Stadtgeschichte Zwei Frauen aus dem Elsass in Saarbrücker Uniform

Frauen, die in öffentlichen Verkehrsmitteln kontrollieren oder sie sogar steuern –  das war in Saarbrücken lange Zeit ein Ding der Unmöglichkeit. Zumindest dann, wenn kein Krieg tobte.

Stadtgeschichte: Zwei Frauen aus dem Elsass in Saarbrücker Uniform
Foto: SZ/Robby Lorenz

Das Foto hat ein paar Macken, am Rand ist es etwas abgegriffen. Aber es ist in gutem Zustand, zumindest dafür, dass es schon 100 Jahre alt ist. Die beiden Frauen, die auf dem Foto in Uniform posieren, scheinen geahnt zu habe, dass sie für die Ewigkeit in die Kamera schauen. Sie wirken ernst, stolz auf ihre Berufskleidung und der mit ihr verbundenen Gewissheit: Wir sind etwas Besonderes.

Ellen Adam aus Bischmisheim hat mir das Foto gebracht. Es zeigt ihre Oma Emma Barthel, die, als das Foto in einem Saarbrücker Studio gemacht wurde, noch Lenhardt hieß. Neben Emma steht ihre Schwester Lina. 1884 wurde ihre Oma in Adamswiller im Elsass geboren, erzählt Ellen Adam. 1914 ist ihr Mann gestorben. Sie blieb mit einem zwei Jahre alten Sohn zurück. Da habe ihre Schwester Lina, die schon an der Saar lebte, gesagt: „Komm doch rauf nach Saarbrücken, da kriegen wir eine Stelle bei der Straßenbahn“, erzählt Ellen Adam.

Die Straßenbahn hat damals Frauen eingestellt, weil die meisten Männer im Krieg waren. Und da sei es auch kein Problem gewesen, dass ihre Oma ihr kleines Kind mal mit zur Arbeit, also in die Straßenbahn,  brachte. 1918 hat Emma dann wieder geheiratet. Der Erste Weltkrieg und die Straßenbahnerinnenzeit waren vorbei.

 Emma Lenhart, links, mit ihrer Schwester Lina in Straßenbahnerinnenuniform. Das Foto entstand vor rund 100 Jahren.

Emma Lenhart, links, mit ihrer Schwester Lina in Straßenbahnerinnenuniform. Das Foto entstand vor rund 100 Jahren.

Foto: Privatbesitz Adam/Repro SZ

Vergessen hat mancher Saarbrücker den Kriegseinsatz der Frauen in der Straßenbahn, den es auch im Zweiten Weltkrieg gab, aber nicht. Als in den 80er Jahren die ersten Frauen hinterm Steuer in Saarbrücker Linienbussen saßen, soll ein älter Fahrgast ganz erschrocken gemurmelt haben: „Ist denn schon wieder Krieg?“

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