Bildende Kunst trifft Musik Die Kunst, die auf die Platten kommt

Saarbrücken · Mit dem Comeback der Schallplatte ist eine Kreativität wieder gefragt, die Vinyl erst attraktiv macht. O.W. Himmel huldigt den Etiketten der Firmen. Und er würdigt die Geschäfte, die der Platte die Treue hielten.

 „Record Stay – Vinylobjekte und Linolschnitte“ heißt die Ausstellung, die Künstler O.W. Himmel im Rex Rotari im Nauwieser Viertel zeigt.

„Record Stay – Vinylobjekte und Linolschnitte“ heißt die Ausstellung, die Künstler O.W. Himmel im Rex Rotari im Nauwieser Viertel zeigt.

Foto: Oliver Dietze

Schallplatten sind ein Medium, das lange dem Untergang geweiht schien. Heute ist das nicht mehr so. Vinyl liegt wieder voll im Trend. Selbst Musik aus dem Mainstream erscheint wieder auf Platte. Doch selbst wenn das schwarze Gold gerade noch einmal so überdauerte, hatten vor allem Plattenläden schwer mit der Vinyl-Krise zu kämpfen.

Genau die möchte der Künstler O.W. Himmel mit seinem Projekt „Record Stay – Vinylobjekte und Linolschnitte“ würdigen. Seine Kunst soll eine Hommage an all die Plattenladenbesitzer sein, „die all die dürren Jahre durchgehalten haben“, sagt Himmel.

Zum ersten Mal präsentiert hat er das Projekt am vergangenen Samstag im Saarbrücker Plattenladen Rex Rotari – pünktlich zum „Record Store Day“, dem internationalen Tag unabhängiger Plattenläden, der bereits seit 2008 jährlich stattfindet. „Wenn man nicht ganz doof ist, kann man diese synergetischen Effekte natürlich nutzen“, findet Himmel.

Insbesondere mit seinen Linolschnitten verfolgt Himmel ein ambitioniertes Ziel. Die Idee: Er fertigt Linolschnitte von Vergrößerungen der Labels an, die Plattenlabels neben der Beschriftung auf Schallplatten aufdrucken. Die Logos der einzelnen Plattenlabels, sozusagen. Dabei unterscheidet Himmel nicht zwischen den großen Major- oder den kleineren Indepentenlabels – für ihn zählen alle Plattenlabels, die es gibt oder je gab.

Nach seinen Hochrechnungen sind das rund 200 000 bis 250 000. „Ich mache jeden Monat einen Linolschnitt – bis ich gehe“, erzählt Himmel. Mit einem Schmunzeln muss auch er erkennen: „Ich werde wahrscheinlich nicht fertig damit“.

Im Rex Rotari zeigt er jetzt 15 von 124 Linolschnitten, die er bereits angefertigt hat. Bei seiner Arbeit an diesen Linolschnitten überschreitet Himmel durchaus die Grenze von der Kunst zur Wissenschaft. „Labels sind sowas wie ein blinder Fleck“, erklärt er.

Mal findet er in Ramschkisten von Plattenläden neue Labels, mal bei Platten-Plattformen im Internet. Zu den Labels dann noch Hintergrundinformationen aufzutreiben, ist eine andere Geschichte. Eine vollständige Liste aller Plattenlabels gibt es sowieso nicht, und nur zu einem Bruchteil der Plattenlabels findet man Informationen im Web.

Falls nicht, dann geht für Himmel die Detektivarbeit los. „Ich habe bis jetzt niemanden gefunden, der das alles erforscht hat“, erklärt Himmel. Auch deshalb entstand ein Ausstellungskatalog mit historischem Glossar, als Himmel mit seiner Grafikserie „Schallplattenlabels“ im Kunstmuseum Reutlingen zu Gast war. Hier zeigt Himmel nicht nur die Etiketten der einzelnen Plattenfirmen, sondern auch alle Informationen, die er während seiner Recherche über die Firmen oder über die Grafiker sammeln konnte, die die Etiketten entwickelt haben. Wohl eine Bereicherung für jeden Plattenfan.

Seine Linolschnitte würde Himmel selbst als „Neopop“ beschreiben. Er zeige die Welt nicht nur horizontal, wie man es etwa von Warhol kenne, also beispielsweise: „Was finde ich im Supermarktregal?“, sondern auch vertikal, auf der Zeitebene, erklärt er. So spiegeln einige Arbeiten auch die graphische Entwicklung der Labels über die Jahre.

Neben den Linolschnitten zeigt Himmel im Rex Rotari auch Installationen aus Vinyl. Von Ausstellungsort zu Ausstellungsort sehen diese anders aus. Im Rex Rotari sind es drei deckenhohe Schallplattentürme im Schaufenster. Titel: „Die drei Säulen des Rex“. Im Rex Rotari ist Himmel mit seinem Projekt noch bis zum 10. Juni zu Gast. Die ideale Gelegenheit, mal wieder einem Plattenladen einen Besuch abzustatten. Und dabei erstklassige Kunst zu sehen – Himmels Label-Linolschnitte hingen nämlich auch schon im Frankfurter Städel-Museum neben Werken von Pollock und Co.

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