Theater Künstler lassen Mauern fallen

Saarbrücken · Das Theater im Viertel (TiV) zeigt 21 teils sehr persönliche Beiträge der freien Kunstszene zum Thema „Mauerfälle“. Dabei geht es auch, aber nicht nur um „die“ Mauer.

 Auf der Mauer, auf der Lauer: Gabriele Bernstein, Barbara Scheck und Peter Tiefenbrunner beim Proben ihres Beitrags für die szenische Collage „Mauerfälle 1“ im Theater im Viertel.

Auf der Mauer, auf der Lauer: Gabriele Bernstein, Barbara Scheck und Peter Tiefenbrunner beim Proben ihres Beitrags für die szenische Collage „Mauerfälle 1“ im Theater im Viertel.

Foto: Sebastian Dingler

„Auf der Mauer, auf der Lauer, sitzt ’ne kleine Wanze“ – das sei das erste gewesen, was den Schauspielern Barbara Scheck, Gabriele Bernstein und Peter Tiefenbrunner einfiel, als sie um einen Beitrag für die szenische Collage „Mauerfälle 1“ gebeten wurden. Die Mauer und Abhörwanzen – klar, das erinnert beides an die DDR. „Das Lied ist sogar in der DDR aus diesem Grund gesungen worden“, erzählt Tiefenbrunner.

Das Trio wagt neben dem Kinderlied und anderen Texten aber auch den Blick in die Gegenwart, und zwar mit einem von Tiefenbrunner geschriebenen Gedicht über Donald Trump: „Die Mauerwanze nistet gern / auch in dem Kopf von diesem Herrn“. Der Beitrag ist einer von 21, die an zwei Abenden (diesen Donnerstag und Freitag) im Theater im Viertel (TiV) gezeigt werden. Die Idee zur szenischen Collage stammte aus dem TiV-Team, dem mit Dietmar Blume ein ehemaliger DDR-Bürger angehört. Der künstlerische Leiter des Theaters wollte aber selbst nicht mitmachen: „Ich habe mich da rausgezogen, bin da zu empfindsam.“

Der Aufruf zum Mitmachen ging an alle Künstler der freien Szene, die dem TiV bekannt sind. TiV-Dramaturg Robert Karge wird seine persönliche Geschichte erzählen, als er am Tag des Mauerfalls den ostdeutschen Schriftsteller und Bürgerrechtler Jens Sparschuh besuchte: „Ich bin dann vom Mauerfall erwischt worden.“ Auch Moschgan Ebrahimi, die aus dem Iran stammt, wird ihre persönliche Mauerfall-Geschichte erzählen, zudem einen Text von Christa Wolf vortragen. Andere Beiträge in der Länge von einer bis 15 Minuten behandeln Texte von Berthold Brecht, Gabriele Göttle oder Jens Sparschuh, dazu gibt es Musik, Kabarett und kurze Theaterszenen.

„Wir wollten die freie Szene des Saarlandes zusammenfassen, dass sie Stellung bezieht auf der Bühne“, meint Blume. Etwa gegen rassistische Übergriffe. „Das passt ja zum Mauerfall. Wir haben ja im Osten eine Politik, die gerade explodiert mit der AfD, das lässt sich ja nicht wegdenken.“ Das Thema „Mauer“ diene sozusagen als Ausgangspunkt, ergänzt Robert Karge: „Es geht auch um die Mauern in den Köpfen: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit.“ Den Künstlern wurden dabei große Freiheiten gelassen, so kämen auch Passagen aus Heines Winterreise oder der griechischen Tragödie Medea vor. „Das lassen wir zu,“ sagt Blume, „es geht gar nicht darum, dass wir nur Texte aus der oder über die DDR machen. Entscheidend ist, dass eine Riesengruppe von Künstlern auf die Bühne geht. Und dass jeder das Thema von seiner persönlichen Perspektive aus beleuchtet. Das ist die große Leistung, die die Gruppe erbracht hat: Dass verschiedene Leute unter einem Dach es miteinander schaffen eine Aussage zu tätigen.“

Nach der Aufführung plant das Theater eine weitere Collage mit dem Titel „Mauerfälle 2“. Die soll sich mit der Zeit von 1990 bis heute beschäftigen. „Wir gucken dann darauf: Was ist in der Zeit nach dem Mauerfall passiert, was hat die heutigen Probleme mit der Rechtsradikalisierung verursacht?“, sagt Robert Karge.

Der Eintritt zu beiden Vorstellungen ist frei, finanziert wird das Ganze über Fördergelder des Bundes-Familienministeriums, des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und der Landeshauptstadt Saarbrücken. Nach jeder Aufführung soll es eine Diskussion mit dem Publikum geben.

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