Demonstrationen in der Saarbrücker Innenstadt unter massivem Polizeiaufgebot „Marsch für das Leben“ in Saarbrücken blockiert: Demo von Abtreibungsgegnern erhält Gegenwind

Saarbrücken · Christliche Fundamentalisten führten am Samstag in der Saarbrücker Innenstadt einen sogenannten „Marsch für das Leben“ durch. Gleich zwei feministische Bündnisse stellten sich den Forderungen der Abtreibungsgegner entgegen. Es kam zu einer Blockade und massivem Polizeiaufgebot.

Marsch von Abtreibungsgegnern erhält Gegenwind
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Foto: Laura Weidig

Unter dem Motto „Marsch für das Leben“ demonstrierten am Samstag, 15. Oktober, laut Polizeiangaben knapp 160 Personen für ein striktes Abtreibungsverbot. Zu dem Aufzug hatte das Aktionskomitee Christen für das Leben aufgerufen. Der Demonstrationszug wurde, wie bereits in den vergangenen Jahren, optisch durch eine hohe Zahl Teilnehmender aus dem Umfeld der Priesterbruderschaft St. Pius X. geprägt.

Auftaktredner des „Marschs für das Leben“ stellt Shoa mit Abtreibungen auf eine Stufe

Die katholische Priestervereinigung gilt selbst nach Maßstäben der katholischen Kirche als extrem konservativ und anti-modern. Zahlreiche Politikwissenschaftler und Soziologen weisen seit Jahren auf antidemokratische Tendenzen der Piusbrüder und deren Verbindungen in die rechte sowie rechtsextreme Szene hin. In Saarbrücken hielt am Samstag die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst die Abschluss-Rede.

In der Vergangenheit kam es auf vergleichbaren Demonstrationen im Bundesgebiet immer wieder zur Gleichsetzung zwischen Abtreibungen und dem Holocaust und damit zur Relativierung der Shoa. Auch am Samstag in Saarbrücken stellte der Auftaktredner des Aktionskomitees – im erinnerungspolitischen Kontext – Shoa und Abtreibungen auf eine Stufe, als er das Publikum aufforderte, sich Stolpersteine für abgetriebene Föten vorzustellen.

Die Anhänger des christlich-fundamentalistischen Spektrums versammelten sich vor der Beratungsstelle der Pro Familia – die sie in einem Flyer als „Kindervernichtungsklinik“ titulierten – und zogen von dort betend zur Europagalerie. „Abtreibung ist Mord“, war unter anderem auf Schildern zu lesen.

Gleich zwei feministische Bündnisse demonstrierten gegen die Abtreibungsgegner

Diese Behauptung wollten knapp 320 Gegendemonstranten nicht einfach so stehen lassen – gleich zwei feministische Bündnisse mobilisierten zum Gegenprotest. Deren Kritik: Unter dem Etikett „Marsch für das Leben“ werde versucht, die Selbstbestimmungsrechte von Frauen über ihren eigenen Körper weiter einzuschränken. Zudem seien Religion und das Thema Abtreibung nur ein Aufhänger, um antidemokratische und extrem rechte Positionen salonfähig zu machen.

Pro Familia beteiligte sich erstmals selbst aktiv an den Gegenprotesten: als Mitglied des Bündnisses für Reproduktive Selbstbestimmung Saar, das sich mit 120 Personen in der Heinestraße postierte. „Der Grund, warum wir heute hier stehen, ist dieser massive Protest vor unserer Haustür, bei dem so diffamierend und in übelster Weise über Pro Familia gesprochen wird“, sagte Eva Szalontai von Pro Familia.

Die werde von den Abtreibungsgegnern zum Beispiel als Kindertötungsklinik bezeichnet, auch Verschwörungsmythen über Coronaimpfungen und abgetriebene Föten würden verbreitet. „Ganz abstruses Zeug“, sagt Szalontai kopfschüttelnd. „Dabei leistet Pro Familia als Teil der Gesundheitsfürsorge wichtige Arbeit, die nicht derart geschmäht werden sollte.“

Das linke Bündnis „My Body My Choice“ demonstrierte mit etwas über 200 Teilnehmern vor der Europagalerie. Pressesprecherin Nora Becker zeigte sich im Nachgang zufrieden: „Wir haben der reaktionären Rechten nicht die Straße überlassen, sondern gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die es nicht akzeptieren, wenn hier gegen Gleichberechtigung, gegen die Selbstbestimmtheit von Frauen über ihre Körper auf die Straße gegangen wird und über Schwangerschaftsabbrüche Lügen verbreitet werden.“

Die Kritik von My Body My Choice richtet sich indes auch an die Politik – die möge den Reaktionären endlich den Geldhahn zudrehen: „Im Prinzip erleben wir hier jedes Jahr einen rechten, antifeministischen Aufmarsch, unter federführender Beteiligung einer Kirchengemeinde, deren Einrichtungen direkt vom Staat alimentiert werden“, sagt Becker mit Blick auf nicht unerhebliche Mittel, die die Piusbrüder aus dem saarländischen Haushalt erhielten.

Störer aus dem linken Spektrum blockierten „Marsch für das Leben“ kurzzeitig

Die Demonstration des Aktionskomitees wurden im Bereich der Dudweilerstraße/Bahnhofstraße unerwartet von etwa 20 Personen blockiert. Dabei soll es sich, so die Polizei, um Störer aus dem linken Spektrum gehandelt haben. Die Polizei löste die Blockade nach mehrfacher Lautsprecherdurchsage „mittels einfacher körperlicher Gewalt“ auf und drängte die Störer in Richtung Bahnhofstraße ab. Danach hätte der Marsch für das Leben fortgesetzt werden können.

Die Beamten waren mit massiven Kräften vor Ort, um die verschiedenen Versammlungen voneinander getrennt zu halten. Dennoch wurde der Zug der Abtreibungsgegner auf beinahe dem gesamten Weg von Protesten flankiert.

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