Ansichtskarten-Nostalgie „Mir geht es gut . . .“

So viel Unverständnis, so viel Fassungslosigkeit in einem einzigen Gesicht – das hab’ ich so auch noch nicht gesehen. Dabei habe ich dem Nachwuchs nur sehr verträumt dieses wunderbare farbige Papier gezeigt, das ich abends beim Nachhausekommen im Briefkasten fand. Eine Ansichtskarte, man glaubt es kaum. Es gibt also immer noch Leute, die Ansichtskarten schreiben, wie schön.

Ansichtskarten-Nostalgie : „Mir geht es gut . . .“
Foto: SZ/Robby Lorenz

„Mudda, was issen doo scheen?“, fragt mich der junge Banause. „Na, dann schau doch mal, ein wunderbares Bild von Lindau am Bodensee, es zeigt ganz romantisch die Hafeneinfahrt. Und dann auch noch diese nette Briefmarke mit Maiglöckchen drauf.“ Da wendet er sich ab mit einer Handbewegung, die übersetzt „Nun ist sie völlig balla-balla“ bedeuten könnte.

Ich versinke wieder ins Ansichtskarten-Thema und erinnere mich an die Jugendzeit, als ich selbst solche Karten beschriftet und versendet habe. „Schreib’ doch der Tante Roswitha oder dem Onkel Klaus mal aus unserem Urlaub“, haben damals Väter und Mütter ihre Kinder gerne aufgefordert. Die ganz „Stracken“ beließen es da bei kaum mehr als zwei Sätzen, die da lauteten: „Wie geht es Dir? Mir geht es gut.“ Ende der Durchsage. Andere wiederum schrieben die Karte so voll, dass letzte Sätze die Adresse fast bedeckten. Doch egal, es war ein kleiner Liebesbeweis. Man hatte halt an jemanden gedacht und ihm einen bunten postalischen Gruß überbracht.

Und heute ist das Schreiben fast vollkommen aus der Mode. Dafür wird in den sogenannten sozialen Medien aus den Ferien gepostet, dass es eine wahre Freude ist(?) Ich halte solche Ansichtskarten wie die von Lindau am Bodensee in Ehren. Und habe mir, weil sie so selten eintreffen, auch schon selbst welche aus dem Ausland nach Hause geschickt. Allerdings ohne „Wie geht es dir? Mir geht es gut.“ Weil man ja nicht wissen kann, wie es einem geht, wenn man etliche Tage später wieder in der Heimat landet.

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