Inklusion Kulturschlüssel öffnet Türen zur Kunst

Saarbrücken · Projekt-Mitarbeiter vermitteln Menschen mit Behinderung ehrenamtliche Begleiter, um kulturelle Veranstaltungen zu besuchen.

 Kulturgenießer Hans Josef Leiner und sein Kulturbegleiter Klaus Hartmuth genießen die Soiree am Schloss. Zu Gast war die Philip Bölter Band.

Kulturgenießer Hans Josef Leiner und sein Kulturbegleiter Klaus Hartmuth genießen die Soiree am Schloss. Zu Gast war die Philip Bölter Band.

„Können wir bitte mal hier durch?“, fragt Klaus Hartmuth bestimmt und bahnt sich seinen Weg durch die Menge. Der Platz vor der Bühne neben dem Saarbrücker Schloss ist voll mit Menschen. Sie sitzen auf den Bänken, trinken Bier und Apfelsaftschorle und lauschen der Musik. Es ist die Soirée von „Sonntags ans Schloss“.

Klaus Hartmuth dreht sich um, denn er ist nicht allein. Er macht den Weg frei für Hans Josef Leinen. Leinen ist Spastiker und sitzt im Rollstuhl. Er ist Kulturgenießer beim Kulturschlüssel Saar. Das Projekt bringt Menschen mit Behinderung, sie nennen sie Kulturgenießer, mit ehrenamtlichen Begleitern, sogenannten Kulturbegleitern, zusammen, die von Anfang bis Ende einer Veranstaltung mit dabei sind und dafür freien Eintritt bekommen.

Die meisten Besucher von Sonntags ans Schloss kehren Hans Josef Leiner den Rücken zu und blicken gebannt auf die Bühne. Klaus Hartmuth kümmert sich. Er weist die Leute darauf hin, dass der 53-Jährige nicht durchkommt, aber gern zu seinem Platz an einen der hinteren Tische möchte. Das ist nicht ganz einfach, denn der elektronische Rollstuhl nimmt viel Platz in Anspruch.

Die Stimmung der beiden Männer ist gut. Sie lachen viel. Die Soirée am Schloss ist nicht die erste Veranstaltung, an der sie gemeinsam teilnehmen. „Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Veranstaltungen ich überhaupt schon mit dem Kulturschlüssel besucht habe“, sagt Hans Josef Leiner. Er ist von Anfang an dabei. Seit knapp vier Jahren nutzt er das Angebot. Für ihn bedeutet das Freiheit. Er kann selbst entscheiden, zu welchen Veranstaltungen er gehen möchte, und muss nicht mehr tun, als sich anzumelden.

Die Kulturbegleiter nehmen ihn in ihren Autos mit zu Fußballspielen, Konzerten oder zum Kabarett. „Es kann schon mal vorkommen, dass ich von Saarbrücken nach Marpingen fahre, um jemanden abzuholen, und dann von dort zu einer Veranstaltung nach Illingen. Das ist natürlich auch ein großer Zeitaufwand, aber das ist es wert“, erzählt Kulturbegleiter Klaus Hartmuth.

An seine erste Veranstaltung mit dem Kulturschlüssel erinnert sich Hans Josef Leiner noch genau: ein Fußballspiel. „Das war sogar ein Pokalspiel. Der 1. FC Homburg hat gegen Borussia Mönchengladbach gespielt. Für mich war das total interessant und eine neue Erfahrung, dass so etwas überhaupt möglich ist“, sagt der 53-Jährige, für den es bis dahin noch nicht selbstverständlich war, einfach so ohne große Planung eine Veranstaltung zu besuchen. „Vorher war ich auf die Hilfe von Freunden angewiesen und musste mir immer jemanden suchen“, erklärt er.

Der Kulturschlüssel ist für Hans Josef Leiner eine Bereicherung. Es bedeutet, dass er Hilfe bekommt, wenn er sie braucht. Damit eröffnet ihm der Kulturschlüssel neue Möglichkeiten. „Ich kann Veranstaltungen besuchen, die mich interessieren und bekomme die Hilfe, die ich brauche“, sagt der Kulturgenießer. Auch gefalle es ihm, dass er immer neue Leute kennenlernt.

„Es ist wirklich eine Win-win-Situation für beide“, sagt Klaus Hartmuth. Der Kulturgenießer komme genauso auf seine Kosten wie ein Kulturbegleiter, der keinen Eintritt zahlen muss und ebenso nur zu Veranstaltungen geht, die ihn auch interessieren, erklärt Klaus Hartmuth. Seit etwas mehr als zwei Jahren ist der 66-jährige Rentner Kulturbegleiter.

„Wenn ich irgendwo hinfahren will, sei das jetzt London, Paris oder Bischmisheim, kann ich das. Herr Leiner kann das aber nicht. Der Kulturschlüssel schafft aber auch ihm die Möglichkeit, etwas in Begleitung zu unternehmen“, erklärt er sein Engagement. Der Kulturschlüssel sei eine ganz tolle Idee, sagt er.

Für Hans Josef Leiner sind Fußballspiele und Rockkonzerte das Größte. Die Band BAP hat er gesehen und war begeistert. Karten für ein weiteres Konzert im Oktober hat er auch schon. Organisiert von den Kulturschlüssel-Leuten, die auch auf spezielle Wünsche eingehen, sagt Hans Josef Leiner. „Das Schönste am Kulturschlüssel ist aber, dass behinderte Menschen rauskommen und am kulturellen Leben teilnehmen können“, sagt der 53-Jährige. Klaus Hartmuth stimmt ihm zu: „Alle reden immer nur von Inklusion, aber beim Kulturschlüssel wird Inklusion praktiziert.“

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