Lockerungskurs Deutschland blickt gebannt aufs Saarland

Saarbrücken · Die Landesregierung hält an den umstrittenen Öffnungen von Gastronomie, Kinos und Fitnessstudios fest. Die Landräte finden das gut – bis auf einen. Bald soll es noch mehr Test-Möglichkeiten geben.

Öfnungen: Deutschland blickt gebannt aufs Saarland
Foto: dpa/Harald Tittel

Selten zuvor hat die Republik in den vergangenen Jahren derart gebannt aufs Saarland geblickt. Das Frühstücksfernsehen sendete am Dienstagmorgen live vom St. Johanner Markt in Saarbrücken. Kein Wunder: Mit seinen testbasierten Öffnungen für Gastronomie, Kinos und Fitnessstudios bietet das Saarland bundesweit das Kontrastprogramm zum allgegenwärtigen Lockdown-Diskurs der Berliner Politik und der Virologen – mit einer Landesregierung, die die Warnungen der Kanzlerin („sehr gewagt“) ignoriert, das hat man in der Politik auch nicht allzu oft.

Die Bundesregierung erklärte am Dienstag noch einmal, nachhaltige Öffnungen seien nur bei geringen Fallzahlen mit einer stabilen Inzidenz „deutlich unter 100“ möglich. Die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie empfahl für Modellprojekte gar einen Höchstwert von 50.

Das Saarland lag am Montag bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 91 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner, am Dienstag bei 78. Es ist aber schwer einzuschätzen, welchen Effekt die Osterfeiertage hatten. An Feiertagen wird üblicherweise relativ wenig getestet; allerdings waren an Ostern die Testzentren im Saarland voll, weil viele Menschen vor dem Besuch bei Oma und Opa mit einem Test auf Nummer sicher gehen wollten. Man wird also noch ein paar Tage abwarten müssen, um zu sehen, ob sich die Inzidenz im Saarland in absehbarer Zeit bei über 100 einpendelt – dann wären Einkäufe, außer in Lebensmittelgeschäften, nur noch mit negativem Test möglich.

Parallel zu den ersten vorsichtigen Öffnungen im Saarland deutet in Berlin alles auf einen harten Lockdown hin. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten sind dafür, die für den 12. April geplante Bund-Länder-Runde auf diese Woche vorzuziehen, um einen solchen Schritt zu beschließen. Die SPD-Regierungschefs sind da zögerlicher und warnen vor einem Schnellschuss.

Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) will entgegen der Parteilinie am 12. April festhalten – möglicherweise in der Hoffnung, dass die Infektionszahlen im Saarland bis dahin konstant bleiben und den Kritikern der Wind etwas aus den Segeln genommen werden kann. Ob das Saarland sich einem von Bund und Ländern (mehrheitlich) beschlossenen Lockdown widersetzen würde, wird eine spannende Frage der kommenden Tage. Die saarländische CDU stellte sich am Dienstag noch einmal hinter den Kurs. Dieser sei „folgerichtig, nachvollziehbar und dennoch vorsichtig“, sagte Generalsekretär Markus Uhl.

Hans schaltete sich am Nachmittag per Video mit den Landräten zusammen, um das aktuelle Infektionsgeschehen zu besprechen. Der Direktor des Regionalverbandes Saarbrücken, Peter Gillo (SPD), hatte schon vorab via Deutschlandfunk publik gemacht, was er von den Öffnungen im Saarland hält: wenig. „Ich befürchte, dass wir sehr schnell deutliche Wachstumsraten bei den Neuinfektionen sehen“, sagte er. Dem Modellversuch gibt er deshalb nicht mehr lange. Er fürchte, „dass wir in ein, zwei oder drei Wochen eine deutliche Zunahme sehen werden und dann noch einmal zurückrudern müssen“, sagte er. Gillo ist für einen baldigen Lockdown.

Regionalverbandsdirektor Peter Gillo (SPD)

Regionalverbandsdirektor Peter Gillo (SPD)

Foto: Regionalverband/Iris Maurer/[iris_maurer]

Damit blieb er im Kreis der Landräte am Dienstag aber in der Minderheit. Der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU) sagte: „Die anderen sehen die Strategie schon grundsätzlich als sinnvoll an. Von einem Lockdown in den nächsten, das hat nicht funktioniert“, sagte Recktenwald, der allerdings auch einräumte: „Wir wissen nicht, was in den nächsten zwei oder drei Wochen passiert.“

Der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU)

Der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU)

Foto: B&K/Bonenberger & Klos

Dass die Inzidenz im Saarland allein deshalb steigt, weil nun deutlich mehr getestet wird, das deutet sich bisher nicht an. Im Landkreis St. Wendel würden jeden Tag rund 2000 Menschen getestet, sagte Recktenald, positive Fälle gebe es nur ganz vereinzelt, am Dienstag habe es keinen einzigen gegeben. Das deckt sich mit Daten des Gesundheitsministeriums. Demnach waren in der Woche vom 22. bis 28. März von den 11 588 Tests, die in den kommunalen Testzentren des Saarlandes gemacht wurden, gerade einmal 17 positiv.

Rund 400 Test-Möglichkeiten gibt es laut Regierung im Saarland bisher, in Zentren, bei Ärzten und Apotheken. Die Landkreise und Kommunen wollen nun noch einmal aufstocken. Allein im Kreis St. Wendel soll die Zahl der kommunalen Test-Stellen von neun auf 20 steigen. „Wir wollen mit den Tests die Infektionslage noch besser überblicken und damit noch besser in den Griff bekommen“, sagte Hans nach seiner Konferenz mit den Landräten.

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