Ausstellung Mit Hilfe eines Saarbrücker Bioinformatikers: Künstlerin druckt eigenes Genom auf über 300.000 Seiten aus

Saarbrücken/Berlin · Eine Künstlerin aus Berlin hat für eine Ausstellung ihr persönliches Genom auf 314 000 DIN A4 Seiten ausgedruckt. Hilfe hatte sie vom Bioinformatik-Professor der Universität des Saarlandes, Sven Rahmann.

Mit Hilfe eines Saarbrücker Bioinformatikers: Künstlerin druckt Genom aus
Foto: Oana Popa

Am 12. Februar 2001 war es soweit: Nach mehr als zehn Jahren der Arbeit veröffentlichten die Wissenschaftler des Humangenomprojekts die erste entschlüsselte Version des menschlichen Genoms. Beruhend auf Fragmenten verschiedener DNA-Proben zeigte diese Sequenzierung die Abfolge der DNA-Basen im rund 3,2 Milliarden „Buchstaben“ langen genetischen Bauplan des Menschen. Seither sind DNA-Analysen und -Vergleiche zum Standard-Werkzeug vieler Wissenschaftsgebiete geworden. Sie helfen beim Aufspüren von Krankheitsgenen, der Rekonstruktion von Herkunft und Migrationsbewegungen verschiedener Populationen oder der Entwicklung neuer Gentherapien.

Die Zahl von 3,1 Milliarden ist nur schwer zu erfassen. „Auch für uns Bioinformatiker ist das eine abstrakt hohe Zahl, obwohl wir fast täglich mit Gendomdaten arbeiten. Denn uns liegen die Daten in der Regel nur als Dateien auf dem Computer vor“, sagt der Saarbrücker Bioinformatik-Professor Sven Rahmann.  

Ausgedrucktes Genom in Berliner Ausstellung zu sehen

Besser begreifbar werden die Dimensionen des menschlichen Genoms durch ein Projekt der Berliner Künstlerin Alicja Kwade. Sie hat ihr persönliches Genom auf 314.000 DIN A4 Seiten ausdrucken lassen und stellt es öffentlich in ihrer Ausstellung „In Abwesenheit“ in der Berlinischen Galerie aus. 12.000 Seiten wurden an die Wände der Halle gehängt, die restlichen befinden sich in Archivboxen aus Kupfer im Raum verteilt.  

 Nahaufnahme des ausgedruckten Genoms an der Wand in der Ausstellung "Alicja Kwade". In Abwesenheit.

Nahaufnahme des ausgedruckten Genoms an der Wand in der Ausstellung "Alicja Kwade". In Abwesenheit.

Foto: Roman März/Roman März.

Würde man alle Seiten dieses Genom-Dokuments nebeneinanderlegen, erstreckten sie sich über eine Länge von rund 66 Kilometern. Ein Aspekt des Kunstprojektes war hervorzuheben, welche Teile des Genoms einzigartig für die Künstlerin sind – denn grundsätzlich ist die DNA aller Menschen zu 99,9 Prozent gleich.

Bioinformatiker aus dem Saarland analysierte die Daten

Hier kamen die Saarbrücker Bioinformatiker ins Spiel: „Die Zusammenarbeit mit Frau Kwade kam über einen gemeinsamen Bekannten zustande, Dr. Frank Tschentscher, Sachverständiger für DNA-Analysen im Landeskriminalamt NRW. Er hat für die Künstlerin die Genomdaten generiert und dann einen geeigneten Experten für die Analyse dieser Daten gesucht. So kam er auf mich, wir haben beide an der Universität Duisburg-Essen geforscht. Mein Beitrag im Kunstprojekt bestand konkret darin, anhand bioinformatischer Analysemethoden die für Alicja Kwade einzigartigen Genom-Abschnitte zu identifizieren und in einem druckfertigen Dokument durch Fettdruck hervorzuheben“, sagt Sven Rahmann.

Mit Hilfe eines Saarbrücker Bioinformatikers: Künstlerin druckt Genom aus
Foto: Philipp Zapf-Schramm, SIC

Herausgekommen sind letztendlich mehrere hundert PDF-Dokumente mit jeweils 480 Seiten: „Das war die maximale Länge pro Dokument, die die Druckerei verarbeiten konnte. Auch das mussten wir zuerst durch Testen herausfinden“, sagt Rahmann.  

Wie druckt man ein Genom aus?

„Um die Abfolge der Basenpaare im Genom abzubilden, werden die vier Basen der DNA, also Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin im sogenannten ‚Alphabet des Lebens‘ mit den Buchstaben A, C, G und T codiert. Ein komplettes Genom kann dadurch als eine 3,1 Milliarden Zeichen lange Abfolge dieser Buchstaben wiedergegeben und damit auch ausgedruckt werden“, so Rahmann. 

 Sogar für den Professor, der sich bereits seit knapp 25 Jahren mit bioinformatischen Fragestellungen und speziell der Analyse individueller Genomvarianten befasst, war es etwas Besonderes, an dem Kunstprojekt mitzuwirken.

„Meines Wissens nach ist es das erste Mal weltweit, dass ein menschliches Genom in dieser Form physisch ausgedruckt wurde. Dadurch ist es auch für mich auf einer völlig neuen Ebene erfahrbar geworden. Zwischen zwei fettgedruckten Stellen können gut und gerne einige tausend Buchstaben liegen, die für uns alle gleich sind. So plastisch vor sich zu sehen, wie sehr wir Menschen uns unabhängig von der Herkunft untereinander gleichen, transportiert eine starke Botschaft. Das stelle ich mir in der Ausstellung, in der eine ganze Halle mit ‚Genom-Seiten‘ tapeziert ist, besonders beeindruckend vor. Leider konnte ich wegen Corona noch nicht selbst in Berlin vor Ort sein“, sagt der Saarbrücker Bioinformatik-Professor Sven RahmannDie Ausstellung kann noch bis zum 4. April in der Berlinischen Galerie besucht werden.

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