Interkulturelles Kunst-Projekt Schuhe werden zu Kunstwerken und haben viel zu erzählen

Saarbrücken · In einem interkulturellen Kreativ-Workshop im Arrival Room in Saarbrücken haben Frauen alte Schuhe zu Kunstobjekten umgestaltet – und dabei viel über Lebenswege erfahren. Bis 6. März werden die entstandenen Arbeiten ausgestellt.

 „Dein Schuh, dein Weg, dein Leben“ – unter diesem Motto gestalteten Frauen ihre Schuhe im Arrival Room in Saarbrücken. Von links: Eva, Petra, Aicha, Moula, Lucia, Isabella.

„Dein Schuh, dein Weg, dein Leben“ – unter diesem Motto gestalteten Frauen ihre Schuhe im Arrival Room in Saarbrücken. Von links: Eva, Petra, Aicha, Moula, Lucia, Isabella.

Foto: Iris Maria Maurer

Auf dem Lebensweg mit all seinen Abzweigungen, Sackgassen und Trampelpfaden gibt es treue und weniger zuverlässige Begleiter. Zu ihnen gehören auch Schuhe. In manchen Lieblingsstücken  haben wir schon bequem viele Wege zurückgelegt, andere entpuppen sich als unbequem, zu hoch, zu eng –  zu hässlich.

„Ein Schuh erzählt oft eine spannende Geschichte. Durch die künstlerische Gestaltung entsteht hier eine neue“, findet die Saarbrücker Künstlerin Petra E. Thoss, die sich schon seit über 20 Jahren mit dem Thema „Schuh“ beschäftigt – in kleinen, aber auch überdimensionalen Schuh-Skulpturen, auf Postkarten oder in Gemälden.

Nun hat sie auf Einladung der Frauen-Gender-Bibliothek und des vereins Arrival Rooms, den Kreativ-Workshop „Pimp your Pumps“ angeleitet. Zwei Nachmittage lang trafen sich acht Frauen im Arrival Room in der Großherzog-Friedrich-Straße, um dort aus ihren alten, mitgebrachten Schuhen Kunstwerke mit persönlicher Geschichte zu machen.  Der von einem Verein getragene Arrival Room (zu deutsch: „Ankunftsraum“) ist ein  Ausstellung- und Projektraum, der Menschen aller Kulturen dazu einlädt, sich auszutauschen und kreativ zu werden.

Glitzersteine, Federn, Farben, Bänder und Knöpfe –  auf einem großen Tisch ist das „Bastel-Buffet“ angerichtet. Dazwischen stehen die  allesamt verrückten Schuh-Objekte, die entstanden sind. „Dein Schuh – Dein Weg – Dein Leben“ lautet das Motto dieses Workshops. Die Frauen kommen ins Erzählen. Es fällt soviel leichter, wenn man dabei etwas zu tun hat...

Eva beispielsweise hat gleich mehrere Schuhe gestaltet. Ein Paar ausgetretene Exemplare hat sie bunt angemalt und mit einem lustigen Gesicht versehen. „Die erinnern an eine Clown-Ausbildung, die ich vor ein paar Jahren abbrechen musste, weil eine Augen-OP bei mir völlig schief gegangen ist“, erzählt sie ein wenig traurig. Petra neben ihr hat aus ihrem alten Clog eine grellgrüne, blühende Blumeninsel gemacht.  „Ich sehne mich nach  Sonne und Frühling“, sagt sie gutgelaunt und sprühend vor Unternehmungslust. Moula gegenüber am Tisch hat einen alten Turnschuh in den Landesfarben Algeriens gestaltet. „Ich habe Heimweh“, sagt die Frau, die schon lange in Deutschland lebt, aber enge Familienbeziehungen pflegt zu dem nordafrikanischen Land ihrer Geburt. „Meine Mutter hat mir diese Schuhe aus Algerien geschickt. Ich kann sie nicht wegwerfen“, erzählt sie.

Auch Aicha stammt aus Algerien. Auch sie hat  gleich zwei  Schuhe bearbeitet. „Ich will ein Star sein!“, lacht die 50-Jährige  und zeigt ihr mit bunten Federn beklebtes, wildes Exemplar. Dann wird sie nachdenklich. „Mit solchen Federn hätte ich vielleicht fliegen können...“ Stattdessen hören wir eine Geschichte über zehn verschwendete, traurige, angsterfüllte Jahre im Lebacher Asylbewerber-Lager. Offiziell heißt es „Landesaufnahmestelle“. Doch für  Aicha war es wie ein Gefängnis. Ihr kommen die Tränen als sie von dort erzählt. „Ich saß schon schwanger im Abschiebe-Flieger.“ Mit viel Glück konnten sie und ihre Familie bleiben. Seit zwölf Jahren lebt sie nun in Malstatt und arbeitet dort im Stadtteilbüro.

Es sind Geschichten wie diese, die die Frauen sich erzählen. Nicht immer so dramatisch, aber doch oft sehr persönlich. Lotta, mit 16 Jahren  die jüngste in der Gruppe, drückt ihre Verunsicherung über das eigene Leben in einer zunehmend unsichereren Welt in ihrem Sneaker aus. „Diversity“ ist ihr großes Thema – Vielfalt und das Recht und die Freiheit, so zu leben, wie man möchte. Den Workshop ließen die Frauen ausklingen mit einem gemeinsamen Abendessen.  Am Frauentag, dem 8. März, wollen sie sich wieder treffen: In der Frauentags-Aktionszone in der Bahnhofstraße. „Kommt mit Trommeln und in roten Schuhen!“, fordert Petra E. Thoss die Gruppe auf. „Und seid laut!“

Die Schuh-Objekte inklusive kurzer Texte zur Biografie der Frauen sind bis 6. März im Arrival Room, Großherzog-Friedrich-Straße 74, in Saarbrücken zu sehen: mittwochs bis freitags von  13 bis 18 Uhr. Finissage ist am Sonntag, 6.3., 12 bis 18 Uhr. Info: Tel. (06 81) 68 63 43 19.

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