nicht bestätigen: „Allein in den Jahren 2011 bis 2017 hat sich die Zahl der Auszubildenden in der Altenpflege sowie Altenpflegehilfe mehr als verdoppelt; auch im aktuell begonnenen Ausbildungsjahr 2017/18 wurde mit insgesamt rund 1500 Auszubildenden in der Altenpflege ein Ausbildungsrekord erreicht.“ Als Folge des demografischen Wandels bestehe jedoch auch in Zukunft ein hoher Bedarf an qualifizierten Pflegekräften, „sodass die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen ihre Anstrengungen im Bereich der Pflegeausbildung weiter fortsetzen müssen“.

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