Kriminalität Kriminalität: gute Zahlen, schlechte Stimmung

Saarbrücken · Statistik zeigt deutliche Rückgänge. Aber aggressive Gruppen tragen Konflikte öffentlich aus. Polizei will energisch gegenhalten.

 Die Polizei sieht sich zunehmend gruppendynamischerGewalt ausgesetzt (Symbolbild).

Die Polizei sieht sich zunehmend gruppendynamischerGewalt ausgesetzt (Symbolbild).

Foto: dpa/Benjamin Vormeyer

(ole) Rückgang. Das Wort steht landauf, landab in den deutschen Kriminalstatistiken für 2017. Auch in der Auswertung für Saarbrücken erscheint an vielen Stellen ein Minuszeichen. Zum Beispiel bei der Gesamtzahl der Delikte in St. Johann. Dort sank die Zahl der erfassten Straftaten von 11 145 (2016) auf 10 229 im vergangenen Jahr. Beispiel zwei: die Raubdelikte auf Straßen und Wegen. 73 gab es 2016 in St. Johann, 56 waren es 2017. Beispiel drei: die Wohnungseinbrüche, 50 gab es im vergangenen Jahr in St. Johann, 136 waren es 2016. Das ist ein Rückgang um fast 37 Prozent.

Sicherer fühlen sich viele Saarbrücker keineswegs. Die vier Polizisten, die mit der SZ über die Saarbrücker Kriminalstatistik sprachen, wissen sehr wohl, dass die Zahlenberge nichts über das Empfinden der Bürger aussagen.

Die Gesprächspartner waren Harald Groß, stellvertretender Leiter der Inspektion St. Johann, Axel Kläser, Chef der Inspektion Alt-Saarbrücken, Wolfgang Schäfer, Leiter der Inspektion Burbach, und Michael Hammerschmitt, der den Kriminaldienst Saarbrücken leitet. Alle mahnen zum genauen Blick auf die Zahlen. Die eingehende Betrachtung sei nötig, um gegenläufige Trends und Brennpunkte zu erkennen. So gab es voriges Jahr 958 Körperverletzungen in St. Johann, 18 mehr als 2016. Und die Zahl der gefährlichen oder schweren Körperverletzungen in der Öffentlichkeit blieb mit 175 nur um sieben Fälle unter dem Vergleichswert von 2016.

Ähnlich auffällig ist die Zahl der Raubdelikte im Zuständigkeitsbereich der Inspektion Burbach. Sie sank nicht, sondern lag verglichen mit 2016 (65) um drei Taten höher.

Hohe Wellen schlagen öffentlich ausgetragene Konflikte zwischen Gruppen junger Männer. Erst recht, wenn Messer im Spiel sind. Doch diese Straftaten mit Messern,  auch von Deutschen begangene derartige Delikte, tauchen noch gar nicht in den Zahlenwerken auf. Die Auswertungswerkzeuge sind bislang nicht darauf ausgelegt. Das soll sich ändern. Die statistische Erfassung dieser Angriffe steht auf der Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz.

Wie wichtig eine Statistik wäre, zeigt eine von der SZ am 24. Februar veröffentlichte Liste von sieben Messerstechereien und Schlägereien, an denen Syrer und/oder Afghanen beteiligt waren; Bilanz: neun Verletzte. Die Polizei hatte alle diese Fälle zwischen Neujahr 2016 und Mitte Dezember 2017 gemeldet. Seit diese Liste erschien, berichtete die Polizei von vier weiteren Verbrechen aus der City, bei denen Messer im Spiel gewesen sein sollen. Zwei davon waren Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Afghanen beziehungsweise arabischstämmigen Deutschen; Bilanz: drei Verletzte.

Klar sei, dass solche Gruppen in der Landeshauptstadt eher unterwegs sind als im Umland. Saarbrücken ist hier der einzige Ballungsraum mit grenzüberschreitender Anziehungskraft. Insofern wundern sich die Gesprächspartner von der Polizei nicht, dass Saarbrücken in der Delikt-Häufigkeitszahl bei Städten über 100 000 Einwohnern unter den Top Zwanzig liegt, bei einigen Taten sogar in den Top Zehn.

In der größten Stadt des Landes macht eine weitere Straftat viel Arbeit, das Tumultdelikt. Ein Streit, oft von Einzelnen in der Disko begonnen, weitet sich aus und greift auf immer mehr Beteiligte über. „Dahinter stecken große Gruppen, die sich solidarisieren und dann der Polizei aggressiv gegenübertreten“, sagt Harald Groß. Er spricht auch von „ausländischen Gruppierungen, die uns Sorgen machen“, will aber keineswegs alle Migranten stigmatisieren. Denn die seien bei den Tumulten eben oft die Opfer.

Burbachs Polizeichef Wolfgang Schäfer nennt ein weiteres Deliktfeld, das ihm und den Kollegen zu schaffen macht. Es ist die häusliche Gewalt, das Zusammentreffen von Alkohol, Drogen und Brutalität. Opfer: Frauen und Kinder. „Diese Fälle belasten uns besonders.“
Ebenso wie die vielen Attacken von Rechtsbrechern auf Polizisten. Axel Kläser sagt, in Alt-Saarbrücken gebe es etwa jeden dritten Tag einen Fall von Widerstand gegen Beamte. 40 Fälle sind es pro Jahr im Saarbrücker Westen.

Umso wichtiger ist allen Saarbrücker Inspektionen, Regeln durchzusetzen. Auch in öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie nötig das ist, bewies eine Schwarzfahrer-Suche in der Saarbahn. Von 250 Kontrollierten hatten 50 keinen Fahrschein.

In St. Johann und im Westen zeigt die Polizei verstärkt Präsenz, wo die Zahl der Straftaten, insbesondere Raub oder Körperverletzung, herausragt. Das gilt für die Reichsstraße, den Bahnhofsvorplatz und die Saarbahnhaltestelle Johanneskirche. Dort haben Beamte erweiterte, weil anlassunabhängige Kontrollmöglichkeiten. Sie zeigen Verdächtigen: Wir haben euch auf dem Radar. Das soll Straftaten verhindern.

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